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[ Die Kammern in Brüssel ]

Europa-Trio

Wie sich Joachim Jobi, Thomas Haas und Claudia Sanders im Brüsseler EU-Büro der deutschen Kammern für die Architekten daheim engagieren

Europas Hauptstadt: In Brüssel werden viele Gesetze auf den Weg gebracht, die Einfluss auf das Leben der EU-Bürger haben.

Von Roland Stimpel

Im vorigen Jahrhundert versorgten sich politisch interessierte Fernsehzuschauer mit dem „Bericht aus Bonn“, in diesem tun sie es mit dem „Bericht aus Berlin“. Aber was ist mit dem „Bericht aus Brüssel“? Den sendet die ARD bisher nicht, obwohl in der EU-Metropole rund 80 Prozent aller deutschen Gesetzesvorhaben ihren Rahmen und ihren Anstoß erhalten. Für Architekten und Ingenieure hingegen gibt es den Bericht aus Brüssel bereits: Alle zwei Monate schicken ihn Joachim Jobi, Thomas Haas und Claudia Sanders ostwärts; im Internet findet ihn jeder (siehe Seite 34). Jobi, Haas und Sanders vertreten in Brüssel die Bundesarchitekten- und die Bundesingenieurkammer, die österreichischen Kammern für beide Berufe, den europäischen Verband der Ingenieurkammern sowie einen deutschen Bauherrenverband.

Manche ihrer Themen wirken auf den ersten Blick dröge, aber jedes ist für deutsche Architekten direkt oder indirekt von Bedeutung. Im aktuellsten Brüsseler Bericht geht es um die internationale Berufsanerkennung und ums Vergaberecht, ums Wassersparen in Gebäuden, um die Planungsstrategie von Städten und Regionen, um Förderprogramme und internationale Verbände. Der Brüsseler Bürochef und Jurist Joachim Jobi beschreibt, was die drei dazu beitragen: „Wir beobachten und fragen, wir analysieren und informieren für unsere deutschen Kollegen, und wir tun natürlich unser Möglichstes, um im Sinn der Architekten und Planer Einfluss zu nehmen.“

Das geht weder mit der Dramatik nächtlicher EU-Gipfel vor sich noch so wie lässiges belgisches Kneipenbillard. Mit der Richtlinie zur Berufsanerkennung zum Beispiel beschäftigt sich Jobi seit über vier Jahren. Gerade soll sie novelliert werden, damit auch Architekten einerseits leichter in anderen EU-Ländern arbeiten können, andererseits aber nur wirklich qualifizierte Kräfte international tätig werden. Dazu kontaktiert Jobi immer wieder den aus Deutschland stammenden Chef des Referats „Freizügigkeit von Fachkräften“ in der EU-Kommission, stimmt sich mit Architektenvertretern aus anderen Ländern und mit den deutschen Kammern ab oder recherchiert und argumentiert im Bundes-Wirtschaftsministerium, das das Thema von Berlin aus betreut.

Unser Trio in Brüssel: Joachim Jobi, Claudia Sanders und Thomas Haas.

Am Tag nach dem vierten Advent 2011 fährt Jobi den Lohn der langen Mühe ein: Der Richtlinien-Entwurf ist da – „und ich bin fast überrascht, wie weitgehend die EU-Kommission unsere Vorstellungen berücksichtigt hat“. Die Richtlinie soll sichern, dass nur derjenige als Architekt in einem anderen Land arbeiten darf, der mindestens sechs Studien- und Praxisjahre vorweisen kann, davon vier im Studium. Als Kontrollinstanzen sollen die Kammern fungieren, da sie die meiste Erfahrung haben und bei inländischen Kollegen auf die nötige Qualifikation achten. Die Kammern sollen auch erfahren, wenn ein anderes Land in Europa die Tätigkeit eines Architekten beschränkt, weil er gegen dortige Regeln verstoßen hat. Er soll dann natürlich auch nicht in anderen Ländern seinen Beruf ungehindert ausüben dürfen.

„Das alles ist das Ergebnis eines intensiven Konsultationsprozesses über mehr als zwei Jahre“, stellt Jobi zufrieden fest. „Wir Kammern waren da sehr gut eingebunden.“ Aber dies ist noch lange nicht das Ende, denn nun wird der Richtlinien-Entwurf auf Herz und Nieren geprüft und kommentiert. Jobi hat das bereits mit Wolfgang Haack von der Kammer Hessen eingeleitet, der im Vorstand des Architects’ Council of Europe (ACE) das Thema „Berufszugang“ koordiniert. Außerdem bereitet er gerade die Abstimmung mit den Justiziaren der deutschen Kammern in München vor. Was dort an Verbesserungsbedarf ermittelt wird, soll wiederum über eigene Initiativen, über Abgeordnete oder deutsche Ministerien in den Brüsseler Apparat einfließen.

All das organisiert Jobi fünf Tage vor Weihnachten zwischen diversen Terminen. Drei Stunden lang sitzt er an diesem Tag mit Vertretern anderer deutscher Freiberufler-Verbände in Brüssel zusammen. Ein wichtiges Thema sind hier von der EU geplante Normen für Dienstleistungen. Jobi und seine Kollegen sind sich einig, dass die individuellen, persönlich erbrachten Leistungen von Freiberuflern nicht sinnvoll normiert werden können. Am Abend ist er bei einem Abendessen des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland. Man trifft sich aber nicht in einem Brüsseler Gourmet-Tempel, sondern in einem ziemlich nüchternen Speiseraum im Parlamentsgebäude, wo das EU-Catering ein Einheitsmenü serviert. Aber Essen ist nicht das Wichtigste: Wieland, selbst Anwalt, engagiert sich für Freiberufler und ist Verbündeter in Sachen Dienstleistungs-Normen, Vergaberecht und den Ausbau der Selbstregulierung freier Berufe durch die Kammern. Gegen 22 Uhr endet das Arbeitsessen. Als kleinen Trost für den langen Tag bekommt jeder, der will, einen europäischen Schoko-Weihnachtsmann. Am Tag darauf verfeinert Jobi seine Analyse des Richtlinien-Entwurfs, die vor Weihnachten noch in Deutschland verteilt werden soll. Heute soll der Arbeitstag etwas früher enden – schon gegen 21 Uhr.

Einen Erfolg kann am selben Tag auch sein Bürokollege Thomas Haas vermelden, studierter Landschaftsplaner und verantwortlich für Themen wie Baukultur, Stadtentwicklung und technische Normen. Haas’ aktuelles Thema ist eine Richtlinie der Kommission zur Energieeffizienz. Nach ihrem Entwurf drohen weitere bürokratische Anbieterlisten für die Energieberatung; Architekten würden bei manchen Planungen in die Rolle eine Subunternehmers von Energieversorgern geraten. Für Gegenmaßnahmen hat Haas sich mit den deutschen Kammern abgestimmt, sich mit zwei Referentinnen der deutschen EU-Vertretung in Brüssel ausgetauscht und schließlich die Büroleiterin einer deutschen Abgeordneten getroffen – „in der Cafeteria des Parlaments, wo man nicht von Tonnen Papier eingeengt ist“. Nach einer Stunde bei Latte Macchiato und konzentrierten Gesprächs hat die Büroleiterin zugesichert, sich in Haas’ Sinn bei ihrer Abgeordneten zu verwenden. Und heute kann er nach Deutschland melden, dass sowohl das Ministerium wie auch die Abgeordnete in seinem Sinn gegen die drohende Bürokratisierung angehen werden.

Zu Haas’ Standardaufgaben gehört es, in der „gigantischen Themenflut“ das für Architekten Wichtige überhaupt erst zu entdecken. Dazu gibt es den Informationsdienst „Euractiv“, der nach Themen gefilterte Nachrichten versendet. An Haas „pro Tag etwa 20, wovon über die Hälfte aktive Arbeit auslöst“. Dazu kommen ein reger Austausch mit anderen Verbänden, Arbeitstreffen und Abendempfänge – „beim Rotwein plaudern auch manche, die sonst die Zähne nicht auseinander bekommen“. Und es gibt EU-Themen, von denen er auf dem Umweg über Berlin erfährt: Was mit Normen zu tun hat, geht vom Comité Européen de Normalisation (CEN) über das Deutsche Institut für Normung DIN an die Bundesarchitektenkammer in Berlin. Wenn es dann Aktionen bei der EU zugunsten der Architekten erfordert, geht der Fall zurück nach Brüssel an Thomas Haas.

Jan Olbrycht. Der polnische EU-Abgeordnete und Soziologe leitet die „Urban intergroup“

Dessen besonderes Anliegen ist das Verbessern des Rufs und des Einflusses von Architekten in Brüssel. „Sie werden hier von manchen noch als schöngeistige Weltverbesserer und ästhetisches Beiwerk angesehen.“ Dagegen soll zum Beispiel eine Konferenz des European Forum for Architectural Policies (EFAP) angehen, die Haas gerade vorbereitet. „Wie Architekten Europa stärken können“ steht im Titel. Über 200 Teilnehmer vom ganzen Kontinent werden dazu im Europäischen Parlament erwartet, dessen „Urban intergroup“ der polnische Abgeordnete Jan Olbrycht vorsitzt. Haas freut sich: „Da werden die inhaltlichen Belange von Architekten in einem Plenarsaal des Parlaments besprochen. Und damit wächst bei den Parlamentariern das Bewusstsein für die Dimension und die Relevanz von Architektur und Architekten.“

Konferenzen sind auch ein großes Thema für Claudia Sanders, die Dritte im Brüsseler Bund und Projektleiterin für die Koordination internationaler Architektenverbände. Während Haas in Sachen Energieeffizienz-Richtlinie agierte, war sie auf einem Treffen der Westeuropa-Sektion der Union Internationale des Architectes (UIA) in Zürich. Es ging um internationale Wettbewerbsregeln, Fortbildungsprogramme, die Nachbereitung des Architekten-Weltkongresses vom September 2011 in Tokio und die Vorbereitung des nächsten in Durban, Südafrika im Jahr 2014. Sanders vermittelt auch Informationen und Themen zwischen dem Weltverband und den deutschen Kammern – und sie unterstützt das deutsche Architektur-Export-Netzwerk NAX (siehe Bericht auf Seite 26).

Gerade bereitet sie, zusammen mit NAX, eine Ausstellung deutscher Architektur vor, die im April im Pariser Goethe-Institut eröffnet werden soll. Da ist ein Empfang zu organisieren; es sind Sponsoren zu betreuen, französische Architektenverbände zu informieren und zu motivieren. Als besonderes Bonbon soll es erstmals ein deutsch-französisches Architekturquartett geben, mit vier Diskussionsteilnehmern und Projekten aus beiden Ländern. Daneben macht Claudia Sanders an diesem Dienstag das, was auch ihre Kollegen Thomas Haas und Joachim Jobi beschäftigt: Sie schreibt am aktuellen Bericht aus Brüssel.

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