Von Hans-Christian Schwenker
Ein bulgarisches Ingenieurbüro, das auch einen Sitz in Deutschland unterhält, wurde von einem inländischen Generalplaner über einen Zeitraum von drei Jahren mit Tragwerksplaner-leistungen zu 17 Bauvorhaben beauftragt. Dazu wurden Vorarbeiten jeweils in Bulgarien er-bracht. Ein Angebot zum Abschluss eines Rahmenvertrags hat der Generalplaner nicht angenommen, die Beauftragungen erfolgten jeweils auf Grundlage von Pauschalpreisverträgen, die einen Preis von etwa 77 Prozent des HOAI-Mindestsatzhonorars vorsahen. Später verlangte das Ingenieurbüro jedoch zusätzlich die Differenz zum vollen Mindestsatz.
Das Oberlandesgericht urteilte zunächst, die Unterschreitung der Mindestsätze sei gemäß § 4 Abs. 2 HOAI (Fassung bis 2009) im Hinblick auf eine enge wirtschaftliche Beziehung zwischen den Parteien zulässig. Dem widerspricht nun der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.10.2011 – VII ZR 163/10 – Link hier). Eine Unterschreitung der Mindestsätze können nur solche Umstände rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis deutlich von den übrigen Vertragsverhältnissen unterscheiden, sodass ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist. Die wiederkehrende Zusammenarbeit von Ingenieuren in der Weise, dass der eine Ingenieur einen anderen als Nachunternehmer beauftragt, ist keine ungewöhnliche Zusammenarbeit, sondern eine übliche Vertragsgestaltung. Auch in diesen Fällen verdient der als Nachunternehmer eingesetzte Ingenieur den Schutz, den ihm die HOAI dadurch verschafft, dass eine Honorarvereinbarung grundsätzlich nur im Rahmen der festgesetzten Mindest- und Höchstsätze zulässig ist.
Nachunternehmer brauchen Schutz
Auch der als Nachunternehmer tätige Ingenieur muss davor geschützt werden, unter dem Druck des Wettbewerbs einen nicht auskömmlichen Preis anbieten zu müssen. Es kommt nicht darauf an, ob das Honorar im konkreten Fall noch auskömmlich ist oder wie hoch die Mindestsatzunterschreitung ist. Ob etwas anderes gilt, wenn der als Nachunternehmer eingesetzte Ingenieur aufgrund eines Rahmenvertrages arbeitet, der ihm sonstige Vorteile bringt, lässt der BGH offen. Denn einen solchen Vertrag haben die Parteien nicht geschlossen. Die Pauschalvereinbarung ist daher unwirksam.
Unterschreitung und Vertrauen
Allerdings verhält sich der Auftragnehmer widersprüchlich, wenn er zunächst eine Pauschalvereinbarung unterhalb der Mindestsätze abschließt und später nach den Mindestsätzen abrechnen will. Ein Geltendmachen der Mindestsätze kann nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut und vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags zu den Mindestsätzen nicht zugemutet werden kann. In Ausnahmefällen kann dies der Fall sein, wenn der Auftraggeber die Unwirksamkeit der Pauschalpreisabrede kennt, der Auftragnehmer aber ein besonderes Vertrauen des Auftraggebers dahin erweckt hat, er werde sich an die Pauschalvereinbarung halten. Ein solches besonderes Vertrauen wird nicht allein dadurch begründet, dass ein Architekt bereit ist, einen Vertrag unterhalb der Mindestsätze abzuschließen oder er diesen Vertrag schließlich auch nach der getroffenen Pauschalvereinbarung abrechnet.
Es kann aber dadurch entstehen, dass er in einer ständigen Geschäftsbeziehung eine Vielzahl von Verträgen mit dem Auftraggeber unter den Mindestsätzen abgeschlossen hat und ihm nicht verborgen bleiben kann, dass sich der Auftraggeber aufgrund dieser Geschäftspraxis bei der Gestaltung seiner Verträge mit seinen Auftraggebern auf die Einhaltung der Pauschalabrede verlässt. Denn es macht einen Unterschied, ob ein Auftragnehmer nur gelegentlich mit dem Auftraggeber einen Vertrag unterhalb der Mindestsätze abschließt oder er in ständiger Geschäftsbeziehung so verfährt. Diese Beständigkeit kann einen eigenen Vertrauenstatbestand begründen.
Im Ergebnis kann somit auch eine lang andauernde Geschäftsbeziehung, die als solche nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HOAI (alte Fassung) – jetzt § 7 Abs. 3 HOAI – erfüllt, zur Wirk-samkeit eines unter den Mindestsätzen führenden Honorars führen. Voraussetzung ist aber, dass der Architekt durch Geltendmachen der Mindestsätze ein besonderes Vertrauen seines Auftraggebers auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung verletzt. Ob das der Fall ist, muss jeweils im Einzelfall vom Gericht beurteilt werden. Es kann daher kaum noch eine Prognose abgegeben werden, wie Honorarvereinbarungen unterhalb der Mindestsätze von Gerichten beurteilt werden.
Hans-Christian Schwenker ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.
Link zur Broschüre „Der Generalplanervertrag – Ein Leitfaden für Architekten“
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