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[ Bauen im Bestand II: Schädlinge ]

Vormieter mit Gesundheitsrisiko

Werden vor der Altbausanierung Parasiten wie Kugelkäfer und Taubenzecken nicht entdeckt und vernichtet, kann es zu unappetitlichen Problemen kommen

Kugelkäfer: lassen sich nur effizient und nachhaltig bekämpfen, wenn man an ihre ­Ruhe- und Brutplätze gelangt.

Von Thomas F. Voigt
Idealerweise beginnt die Renovierung eines Altbaus erst dann, wenn alle Vormieter ausgezogen sind. Doch nicht immer sind leer geräumte Wohnzimmer und entrümpelte Dachböden tatsächlich unbewohnt. In Ritzen und Hohlräumen tummeln sich allerhand unerwünschte Lebewesen, denen mit Mausefallen nicht beizukommen ist. Zu den häufigsten Mitbewohnern zählen Kugelkäfer und Taubenzecken. Sie sind nicht nur eine Plage, sondern ein echtes Gesundheitsrisiko. Und sie sind gar nicht so einfach loszuwerden.

Kugelkäfer sind Allesfresser. Sie ernähren sich von Produkten tierischer und pflanzlicher Herkunft, wobei sie eine Vorliebe für Textilien haben und hier gewaltige Fraßschäden anrichten können. Auf der Suche nach Nahrung nutzen sie alle Lücken, die abgehängte Decken, Lampenkabel, Bohrlöcher oder Fußleisten bieten. Sind Kugelkäfer im Haus, findet man sie nahezu überall: in der Wäsche, im Geschirr, an Putzutensilien, in Lampen, im Teppich, an frischem Brot und anderen Lebensmitteln. Ihr massenhaftes Auftreten führt nicht nur zu Beeinträchtigungen von Wohlbefinden und Gesundheit, sondern zieht auch psychische Belastungen der Bewohner nach sich.

Die Taubenzecke wiederum ist aufgrund ihres hohen Eiweißbedarfs auf Wirtsorganismen angewiesen – sie ernährt sich von Blut. Normalerweise befällt dieser Parasit, wie der Name schon sagt, Vögel. Doch wenn es sein muss, macht die Taubenzecke auch vor Menschen nicht halt. Aufgrund eines betäubenden Wirkstoffs im Speichel werden ihre Stiche von den Betroffenen selbst nicht bemerkt. Die körperlichen Reaktionen können jedoch sehr unterschiedlich ausfallen: Sie reichen von Hautrötungen mit lästigem Juckreiz über Lymphgefäßentzündungen mit starkem Fieber und Bindehautreizungen mit Tränenfluss bis hin zu Atemnot und Herzrasen. Im schlimmsten Fall kann eine Infektion zu Kreislaufkollaps, Bewusstseinsverlust und sogar zum Tod führen.

Der Befall eines Altbaus mit diesen Schädlingen ist aufgrund dieser Risiken sehr ernst zu nehmen. Denn oft kommt es deswegen zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten, verbunden mit Mietminderungen, Schadensersatzforderungen oder Kosten für Rückbau.

Ideal zum Leben: Mit Taubenkot verunreinigte Dachböden und altes Gerümpel bieten Käfern und Taubenzecken einen angenehmen Aufenthalt, wie die auf der freigelegten Schüttung sitzenden Kugelkäfer oben rechts im Bild zeigen.

Welche Gebäude sind für das Auftreten solcher Schädlinge besonders anfällig?

Natürlich beherbergt längst nicht jeder Altbau Kugelkäfer und Taubenzecken. Es gibt jedoch eine Reihe von Anhaltspunkten, die Architekten, Bauherren oder Bauträger beachten sollten, wenn es um die Sanierung und Renovierung alter Gebäude geht.

Kugelkäfer siedeln bevorzugt in Gebäuden, die zuvor landwirtschaftlich genutzt wurden. Dabei kann es sich auch um eine Nutzung handeln, die schon länger zurückliegt. Da noch bis in das vergangene Jahrhundert hinein Nutztiere auch in Städten gehalten wurden, sollte sich der Fokus dabei nicht ausschließlich auf Häuser im ländlichen Bereich richten. Infrage kommen außerdem Mühlen und Backbetriebe oder ehemalige Museen.

Das Auftreten von Taubenzecken setzt voraus, dass in dem fraglichen Gebäude Vögel genistet haben. Nahezu jede Geflügelart kann schadlos eine Symbiose mit Taubenzecken eingehen. Im städtischen Umfeld sind vornehmlich Gebäude betroffen, die längere Zeit leer standen, defekte Dächer aufweisen und von verwilderten Haustauben besiedelt waren. Aber auch Brutstätten von Sperlingen, die vielfach unter intakten Dächern ihre Nester haben, bieten Taubenzecken ideale Lebensbedingungen. Besonders gefährdet sind zudem landwirtschaftliche Einrichtungen, in denen sich vorher ein Geflügelzuchtbetrieb befand. Diese Örtlichkeiten sollten vor dem Beginn der Umbau- oder Sanierungsarbeiten gründlich auf Schädlingsbefall untersucht werden.

Wie erkennt man einen Befall?

Das Auffinden der Verstecke von Kugelkäfern sowie Taubenzecken ist schwierig und für Laien kaum zu bewerkstelligen. Ein professioneller Schädlingsbekämpfer verwendet dafür ein pyrethrumhaltiges Indikator-Spray, das in die vermeintlichen Schlupfwinkel gesprüht wird. Liegt Befall vor, werden Käfer beziehungsweise Zecken schon nach kurzer Zeit ihre Refugien verlassen. Um die Tiere besser zu erkennen, können helle Papierbögen auf den Boden gelegt werden. Mithilfe leimbestrichener Pappbahnen lässt sich verhindern, dass die Schädlinge entkommen. Wichtig ist, dass das Gebäude vom Keller bis zum Dachgeschoss sowie alle Nebengebäude auf diese Art und Weise inspiziert werden. Kugelkäfer lassen sich auch auffinden, indem man zusätzlich feuchte Tücher auslegt, die die Käfer zur Wasseraufnahme nutzen. Bei Taubenzecken wird das geübte Auge unter anderem Kotspuren erkennen. Selbst wenn nur an einer Stelle des Objektes ein Befall festgestellt wird, muss der gesamte Gebäudekomplex einer gründlichen Schädlingsbeseitigung unterzogen werden.

Unerwünschte Hausbesetzer – was tun?

Kugelkäfer wie auch Taubenzecken lassen sich nur effizient und nachhaltig bekämpfen, wenn man an ihre Ruhe- und Brutplätze gelangt. Nicht selten müssen dafür Mauern oder Balken angebohrt und Schüttungen in Decken und Hohlräumen freigelegt werden. Daher sollte ihre Beseitigung vor den anstehenden Umbau- und Renovierungsmaßnahmen erfolgen. Die Rückzugs- und Brutplätze der Schädlinge müssen zur effizienten Bekämpfung möglichst großzügig freigelegt werden, um so nah wie möglich an die Befallsherde zu gelangen. Die gründliche Bekämpfung erfordert den Einsatz von Langzeitinsektiziden, mit denen die Schädlinge in Berührung kommen müssen, was aufgrund deren teilweise längeren inaktiven Phasen oft Schwierigkeiten bereitet. Der Einsatz von Gas ist in Wohngegenden nicht zulässig und erweist sich ohnehin als wenig effizient gegen Taubenzecken, die eine unregelmäßige Atmung haben. Larvizide, die die Jugendentwicklung der Tiere unterbinden, können bei Kugelkäfern zusätzlich eingesetzt werden. Sowohl bei Kugelkäfern als auch bei Taubenzecken kann Diatomeenerde eingesetzt werden, die zur Austrocknung der Schädlinge führt. Als alternatives Bekämpfungsverfahren bietet sich die Heißluftbehandlung an. Dafür wird das Objekt so aufgeheizt, dass im Kern des Mauerwerkes oder des Gebälks Temperaturen von 55 bis 60 Grad Celsius entstehen.

Mehr als bei anderen Schädlingen muss das Tilgungskonzept bei Kugelkäfern und Taubenzecken objekt- und befallsbezogen sein. Das heißt, der Schädlingsbekämpfer muss in Abhängigkeit von Objekt, Befallsart, Befallsintensität und Befallsort entscheiden, welche Mittel und Verfahren eingesetzt werden. Nach abgeschlossener Bekämpfung empfiehlt sich eine erneute Inspektion, um sicher zu gehen, dass alle Befallsherde nachhaltig getilgt wurden.

Thomas F. Voigt ist Sachverständiger für Schädlingsbekämpfung in Laudenbach, Baden-Württemberg.


Kurzporträt Kugelkäfer (Gibbium psylloides)

Kugelkäfer gehören zur Familie der Diebskäfer. Die als Materialschädlinge geltenden Insekten sind braunrot glänzend, haben eine kugelförmige Körperform, erreichen eine Größe von etwa zwei bis drei Millimetern und haben eine Lebenserwartung von etwa einem Jahr. Unter günstigen Verhältnissen bringt es ein Weibchen während dieser Zeit auf etwa 200 Nachkommen. Der Kugelkäfer bevorzugt Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad Celsius; bei weniger als zehn Grad Celsius findet keine vitale Aktivität mehr statt. Allerdings kann der Käfer auch Minustemperaturen schadlos überstehen. Bevorzugte Aufenthaltsorte sind Fehlbodenfüllungen oder Wänd­e­ — also Bauteile, die in Altbauten oft mit organischen Materialien wie gehäckseltem Heu oder Stroh gedämmt wurden. Aber auch Getreidereste, die sich in Ritzen und Zwischenböden befinden, werden zur Eiablage genutzt. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven leben verborgen in diesen Refugien und ernähren sich von den dort befindlichen organischen Materialien. Erst die ausgewachsenen Tiere verlassen diese Verstecke. Kugelkäfer können nicht fliegen und sind lichtscheu, sodass sie ihre Schlupfwinkel nur in der Nacht und in der Dämmerung verlassen. Am aktivsten sind sie in den Sommermonaten. Sie treten auch in symbiotischer Verbindung mit verwilderten Haustauben auf.

 

Kurzporträt Taubenzecke (Argas reflexus)

Taubenzecken gehören zur Familie der Lederzecken (Spinnentiere) und gelten als ernst zu nehmende Gesundheitsschädlinge. Sie haben einen eiförmigen, flachen Körper, der bei Weibchen bis zu elf Millimeter, bei Männchen bis zu acht Millimeter groß wird. Da Zecken Blut saugen, ändert sich ihre Farbgebung: Nüchtern erscheinen sie in gelblicher Färbung, nach dem Saugakt eher bräunlich-rot. Ein erwachsenes Weibchen bringt es bei einer Lebenserwartung von etwa sieben bis zehn Jahren auf 600 bis 1.800 Nachkommen. Die Entwicklungszeiten von der Eiablage bis zur adulten Zecke variieren je nach Außentemperatur und können von drei Monaten bis zu drei Jahren dauern. Taubenzecken stammen aus den gemäßigten Zonen des Mittelmeers und kommen daher in unseren Breitengraden ausschließlich an oder innerhalb von Gebäuden vor. Trotz ihres hohen Wärmebedarfs sind sie relativ kältetolerant und überleben Temperaturen von bis zu minus zehn Grad Celsius. Da sich Taubenzecken von Blut ernähren, suchen sie die Nähe von Geflügel wie Hühnern, Enten, Gänsen, Tauben oder Sperlingen. Tagsüber sitzen sie in Ritzen von Mauerwerk oder Holzbalken, während sie in der Nacht Wirtstiere zur Blutmahlzeit suchen. Häufig findet man sie im Umfeld von verwilderten Haustauben, die oft auf defekten Dachböden von Altbauten nisten. Ein perfekt ausgeklügelter Überlebensmechanismus befähigt sie, jahrelang ohne Nahrung und ohne Feuchtigkeit auszukommen.

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1 Gedanke zu „Vormieter mit Gesundheitsrisiko

  1. Hallo zusammen,
    ich hätte ein paar fragen .
    Stechen Kugelkäfer ??
    Anschwellung der lymphdrüse möglich ?
    Körperliche Schädigungen durch Kugelkäfer ??
    Kleine Kurzinfo unser Befall der Kugelkäfer beträgt im Sommer bis zu 1000 Tiere , wir brauchen um ein Zimmer zusaugen ca 40 Min.
    Vielen Dank im voraus
    Mit freundlichen Grüssen
    Sabine Mayer

    Antworten

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