Text: Inga Stein-Barthelmes, Roland Stimpel
Wollen Sie Ihr Gehalt als angestellter Architekt maximieren? Rein statistisch gibt es dazu einen sicheren Weg: Ziehen Sie nach Hamburg und fangen Sie nicht in einem Architekturbüro oder beim Staat an, sondern in der gewerblichen Wirtschaft. Hamburger Unternehmen zahlen angestellten Architekten im Schnitt ein stattliches Brutto-Jahresgehalt von 77.747 Euro. Am anderen Ende der Skala liegen Architekturbüros in Sachsen-Anhalt. Hier erhalten Vollzeit-Angestellte im Schnitt nur 35.352 Euro, nicht einmal halb so viel wie die Kollegen in der Hamburger Wirtschaft (siehe Tabelle).
Das ist ein Ergebnis der Umfrage unter Angestellten und Beamten, an der im Mai und Juni genau 9.686 Angehörige aller Fachrichtungen teilnahmen – überwiegend Angestellte, für die alle folgenden Gehaltswerte gelten. Beauftragt wurde sie von den Architektenkammern aller 16 Länder, durchgeführt vom Institut Hommerich Forschung. Ein Jahr zuvor waren Daten von Selbstständigen erhoben worden. Der Vergleich beider Umfragen zeigt: Angestellte verdienen oft mehr als die Inhaber kleiner Architekturbüros. Arbeiten Letztere als Solisten ohne Angestellte, erwirtschaften sie nach einer Umfrage aus dem Vorjahr nur 33.406 Euro brutto im Jahr. Angestellte in Architekturbüros bringen es dagegen heute auf durchschnittlich 44.143 Euro. Allerdings gilt der Angestellten-Wert für Vollzeit-Jobs, wogegen viele selbstständige Einzelkämpfer aus Auftragsmangel oder wegen eines anderen Inhaber-Jobs quasi in Teilzeit arbeiten.
Die Inhaber von Büros mit bis zu vier Angestellten stehen besser da; 57.045 Euro waren für sie in der älteren Umfrage ermittelt worden. Doch Angestellte beim Staat verdienen mit durchschnittlich 55.110 Euro kaum weniger, dagegen Architekten und Planer in der Wirtschaft deutlich mehr mit jährlichen 67.795 Euro brutto. Die Selbstständigkeit als Architekt lohnt sich finanziell erst bei einem noch größeren Büro – dann werden Angestellte beim Verdienst weit übertroffen.
Die Bürogröße ist aber auch für Angestellte wichtig. In Architekturbüros mit über 50 Mitarbeitern sind die Jahresgehälter im Schnitt 12.500 Euro höher als in den kleinsten Büros mit bis zu fünf Beschäftigten. In der gewerblichen Wirtschaft beträgt der Unterschied sogar fast 15.000 Euro, beim Staat dagegen ist er nicht messbar – derart kleine Behörden mit Architekten gibt es kaum (siehe Tabelle).
Noch wichtiger für die Gehaltshöhe ist aber die Berufserfahrung. Liegt sie unter zehn Jahren, bekommen Angestellte im Schnitt 41.052 Euro. Bei mehr als zwanzig Jahren Erfahrung sind es stattliche 64.712 Euro. Während in Architekturbüros und beim Staat altgediente Architekten rund 17.000 Euro mehr verdienen als junge Kräfte, bekommen sie in der gewerblichen Wirtschaft fast 27.000 Euro mehr. Über alle Altersgruppen gerechnet, liegt dort das Gehaltsniveau mit durchschnittlich 67.795 Euro jährlich brutto am höchsten. Es folgen der Staat mit 55.110 Euro und Architekturbüros mit 44.143 Euro.
Dennoch arbeitet die Mehrheit in diesen Büros – 54 Prozent der Befragten. 25 Prozent sind beim Staat untergekommen, 21 Prozent arbeiten in der Wirtschaft. Auch hier sind die regionalen Unterschiede groß. In Hessen sind weit mehr in der Wirtschaft und weit weniger in Architekturbüros tätig als im Bundesschnitt. In den ostdeutschen Ländern arbeiten dagegen über zwei Drittel der Befragten in Architekturbüros. Überraschend: In der Haupt- und Behördenstadt Berlin arbeiten nur 13 Prozent aller Angestellten beim Staat, halb so viele wie im Bundesschnitt. Kleinere Flächenländer wie Saarland und Schleswig-Holstein bieten dagegen die relativ meisten Architektenjobs im öffentlichen Dienst – hier gibt es kaum private Großbüros.
Wie bei selbstständigen Architekten gibt es auch unter den Angestellten eine Männer-Mehrheit. Mit 58 zu 42 Prozent ist sie allerdings knapper. Und ihr Ende deutet sich an: Unter den älteren Angestellten jenseits der 50 dominieren Männer deutlich mit 74 Prozent. Bei den Kollegen unter 35 gibt es dagegen eine 60-prozentige Frauenmehrheit.
Frauen werden durchgängig schlechter bezahlt – und das liegt nicht nur an ihrem meist jüngeren Alter. Architektinnen mit unter zehn Jahren Berufserfahrung bekommen jährlich rund 5.600 Euro brutto weniger als männliche Kollegen mit gleicher Praxis. Mit dem Alter wächst der Unterschied; mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung erhalten Frauen sogar rund 11.700 Euro weniger pro Jahr. Benachteiligt sind sie in allen Bereichen – in der Wirtschaft am meisten, beim Staat am wenigsten (Tabelle „Frauen bekommen weniger“). Und bizarrerweise ist der Gehaltsunterschied bei selbstständig Arbeitenden und Führungskräften besonders groß.
Es dürften auch mehr Männer sein, die in den Genuss von Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt und Vermögenswirksamen Leistungen kommen. Denn solche Leistungen erhalten vor allem Führungskräfte in Wirtschaft und Staat mit viel Berufserfahrung. Jüngere Kräfte und die Angestellten in Architekturbüros gehen hier meist leer aus. Ähnlich ist es bei Erfolgsprämien und anderen Zuwendungen. 22 Prozent aller Beschäftigten in Architekturbüros erhalten sie, aber 54 Prozent der Architekten in der Wirtschaft – und dort 83 Prozent der Führungskräfte. Die Zuwendungs-Bereitschaft des Staates liegt in der Mitte, wobei offen bleibt, um welche Art von Zahlung es sich handelt.
Deutlich spürbar ist das beim Staat stark geregelte Tarif- und Laufbahnwesen. 98 Prozent aller Beschäftigten arbeiten hier nach Tarifvertrag; bei 64 Prozent wird regelmäßig das Gehalt erhöht, bei 30 Prozent unregelmäßig. Von regelmäßiger Erhöhung berichten dagegen nur 11 Prozent der Angestellten in Architekturbüros, von unregelmäßiger jedoch 61 Prozent. Tarifverträge, die es auch für die Planungsbranche gibt, spielen dagegen kaum eine Rolle: Nur 8 Prozent der Gehaltserhöhungen in Architekturbüros basieren auf neu vereinbarten Tarifen. Überall in Deutschland machen sich Staatsdiener die meiste Hoffnung auf Gehaltswachstum: 85 Prozent von ihnen rechnen damit, dagegen nur 69 Prozent der Angestellten in gewerblichen Unternehmen sowie 46 Prozent in Architekturbüros. Insgesamt setzen 61 Prozent der Befragten auf mehr Gehalt; vier Prozent fürchten einen Abbau.
Bei der Beschäftigung in Architekturbüros ist der Handschlag noch nicht ausgestorben: 10 Prozent der Angestellten haben nur einen mündlichen Vertrag, in Bayern sogar 15 Prozent. In der Wirtschaft haben 98 Prozent der Beschäftigten schriftliche Arbeitsverträge, beim Staat alle. Meist noch wichtiger als die Form des Vertrags ist die Beschäftigungsdauer: In Büros und Wirtschaft arbeiten fünf Prozent der Angestellten befristet, beim Staat dagegen elf Prozent – und unter den Berufsanfängern mit weniger als fünf Jahren Erfahrung sogar 31 Prozent. Von den erfahrenen Kräften mit über zwanzig Jahren Erfahrung müssen sich bei allen Arbeitgebertypen fünf bis sechs Prozent auf einen befristeten Vertrag einlassen (Tabelle „Befristet beim Staat“). Domäne der kurzen Arbeitsverhältnisse ist das hektische Berlin – hier befristen Staat, Wirtschaft und Büros am häufigsten.
Berlin hat auch den höchsten Anteil an Teilzeitkräften. Dieser liegt im Bundesschnitt in Büros, Staat und Wirtschaft bei rund 10 bis 20 Prozent der Beschäftigten. Zur regulären Arbeitszeit kommen für Voll- und Teilzeitkräfte noch Überstunden. 95 Prozent aller Angestellten müssen pro Woche mehr als zwei leisten, die große Mehrzahl aber höchstens zehn. Über dieses Limit gehen 15 Prozent in Architekturbüros und sogar 28 Prozent aller Angestellten in der Wirtschaft. Sie werden am seltensten dafür bezahlt – 59 Prozent der Unternehmen meinen, Überstunden seien in den relativ hohen Gehältern inbegriffen.
Architekturbüros beanspruchen die Überstunden ihrer Mitarbeiter zu 48 Prozent ohne zusätzliches Geld oder spätere Freizeit. In anderen erhalten jeweils etwa gleich viele Beschäftigte Zahlungen oder Freizeitausgleich. Unternehmens-Angestellte (und Staatsdiener sowieso) können sich auch über längeren Urlaub freuen: 90 beziehungsweise 95 Prozent bekommen mehr als 25 freie Tage pro Jahr bezahlt; jedoch nur 63 Prozent der Angestellten in Architekturbüros. Hier liegt die Urlaubsdauer aber bei älteren Beschäftigten deutlich höher als bei jüngeren. In Wirtschaft und Staat ist dieser Unterschied gering.
17 Prozent der Angestellten üben nach Feierabend Nebentätigkeiten aus. Die Mehrzahl muss sie sich allerdings genehmigen lassen; einem Viertel der Angestellten sind sie grundsätzlich untersagt.
Das Dasein als Angestellter ist bei Architekten eine Domäne der Fachhochschul-Absolventen: Sie stellen 59 Prozent aller Arbeitnehmer, Uni-Absolventen 41 Prozent, Master und Bachelor und andere mit acht Prozent den noch kleinen Rest – bei den unter 35-jährigen allerdings schon 73 Prozent. Besonders die gewerbliche Wirtschaft legt offenbar Wert auf die FH-Absolventen nachgesagte Praxisnähe. Unter den Befragten war dagegen kein einziger Bachelor oder Master, der in einem gewerblichen Unternehmen tätig war.
Was machen die Befragten im Einzelnen? Nicht überraschend: In Architekturbüros sind 74 Prozent mit Werkplanung und 63 Prozent mit Entwurfsplanung beschäftigt (Mehrfachnennungen waren möglich). In der Wirtschaft und beim Staat geben nur 15 bis 33 Prozent diese Tätigkeiten an. Hier dominiert die Projektsteuerung, die von 63 Prozent der Architekten in gewerblichen Unternehmen und von 57 Prozent im öffentlichen Dienst betrieben wird. Das sind (noch eine Überraschung) fast doppelt so viele, wie mit „Bauaufsicht und bautechnischer Verwaltung“ zu tun haben – nur 29 Prozent der Staatsdiener.
Die große Mehrzahl nimmt an Fortbildungen teil. 85 Prozent sind es im Schnitt, beim Staat sogar 95 Prozent. Architekturbüros sind hier mit nur 79 Prozent fortgebildeten Angestellten am schwächsten. Den größten Bildungseifer zeigen Befragte aus Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Sachsen mit über 95 Prozent Teilnahme. Der geringste Bildungsdrang herrscht im Nordwesten: In Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen erhält fast ein Viertel der Befragten keine Fortbildung, in Hamburger Architekturbüros erhalten sie nur 57 Prozent der Mitarbeiter.
Deutschlandweit bekommen bei Staat und Wirtschaft rund 90 Prozent der Bildungswilligen dafür bezahlten Sonderurlaub, aber nur drei Viertel der Angestellten in Architekturbüros. Die Fortbildungskosten selbst werden in 80 bis 90 Prozent der Fälle von Wirtschaft und Staat getragen, aber nur zu 66 Prozent ganz oder teilweise von Architekturbüros. Den nicht bildungswilligen Büros droht eine wachsende Qualifikations-Lücke.
Nur bei einer Minderheit der Arbeitgeber wissen Angestellte und Beamte, dass sie für berufsständisches Engagement in Kammern oder Verbänden bezahlten Urlaub erhalten würden. Sechs Prozent der Mitarbeiter in Architekturbüros kennen diese Möglichkeit, neun Prozent in der Wirtschaft und elf Prozent beim Staat. Nur wenige Arbeitgeber haben dazu ausdrücklich Ja gesagt, aber die meisten auch nicht Nein. Drei Viertel aller Angestellten wissen nicht, ob sie für ihr Engagement freigestellt würden. Sie sollten sich erkundigen – Engagement lohnt immer, und fragen kostet nichts.