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Gebäudesimulation in der Gebäudezertifizierung

Mit Hilfe von Gebäudesimulationen lassen sich komplexe Fragestellungen lösen. Sie spielen deshalb bei der Zertifizierung eine besondere Rolle - und es gibt je nach System unterschiedlich viele Punkte

Text: Johannes Gellrich, Dr. Christoph Morbitzer

Mit einem guten Gebäudesimulationsprogramm berücksichtigt man die kompletten dynamischen Wechselwirkungen zwischen Gebäude, Anlage, Regelungstechnik, Außenklima und Nutzerverhalten. Planungsentscheidungen basieren damit auf einer fundierten Abbildung der physikalischen Prozesse. Clever eingesetzt, kann durch Simulation neben den oben schon erwähnten Vorteilen ein komfortables Innenraumklima gewährleistet werden, welches ein behagliches und leistungsförderndes Arbeits- und Wohnumfeld schafft.

DGNB

Im DGNB Zertifizierungssystem Neubau werden Gebäudesimulationen in erster Linie zur Bewertung des thermischen Komforts erbracht. Im Kriterium SOC1.1 Thermischer Komfort kann durch Gebäudesimulation die operative Temperatur und die Raumluftfeuchte mittels Ganzjahressimulation von repräsentativen Räumen ermittelt werden. Die Bewertung erfolgt anhand der in der DIN EN 15251 definierten Behaglichkeitsbereiche.

Alternativ zur Simulation können einfache Gebäude (Fensterflächenanteil kleiner 40 Prozent, Wärme- und Kälteübergabe über Konvektion, außenliegender Sonnenschutz) über die Lastermittlung nachgewiesen werden. Als weitere Möglichkeit steht für alle Gebäude die Messung nach DIN EN 15251 zur Verfügung.

Der Nachweis der Tageslichtverfügbarkeit kann ebenfalls mittels einer Gebäudesimulation geführt werden. Diese steht jedoch in Konkurrenz zum Nachweis nach DIN V 18599-4. Dieser wird, wenn auch nicht in der von der DGNB geforderten Tiefe, ohnehin für den Nachweis nach EnEV erstellt und ist somit meist mit deutlich weniger Aufwand verbunden.

Die DIN V 18599 ist auch der zentrale Part der energetischen Bewertung eines Gebäudes nach DGNB. Wesentliche Eingangsgröße für viele Steckbriefe ist das Berechnungsergebnis aus dem Nachweis nach EnEV. Allein im Steckbrief PRO1.1 Qualität der Projektvorbereitung bietet DGNB die Möglichkeit, eine ganzheitliche energetische Studie des Gebäudes zu erstellen und darin die Einflussnahme auf den nutzer- und nutzungsbedingten Energieaufwand zu evaluieren. Dies kann damit erklärt werden, dass mit der DIN V 18599 eine solche Bewertung nicht möglich ist.

Fazit: Die DGNB-Zertifizierung wird maßgeblich durch das Normenwerk der DIN V 18599 geprägt, im Bereich der Energie kommen Simulationen nur außerhalb des Geltungsbereichs der Norm zum Einsatz. Der Nachweis des thermischen Komforts und der Tageslichtverfügbarkeit via Simulation ist möglich, aber nicht notwendig. Der Gesamteinfluss von Simulationen auf das Zertifizierungsergebnis liegt im Bereich von ca. 2 bis 5 Prozent.

LEED

Anders sieht es dagegen bei LEED aus: In allen Neubauvarianten ist eine Gebäudesimulation verbindlicher Bestandteil der Zertifizierung. Grund hierfür ist der Bezug von LEED auf die ASHRAE 90.1. Diese regelt in den USA baurechtlich die Energieeffizienz von Gebäuden. Ihr Kernelement ist der Nachweis der Energieeffizienz mit Hilfe einer Gebäudesimulation. Das Interessante an der ASHRAE 90.1 im Vergleich zur DIN V 18599 ist dabei, dass sämtliche Energiekosten des Gebäudes erfasst werden – vom Heizenergiebedarf über den Hilfsstrom für Ventilatoren bis hin zum Stromverbrauch der Computer. Durch die Flexibilität der Gebäudesimulation lassen sich Regelschemen, Nutzerverhalten und vorherrschendes Klima deutlich realitätsnaher abbilden, als dies mit der DIN V 18599 möglich ist.

Das im Modell nachgebildete Originalgebäude wird über den Verlauf eines Jahres dynamisch simuliert. Als zentrales Ergebnis werden die Energiekosten des Gebäudes für ein typisches Jahr ermittelt. Die Einhaltung der Mindestanforderung wird in LEED aus der Gegenüberstellung der Energiekosten zu denen des Referenzgebäudes ermittelt. Je nach Höhe der Unterschreitung werden durch die Energiesimulation bis zu 19 Punkte vergeben. Bei einer Maximalzahl von 110 Punkten entspricht dies knapp einem Fünftel der Gesamtpunktzahl und gleichzeitig der Spannweite einer Zertifizierungsstufe.

Als Kernstück der LEED-Zertifizierung sind die Ergebnisse der Energiesimulation auch Basis für das Festlegen des notwendigen Anteils erneuerbarer Energien auf dem Grundstück oder des notwendigen Volumens des zu erwerbenden grünen Stroms.

Besondere Bedeutung kann beim LEED Zertifikat die Gebäudesimulation im Betrieb erlangen: Durch EAc5 Measurement & Verification wird der Einsatz eines simulationsgestützten „Monitoring und Controlling-Prozesses“ (M&V-Prozess) in der Betriebsphase mit drei Punkten belohnt. Das Energiemodell nach ASHRAE 90.1 aus der Planungsphase ist dafür nach mindestens einem Jahr Betrieb an die tatsächlichen Gegebenheiten, wie Nutzerverhalten und lokales Klima, anzupassen. Durch den Vergleich der simulierten Verbrauchsdaten mit den tatsächlichen Abrechnungsdaten lassen sich Defizite im Betrieb identifizieren. Die Suche nach Einsparpotenzialen wird durch die Gebäudesimulation deutlich vereinfacht. Ein weiteres Plus ist, dass Regelungsstrategien zunächst im Modell erprobt werden können, bevor sie im reellen System einprogrammiert werden.

Der Nachweis der Tageslichtverfügbarkeit kann, neben zwei anderen Methoden, mittels einer Gebäudesimulation geführt werden. Diese ist vor allem bei großen, komplexen Gebäuden mit deutlich weniger Aufwand verbunden.

Der thermische Komfort wird für LEED nach DIN EN ISO 7730 und DIN EN 15251 nachgewiesen. Eine Simulation ist dabei nur für ungekühlte Räume zu erstellen.

Im November 2013 wurde die nächste Version von LEEDv4 angekündigt. Für die Gebäudesimulation sind damit folgende Änderungen verbunden:

  • Die Energiesimulation erfolgt nach der neueren Version der ASHRAE 90.1 (2010 statt bisher 2007). Dies bringt aber nur marginale Änderungen, die Punktzahl der Energiesimulation sinkt auf max. 18.
  • M&V wird nicht mehr Bestandteil von LEED NC sein, sondern soll stärker auf die Planung ausgerichtet sein.
  •  Tageslicht wird höher bewertet, statt einem sind dann drei Punkte möglich.

Fazit: Eine LEED Neubau Zertifizierung in Deutschland ist ohne Gebäudesimulation nicht möglich. Neben der Sicherstellung der Mindestanforderung entscheidet die Simulation im Energiebereich über 19 Punkte. Weitere sechs Punkte können in den Bereichen thermischer Komfort, Tageslicht und M&V erreicht werden. Neben dieser bedeutenden Punktzahl ist die Energiesimulation Basis für weitere Entscheidungen in der Energieoptimierung.

BREEAM

Aus Sicht der Gebäudesimulationen stellt BREEAM einen Mittelweg zwischen LEED und DGNB dar. Für den zentralen Bereich der Energieeffizienz kann in BREEAM International die Bewertung anhand einer nationalen Norm erfolgen, in Deutschland muss zwingend DIN V 18599 verwendet werden.

Zum Nachweis des thermischen Komforts stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Analog zu LEED der Nachweis der Planung nach DIN EN ISO 7730
  • oder analog zum DGNB mittels Gebäudesimulation nach DIN EN 15251

Beide Möglichkeiten sind gleichwertig, die Auswahl liegt bei den Nachweisführenden.

Die Verfügbarkeit von Tageslicht wird in BREEAM anhand des Tageslichtfaktors in Aufenthaltsbereichen bewertet. Zur Ermittlung der Faktoren über die Gebäudefläche wird dabei von BREEAM der Einsatz von Simulationswerkzeugen ausdrücklich empfohlen.

Zusätzlich können Gebäudesimulationen für die Auswertung des Gebäudebetriebs angewendet werden. Wird das Gebäude in den ersten drei Jahren energietechnisch begleitet, belohnt dies BREEAM mit einem Punkt. Im Prozess muss der Energieverbrauch quartalsweise aus- und bewertet werden. Zur Definition der Zielanforderung kann ein M&V-Prozess analog zu LEED implementiert werden.

Fazit: Bei BREEAM verhält es sich ähnlich wie beim DGNB System: Die Bewertung der Energie erfolgt in Deutschland auf Basis der DIN V 18599, wobei Energiesimulationen keine Rolle spielen. Die Bedeutung der Gebäudesimulation beschränkt sich bei BREEAM auf optionale Punkte. Der Gesamteinfluss von Simulationen auf das Zertifizierungsergebnis liegt im Bereich von ca. 2 bis 5 Prozent.

Autoren:

Johannes Gellrich verantwortet bei der ALPHA Energy & Environment GmbH den Bereich Gebäudesimulation.

Dr. Christoph Morbitzer ist Geschäftsführer der EQUA Solutions AG.


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