Interview: Holger Rescher
Das deutsche „Bauhaus“ bereitet Ihnen Sorgen. Was ist passiert?
Ja, richtig. Es gibt noch eine Sache, die ich angehen werde: das Bauhaus, unser geliebtes Bauhaus. Ich sage Ihnen, wieso. Mein Vater war Filmarchitekt und ein großer Architekturfan. Er hat mir vor seinem Tod noch etwas abgenommen: „Hör zu, was nach dem Krieg passiert ist, das war die echte Zerstörung des Bauhauses.“
Schauen Sie, ich zeichne es Ihnen auf – das Quadrat, das Dreieck und der Kreis – oder in der dritten Dimension – Würfel, Pyramide, Kugel – Kandinsky, Wassily, Gropius – Leuchtende Farben. Das gab es alles bis `33. Dann wurde erst mal alles zerschlagen. Das war den Nazis zu kosmopolitisch. Die waren viel zu locker für die Nazis. Nach dem Krieg wurde am Bauhaus aber nur das Quadrat, das eckige Design propagiert und befolgt. Hierfür gibt es aber keine Entschuldigung, für diese Entgleisung. Ab 1945 haben die am Bauhaus Nazidesign gemacht.
Nach dem Krieg hatte man halt andere Sorgen.
Es stimmt zwar, nach 1945 konnte man nicht teuer bauen. Die Trümmer mussten weggeräumt werden. Die Frauen schlugen auf die Steine und legten sie wieder sauber hin, damit man wieder neu damit bauen konnte. Diese Entschuldigung lasse ich gelten. Aber als dann später das Überwirtschaftswunder explodierte, da hat kein Schwein daran gedacht, die Bauhaus-Idee der Farbigkeit wieder aufzugreifen, nur Stahl, Glas, Beton. Alles kantig.
Hat sich die Architektur bis heute nicht doch entwickelt?
Die heutige minimalistische Architektur ist immer noch Nazidesign, armselig und verlogen. Das Auseinandernehmen von Innen- und Außenarchitektur ist das größte Verbrechen in der Bauwelt. Der Mensch lebt nun erst einmal im Innenraum. Dass er das Außenhaut-Gedönse, in dem er lebt, schön findet, ist in meinen Augen ein Zubrot. Erst einmal hat das Innere zu stimmen. Und da hat man gar nichts gemacht Null, weniger als Null. Es ist preiswert, etwas eckig herzustellen, in großen Stückzahlen. Es hat aber allen Reiz des „Auf den Menschen eingehen“ verloren, aber alles. Die organischen Formen gehören zum Leben wie Geburt und Tod. Man muss maximalistisch bauen, nicht minimalistisch.
Wie wollen Sie das Bauhaus reformieren?
Wir werden einen „Propeller“ bilden: Sao Paolo, Mailand, Moskau. Und dann gehen wir gegen das Nachkriegs-Nazibauhaus an. Ich habe das schon auf Vorträgen in der ganzen Welt gesagt. Diese Leute sind natürlich in der Überzahl. Das ist mir jetzt ein Anliegen erster Größe. Ich werde es diesen „Alles eckig Machern“ zeigen. Ein menschlicher Arsch passt nicht auf ein eckiges Klo. Wollen Sie ein Beispiel? Alle Waschbecken, die Sie heute kaufen können, hauen der Hydrodynamik, dem Fluss des Wassers, in die Fresse. Das waren alles Dinge, die ich im Begriff war zu lösen. Die Lautlosigkeit des Wassers. Das, was heute im Waschbecken nur noch röhrt. Diese Idioten! Heute macht keiner auch nur eine Anstalt, das was den Menschen umgibt, zu harmonisieren und zu humanisieren.
Wieso kommen Sie erst jetzt damit heraus?
Was ich in meinem Leben gemacht habe, war eigentlich die volle Erfüllung der Bauhaus-Ideologie. Doch das konnte man mir in der deutschen Designszene nicht auch noch zugestehen. Colani war denen sowieso ein Dorn im Auge, weil ich dauernd die Schnauze aufgerissen habe, was ich heute gar nicht mehr tue. Das Bauhaus ist ein monolithischer Gigant, die einzige Design-Philosophie, die jemals einen allumfassenden Anspruch hatte. Ich führe aber keinen Kampf gegen das Bauhaus, sondern für das Bauhaus.
Aus all´ dem spricht dennoch eine große Verbundenheit mit ihrem Heimatland?
Ich bin schon länger nicht mehr so präsent in Deutschland. Ich mache meine Sache international. Aber mit großem Bedauern, denn ich liebe dieses Land. Ich habe höchsten Respekt vor den deutschen Arbeitern, die zu den besten der Welt gehören. Die Erfolge durch Qualität, das ist deutsch. Das hat mir immer imponiert. Aber wahrscheinlich ist die deutsche Seele für das „All In Design“ nicht geeignet. Die Deutschen schlafen gerne mit den Händen an der Hosennaht.
Woher kommt ihre Wut und Rebellion, die anscheinend nicht nachgelassen hat?
Meine Generation hat alles gesehen und ist daher auch viel stärker in der Lage, die Dinge richtig einzuschätzen. Wir sind richtig herumgerührt worden. Schauen Sie sich Beuys an, der ist nur wenige Jahre vor mir geboren. Der war auch Kriegsopfer. Der hatte auch einen leichten „Schatten“ aus dem Krieg mitgebracht. So ganz sauber tickte der nicht. Das Wort „gebeutelt“ kann man für meine Generation wirklich benutzen. Wenn ich da die heutigen Youngster sehe. Die sind total ignorant und das durchaus zu Recht. Die wollen den Mist, der da passiert ist, die Zertrümmerung, die totale Zerstörung eines Landes – da wollen die nichts mehr mit zu tun haben. Die wollen leben. Das kann man keinem vorwerfen.
Ihre ganz große Zeit waren die 70er.
In den 70ern war Aufbruchsstimmung übelster Art. Und ich machte natürlich lustig mit. In den 70ern war der Himmel offen. Wir konnten in die Vollen gehen, es gab keine Begrenzungen. Wenn heute Designer etwas machen dürfen, dann müssen sie erst mal die Schnauze halten und dann sagt ihnen einer, was sie designen dürfen. Das ist die heutige kreative Freiheit.