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Missratene Beratung

Ein selbst ernannter „Bauherrenberater“ haftet für Mängel wie ein Architekt, auch wenn er sich mit einem Mini-Honorar begnügt

21.12.20156 Min. Kommentar schreiben

Text: Julian Stahl

Ein Bauherr spart am falschen Ende: Er engagiert einen „Bauherrenberater“, der sich verpflichtet, gegen ein Pauschalhonorar von 2.500 Euro zahlreiche Kontrollleistungen im Rahmen der Bauüberwachung zu übernehmen. Es kommt, wie es kommen muss: Es treten zahlreiche Mängel auf und das verantwortliche Bauunternehmen meldet Insolvenz an. Die Bauherren nehmen daraufhin ihren „Bauherrenberater“ auf Schadensersatz in Anspruch, zunächst in Höhe von rund 57.000 Euro und in der Berufungsinstanz sogar auf rund 133.000 Euro. Am Ende verurteilt ihn das Oberlandesgericht Brandenburg zur Zahlung von 33.000 Euro. Die Entscheidung vom 14.10.2015 (Az.: 4 U 6/12) verdeutlicht klassische Haftungsrisiken:

1. Unklare Leistungsbeschreibung

Zentrale Voraussetzung eines störungsarmen Bauablaufs sind klare Leistungsbeschreibungen. Dies gilt nicht nur für die ausführenden Unternehmer, sondern auch für die Überwachung oder „Begleitung“ des Bauvorhabens. Hier kann es zum ersten Konflikt kommen: Die Bauherren wünschen eine möglichst umfassende Überwachung bei möglichst niedrigem Honorar. Anders als beim Planungsauftrag, bei dem der Gegenstand der Planung erst entwickelt werden muss, lässt sich bei der Überwachung vorab genau definieren, was tatsächlich von den Bauherren gewünscht und/oder erforderlich ist. Klare Vereinbarungen vermeiden Streit – während und nach der Bauausführung. Dies geht nur schriftlich! Je genauer die Pflichten im Vertrag beschrieben sind, umso präziser lässt sich im Zweifel die Verantwortlichkeit und damit die Haftung eingrenzen. Auf Tätigkeitsbezeichnungen, wie in diesem Fall den „Bauherrenberater“, kommt es dann nicht an.

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien ihren Vertrag relativ harmlos mit „Auftrag baubegleitende Qualitätskontrolle“ überschrieben. Ganz im Gegensatz dazu stand die Leistungsbeschreibung. Übernehmen sollte der „Bauherrenberater“ unter anderem die

  • Kontrolle der Gründungsarbeiten (Überprüfung der Übereinstimmung der Baugrube mit Bodengutachten, Baugrubensohle/Fundament etc.);
  • Kontrolle des Erdgeschossmauerwerks auf handwerkliche Ausführung;
  • Kontrolle der Medieneinführung, Kontrolle der Erdgeschossdecke auf Übereinstimmung mit den statischen Vorgaben, Kontrolle der Abdichtung sowie der Dämmung;
  • Fachbegleitung zur Vorabnahme (Bodenbelag, Malerarbeiten, Außenputz, Innentüren, Fenster, Funktionsprüfung Haustechnik);
  • Fachbegleitung zur Abnahme/Übergabe.

Diese umfassenden Leistungen gehen teilweise über die Objektüberwachung im Hochbau hinaus; eine Vergütung von 2.500 Euro kann dafür kaum kostendeckend sein. Pikant dabei: Die Leistungsbeschreibung stammte vom „Bauherrenberater“. Die später vor Gericht gebrachten Mängel monierte er bei 15 Baustellenkontrollen und der Abnahmebegehung nicht. Nach dem später eingeholten Sachverständigengutachten hätten sie ihm jedoch auffallen müssen.

Rechtlich ist die Sache dann klar: „Dabei sein“ ist nicht alles. Der „Bauherrenberater“ haftet, wie beim Werkvertrag üblich, erfolgsbezogen (BGH vom 11.10.2001; Az.: VII ZR 475/00; „Controller“-Vertrag ist Werkvertrag). Der geschuldete Erfolg besteht darin, als Fachkundiger bei den vereinbarten Baustellenbesuchen und der Abnahme erkennbare Mängel zu ermitteln und zu beanstanden. Geschieht dies nicht, haftet der damit Beauftragte – gesamtschuldnerisch – neben dem verantwortlichen Werkunternehmer in voller Höhe auf Schadensersatz. Soweit die Mängelbeseitigung möglich ist, werden zur Orientierung in der Regel die Kosten der Mängelbeseitigung herangezogen. Soweit die Mängel nicht mehr beseitigt werden können, wird ein technischer Minderwert ermittelt. Ein Regress beim Bauunternehmer schied im konkreten Fall wegen dessen Insolvenz aus.

2. Begrenzung der Haftung

Vor der Inanspruchnahme rettete den „Bauherrenberater“ auch nicht die Vereinbarung zur Haftungsbegrenzung im Vertrag mit der Formulierung „Haftung nur für Sachschäden“. Damit schienen Mängel ausgeschlossen, die sich im Bauwerk verwirklicht haben. Hier ist der allgemeine Hinweis angebracht, dass bei Klauseln zur Begrenzung der Haftung allergrößte Vorsicht geboten ist, insbesondere bei der Verwendung von Formularen. Klauseln zur Haftungsbegrenzung erreichen ihren Zweck häufig nicht. Im Zweifel scheitern sie an der Inhaltskontrolle durch die Gerichte und sind letztlich wirkungslos – wie auch in diesem Fall.

3. Wirksamkeit des „Dumpinglohns“

Wenig glücklich agierte der „Bauherrenberater“ bzw. sein „Prozess-Berater“ auch vor Gericht. Anders ist nicht zu erklären, warum es beim vereinbarten „Dumpinglohn“ tief unter den Mindestsätzen der HOAI blieb. Er behauptete, nicht wie ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt zu haften, weil er keine Weisungsbefugnis gegenüber Handwerkern gehabt habe und zu einem „Dumpingpreis“ beauftragt worden sei. Doch diese Argumente sind nicht stichhaltig. Auch dem klassischen Objektüberwacher steht gegenüber den ausführenden Unternehmen grundsätzlich keine Weisungsbefugnis zu – es sei denn, dies ist im Architektenvertrag anders geregelt. Diese Befugnis hat allein der Bauherr als Auftraggeber inne, kann sie aber delegieren.

Ein den Mindestsätzen der HOAI nicht entsprechendes Honorar führt zu keiner Haftungserleichterung. Der Umstand, dass der „Bauherrenberater“ ein sehr geringes Honorar erhielt, darf selbstverständlich nicht dazu führen, dass er seine Pflichten schlecht erledigt. Dieser Einwand erweist sich häufig als Bumerang, weil er impliziert, dass in Anbetracht des Honorars absichtlich nachlässig gehandelt wurde. Der Umfang der Beauftragung und damit auch der Haftung bestimmt sich grundsätzlich nicht nach der Höhe der vereinbarten Vergütung, sondern nach dem vertraglichen Leistungssoll – hier also danach, ob und mit welcher Intensität der „Bauherrenberater“ die Arbeiten hat überprüfen müssen. Auch für die Objektüberwachung gilt der Grundsatz: Die Intensität der geschuldeten Überprüfungstätigkeit steigt, je schwieriger oder gefahrenträchtiger die Arbeiten sind.

Der „Baubetreuer“ hätte seinerseits ein höheres Honorar als Gegenforderung verlangen können, hat dies aber nicht getan. Dabei wären seine Chancen gut gewesen. Es kommt für die Anwendung der Mindestsätze der HOAI bekanntlich nicht darauf an, wer die Leistung erbringt, sondern ob es sich um Grundleistungen im Sinne der HOAI handelt. Hier spricht vieles dafür, dass die Leistungen des „Bauherrenberaters“ jedenfalls Teilleistungen im Sinne der Leistungsphase 8 Objektüberwachung nach § 34 Abs. 4 Nr. 8 der HOAI 2013/§ 33 Satz 1 Nr. 8 der HOAI 2009 darstellten und ihm ein entsprechendes Honorar zugestanden hätte. Der Sinn des gesetzlichen Preisrechts der HOAI, „Dumpinglöhne“ zu vermeiden, zeigt sich gerade in solchen Fällen. Der Umstand, dass ein Honorar entgegen der HOAI vereinbart wurde, schließt die Anwendung der HOAI in aller Regel nicht aus. Auch ein Architekt ist entgegen landläufiger Meinung grundsätzlich nicht an seine – zu niedrige – Schlussrechnung gebunden. Hat der Objektüberwacher von den anrechenbaren Kosten keine Kenntnis, so steht ihm ein Auskunftsanspruch gegen seinen Auftraggeber auf Mitteilung der Kostenberechnung oder der entsprechenden Daten zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten zu.

Julian Stahl ist Rechtsanwalt bei Kraus, Sienz & Partner in München.


REDAKTIONELLER HINWEIS
Mit einer Beratungstätigkeit, wie sie im Interview auf Seite 30–31 erörtert wird, hat ­dieser Fall nichts zu tun.

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