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[ Licht und Dunkelheit ]

Schwarz sehen

Deutschland ist durchweg erhellt. Das Dorf Gülpe in Brandenburg pflegt dagegen die Finsternis. Ein Bericht aus Dunkeldeutschland.

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Text: Roland Stimpel

„Dunkeldeutschland“ war in den Jahren nach dem Mauerfall ein westlicher Schmähbegriff für den funzlig illuminierten Osten. Aber heute klagt man landesweit über Lichtverschmutzung; die schwarze Nacht hat Ansehen gewonnen. Das höchste genießt sie bei Astronomen, denen jeder irdische Scheinwerfer ein Stück vom Blick ins Universum zerleuchtet. Andreas Hänel, Leiter der Sternwarte Osnabrück, suchte darum systematisch nach dem lichtfreiesten Fleck im ganzen Land – und fand ihn im westlichen Brandenburg nahe der Havel, wo die Dörfer Namen wie Stodehne und Wassersuppe, Witzke und Ohnewitz führen.

Im Herzen der Finsternis liegt Gülpe, ein 160-Einwohner-Örtchen, dessen Namen man auf Google Maps vergeblich sucht. Noch vor zwei Jahren gab es hier nichts weiter als ein paar Bauernhäuser, eine Agrargenossenschaft, einen „Hof der Stille“ und die „Kreativoase“ des Malerpaares Jordis und Ingolf Hammer. Aber jetzt ist der Ort in den Blickpunkt all derer gerückt, die Entfernungen in Lichtjahren messen: Nach Andreas Hänels Entdeckung adelte vor zwei Jahren die „International Dark Sky Association“ die Gegend zum ersten „Sternenpark“ in Deutschland; weitere in der Eifel und der Rhön folgten. In und um Gülpe hat ein kleiner astronomischer Boom eingesetzt – mit Wissenschaftler-Begegnungen und „Astrotreffs“ von Hobby-Guckern, mit nachtaktiven Individualgästen und von Veranstaltern per Teleskop gebotenen „Ausflügen zum Sternenmeer“.

Schon tagsüber ist die Gegend optisch angenehm reizarm. Es dominieren die gedämpften Grün-, Braun- und Grautöne der märkischen Landschaft. Schon ein silbrig schimmernder Gänseschwarm vor dem Horizont hebt sich kräftig ab. Und nachts soll am Boden nur das nötigste Minimum an Sichtbarkeit herrschen. Für die Bewahrung der Dunkelheit sorgt nicht zuletzt Jens Aasmann, Direktor des Amtes Rhinow, zu dessen Verwaltungsgebiet Gülpe gehört. Als die Dunkelheits-Idee aufkam, gründete er rasch einen Förderverein, in dem Anwohner, Behörden und Naturschützer kooperieren. Denn anfangs galt es, lokalen Widerstand zu überwinden: Bürger fürchteten Lichtverbote; Einzelne warfen anfangs aus Protest sogar besonders grelle Scheinwerfer an. Inzwischen herrscht aber in Gülpe Konsens bei allen dunklen Absichten.

Straßenlaternen per Hand abschalten

Einwohner und Gemeinderat haben sogar beschlossen, dass das Ehepaar Hammer spezielle Schlüssel für Straßenlaternen bekommt. Sitzen Sternengucker in der Nähe an ihren Teleskopen, dann können die Hammers die Laternen abschalten. Erst am frühen Morgen gehen sie dann automatisch wieder an, wenn die ersten Gülper auf den Hof der Agrargenossenschaft streben. An anderen Stellen lässt Aasmann, wo immer es geht, verschlissene oder Energie-fressende Laternen durch moderne LEDs ersetzen, die nur nach unten strahlen.

Die Wiese hinter Hammers tagsüber sonnengelbem Kreativ-Haus ist leuchtenfrei und lichttechnisch vom Dorf abgeschirmt; dort sitzen ehrgeizige Sternengucker die ganze Nacht an ihren Rohren. Romantisch Veranlagte fläzen sich mit Wein auf Liegen oder Hängematten und gucken einfach so nach oben. Wer am Teleskop werkeln muss, schaltet dezente Rotlicht-Taschenlampen an, die Ingolf Hammer aus einstigen Bundeswehrbeständen beschafft hat. Und nur die Freunde allerreinster Dunkelheit ärgern sich noch darüber, dass an den Horizonten schwach die Lichter des Zellstoffwerks Arneburg schimmern (zehn Kilometer), die der Stadt Rathenow (20 Kilometer) und fern im Osten die von Berlin (80 Kilometer).

„Es gibt kaum einen Touristentyp, der so wenig stört wie die Sternengucker“, freut sich Amtsdirektor Aasmann. Die Gemeinden im Naturpark Westhavelland haben eine Beleuchtungsrichtlinie aufgestellt, die die Region in Außen-, Puffer- und Kernzonen gliedert. In der Kernzone mit „nahezu natürlicher Dunkelheit“ ist „grundsätzlich kein stationäres künstliches Licht außerhalb von Gebäuden“ zulässig; Ausnahmen müssen aufwendig begründet werden. Licht aus Fenstern ist abzuschirmen. In der Pufferzone soll künstliches Licht „verantwortungsvoll eingesetzt werden“ und für die Grenze zur Kernzone ist die „vertikale Beleuchtungsstärke“ streng limitiert.

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