Text: Hans Christian Schwenker
Es ging nur um 190 Euro. So viel Umsatzsteuer wollte ein Architekt seinem Bauherrn ersparen, der ihn mit der Genehmigungsplanung für den Neubau eines Einfamilienhauses beauftragte. Beide vereinbarten ein Honorar von 2.500 Euro. Als die Baugenehmigung erteilt war, schrieb der Architekt eine Rechnung über 1.500 Euro plus 285 Euro Umsatzsteuer, die der Bauherr überwies. Weitere 1.000 Euro zahlte er in bar. Der Architekt gab diesen Betrag nicht bei der Einkommensteuer an; er und der Bauherr ignorierten die eigentlich fällige Mehrwertsteuer von 190 Euro. Damit schadeten sie sich letztlich selbst.
Denn bereits kurze Zeit nach Herstellung der Bodenplatte zeigte sich bei ihr eine Neigung von rund sieben Zentimetern. Der Rohbauer nahm an, dass sein Nivelliergerät falsch eingestellt oder der Laser verschoben worden war, und der Rohbau wurde zunächst weiter errichtet. Erst nach Fertigstellung des Daches wurde der Bau eingestellt. Der Bauherr klagte auf Schadensersatz wegen der Kosten, die ihm für die Stabilisierung und Anhebung des Hauses entstanden.
Dieser Anspruch wurde schließlich vom Oberlandesgericht Stuttgart zurückgewiesen (Urteil vom 10.11.2015 Az.: – 10 U 14/15). Hier heißt es: „Treffen die Parteien eines Architektenvertrags nach Vertragsschluss und Leistungserbringung eine ,Ohne-Rechnung-Abrede‘ zur Hinterziehung von Umsatzsteuer, erfasst die Nichtigkeit nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetz nicht nur den Abänderungsvertrag, sondern das gesamte geänderte Vertragsverhältnis, so dass aus diesem keine Gewährleistungsrechte oder Honoraransprüche mehr hergeleitet werden können.“
Darüber wird sich allein der Berufshaftpflichtversicherer des Architekten gefreut haben. Er selbst hingegen muss nicht nur, wie der Bauherr, ein strafrechtliches Verfahren fürchten, sondern auch ein berufsrechtliches. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Schwarzgeschäften ist nunmehr eindeutig und streng: Weder kann der Auftragnehmer Honorar beanspruchen noch hat der Auftraggeber irgendwelche Gewährleistungsansprüche.
Damit ist das Urteil des Bundesgerichtshofs überholt, über das wir in Ausgabe 9/2008 auf Seite 42 berichtet hatten. Später hat der BGH in konsequenter Fortführung seiner Rechtsprechung entschieden, dass dem Auftraggeber, der den Werklohn bereits gezahlt hat, gegen den Auftragnehmer auch kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zusteht (BGH, Urteil vom 11.6.2015 – Az.: VII ZR 216/14).
Nach dem jetzigen Urteil des OLG Stuttgart steht dem Bauherrn kein Schadensersatzanspruch zu, weil der zwischen den Parteien geschlossene Architektenvertrag wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG nichtig ist (§ 134 BGB). § 1 Abs. 1 Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrags, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, die sich aus den nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergeben. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Der beklagte Architekt hat Schwarzarbeit geleistet, indem er für einen Teil von 1.000 Euro des vereinbarten Werklohns von insgesamt 2.500 Euro keine Umsatzsteuer verlangen und abführen wollte. Der Bauherr hat dies erkannt und bewusst gefördert, indem er mit dem Architekten nachträglich eine aufgeteilte Zahlung vereinbart hat, wonach ein Teilbetrag in Höhe von 1.000 Euro keinen Umsatzsteueranteil enthielt.
Dies ist ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrags führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG anzunehmen. Der Architekt hat zudem gegen seine steuerliche Pflicht aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG verstoßen, weil er als Unternehmer eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausgeführt hat und der Verpflichtung nicht nachgekommen ist, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Der Gesetzgeber hat zusammen mit der Neufassung des Gesetzes gegen Schwarzarbeit zugleich das Umsatzsteuergesetz geändert, um die Pflichten zur Rechnungserteilung und -aufbewahrung zu erweitern und umfassender zu sanktionieren. Die zusätzliche Rechnungsaufbewahrungspflicht des privaten Leistungsempfängers (§ 14b Abs. 1 Satz 5 UStG) neben der Rechnungsausstellungspflicht des Unternehmers soll dazu führen, dass beide Seiten ein erhebliches Interesse daran haben, dass das Geschäft legal mit Rechnung abgewickelt wird. Unabhängig von ihrer systematischen Einordnung in das Umsatzsteuergesetz sollte auch diese Gesetzesänderungen nicht isoliert der Steuererhebung dienen, sondern in erster Linie zusammen mit der Schaffung des neuen Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetzes diese vom Gesetzgeber missbilligte Form von Rechtsgeschäften ganz verhindern. Adressat ist dabei ausdrücklich auch der Besteller. Dem entspricht es, die Nichtigkeitsfolge aus dem Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetz schon dann eintreten zu lassen, wenn der Besteller von den entsprechenden Verstößen des Unternehmers weiß und sie bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Hier hat der Bauherr die genannten Verstöße des Architekten nicht nur gekannt und zu seinem Vorteil ausgenutzt, sondern die Zahlung eines Teilbetrags des Honorars in bar ohne Rechnung selbst gewollt. Damit sind die Verstöße gegen die steuerlichen Vorschriften vorsätzlich erfolgt.
Dass sich die Absicht der Steuerhinterziehung nur auf einen Teil des vereinbarten Architektenhonorars bezog, ändert an der Nichtigkeit des gesamten Architektenvertrages nichts. Dieser könnte allenfalls als teilwirksam angesehen werden, wenn die Parteien dem zuzüglich Umsatzsteuer vereinbarten Teilwerklohn konkrete, von dem Beklagten zu erbringende Teil-Leistungen zugeordnet hätten. Eine solche Zuordnung haben die Parteien nicht vorgenommen. Auch dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine „Ohne-Rechnung-Abrede“ getroffen und damit zunächst einen wirksamen Vertrag abgeschlossen hatten, führt zu keiner anderen Bewertung. Die nachträgliche Abrede, einen Teilbetrag ohne Rechnung zu zahlen, gestaltet den ursprünglichen wirksamen Werkvertrag um mit dem Inhalt, den er durch die „Ohne-Rechnung-Abrede“ gefunden hat. Eine isolierte Betrachtung der „Ohne-Rechnung-Abrede“ berücksichtigt nicht hinreichend ihren verfolgten Zweck, den ursprünglich geschlossenen Vertrag an die neu vereinbarten Konditionen anzupassen und damit abzuändern. Das Gesetz will nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrunde liegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen. Wer das im Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetz enthaltene Verbot bewusst missachtet, soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen.
Die Nichtigkeitsfolge aus dem Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetz tritt notwendigerweise auch in diesen Fällen auch deshalb ein, weil solche Vereinbarungen in der Praxis tatsächlich oft erst nach dem eigentlichen Vertragsschluss getroffen werden. Und die Nichtigkeit des Werkvertrags zwischen den Parteien schließt Mängelansprüche des Bestellers gegen den Unternehmer aus.
Hans Christian Schwenker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.
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