DABonline | Deutsches Architektenblatt
Menü schließen

Mehr Inhalt

Services

DABonline | Deutsches Architektenblatt
Zurück Recht: Abnahme

Korrekt abnehmen

Es gibt diverse Arten der Abnahme. Architekten sollten sie und ihre Rechtsfolgen kennen, da hier hohe Haftungsrisiken lauern.

01.09.20168 Min. Kommentar schreiben

Text: Jürgen Steineke

Auf der Baustelle wird die Bezeichnung „Abnahme“ von den Baubeteiligten häufig für verschiedene Sachverhalte verwendet. Es sind beispielsweise die Begriffe „technische Abnahme“, „VOB-Abnahme“ oder „Teilabnahme“ anzutreffen, vielfach ohne dass den Beteiligten klar ist, was sich hinter diesen Bezeichnungen im Einzelnen verbirgt. Der Architekt hat in der Leistungsphase 8 seinen Bauherrn bei der Abnahme der Bauleistungen zu unterstützen und umfangreich zu beraten. Unterlaufen ihm dabei Fehler, drohen erhebliche Schadensersatzansprüche. Daher soll im vorliegenden Artikel aufgezeigt werden, wann und in welcher Form der Architekt von der „rechtsgeschäftlichen Abnahme“ (nach § 640 BGB oder § 12 VOB/B) reden und Gebrauch machen sollte. Um Irritationen zu vermeiden, sollten immer eindeutige Termini verwendet werden.

Abnahmearten: öffentlich-rechtlich und zivilrechtlich

Mit der zivilrechtlichen (rechtsgeschäftlichen) Abnahme wird die Bauleistung des Auftragnehmers vom Auftraggeber abgenommen. Bei dieser Abnahmeart geht es um die Frage, ob der Auftragnehmer die Leistungen im Wesentlichen vollständig und mangelfrei erbracht hat (Abnahmereife). Mangelhaft ist die Bauleistung insbesondere dann, wenn sie den vertraglich vereinbarten Beschaffenheitsvorgaben nicht entspricht, die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt ist, ein optischer Mangel vorliegt oder das Werk von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweicht – sofern Letzteres nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Die rechtsgeschäftliche Abnahme ist in § 640 BGB geregelt. Wird die VOB/B vereinbart, ist zudem § 12 VOB/B zu beachten. Dies ist nicht zu verwechseln mit der öffentlich-rechtlichen Abnahme durch die Baubehörde. Bei ihr stehen öffentliche Interessen im Fokus der Abnahme, zum Beispiel Brandschutz, Tragsicherheit, Baugrenzen und Grenzabstände. Diese Abnahme entscheidet über die Inbetriebnahme des Bauwerks im öffentlichen Raum. In der Praxis nimmt die Bauaufsicht aber nur bei Bauwerken mit hohem Publikumsverkehr eigene Kontroll- und Abnahmebegehungen vor, etwa bei Schulen, Kitas, Einkaufszentren, Museen. Im Folgenden geht es nur um die zivilrechtliche Abnahme.

Verpflichtung des Auftraggebers

Auf jeder Baustelle gilt: Der Auftraggeber muss die Werkleistungen des Auftragnehmers abnehmen, sobald die Abnahmereife vorliegt. Liegen noch wesentliche Mängel vor, darf der Bauherr die Abnahme verweigern. In diesem Fall muss der Auftragnehmer zunächst zumindest diese Mängel beseitigen, bevor er die Abnahme verlangen kann. Ein wesentlicher Mangel liegt insbesondere dann vor, wenn die Gebrauchstauglichkeit des Werkes eingeschränkt ist. Optische Mängel sind meist erst dann wesentlich, wenn das Werk deutlich von der Sollbeschaffenheit abweicht und der Mangel im Erscheinungsbild besonders auffällig ist (zum Beispiel Frontfassade). Auch bei einer Vielzahl von kleineren optischen oder technischen Mängeln hat der Auftraggeber das Recht. die rechtsgeschäftliche Abnahme zu verweigern. Will ein Auftraggeber aber längerfristig die Abnahme verweigern, sollte der Architekt ihm zunächst eine juristische Beratung empfehlen.

Die Rechtswirkungen der Abnahme

Mit der rechtsgeschäftlichen Abnahme gehen insbesondere folgende rechtliche Wirkungen einher:

Die Beweislast kehrt sich um: Vor der Abnahme muss der Auftragnehmer dem Auftraggeber auf Verlangen nachweisen, dass die von ihm erbrachte Bauleistung mangelfrei ist. Nach der Abnahme muss der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine mangelhafte Ausführung nachweisen (Ausnahme: bei der Abnahme gerügte Mängel)

– Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt.
– Der Werklohn wird fällig.

Die Gefahr geht über: Bis zur Abnahme trägt der Auftragnehmer das Risiko der Zerstörung oder Verschlechterung seiner Werkleistung durch einen externen Umstand. Das wird in der VOB/B sogar spezifiziert. In § 4 Abs. 5 heißt es: „Der Auftragnehmer hat die von ihm ausgeführten Leistungen … bis zur Abnahme vor Diebstahl und Beschädigung zu schützen.“ Mit der Abnahme geht diese Gefahr auf den Auftraggeber über.

Grundsätzlich kann nur der Auftraggeber oder sein Bevollmächtigter die Werkleistungen des Auftragnehmers abnehmen. Klarzustellen ist, dass sich aus dem Abschluss eines Architektenvertrages allein noch keine Bevollmächtigung zur Abnahme ergibt. Der Architekt hat den Bauherrn allerdings im Rahmen der Bauüberwachung bei der Abnahme zu beraten und eine Abnahmeempfehlung auszusprechen.

Oft stellt sich der Architekt die Frage, ob er sich darüber hinaus für die rechtsgeschäftliche Abnahme der Bauleistungen vom Auftraggeber eine Vollmacht ausstellen lassen soll. Das ist jedoch nicht ratsam, da sich der Architekt zwar im Vorfeld mit dem Auftraggeber zur Qualität der Bauleistungen abstimmen kann, trotzdem fehlen am Tag der Begehung das „Augenpaar“ und die Aussagen des Auftraggebers. Hat der Architekt bereits während der Objektüberwachung Mängel erkannt, empfiehlt es sich, über diese mit dem Bauherrn schon vor dem Abnahmetermin zu sprechen und das weitere Vorgehen abzustimmen.

Abnahmeart 1: Förmlich durch den Auftraggeber

Für alle Baubeteiligten ist die förmliche Abnahme die sicherste Abnahmeart. In diesem Zusammenhang bedeutet „förmlich“ die Begehung und Besichtigung der Werkleistung des Auftragnehmers. In der VOB/B ist die förmliche Abnahme in § 12 Abs. 4 geregelt. Wurde der Architekt mit der Leistungsphase 8 beauftragt, hat er in der Regel folgende Leistungen im Zusammenhang mit der Abnahme der Bauleistungen zu erbringen:

– Organisation der Abnahmebegehung (z. B. Einladung von Auftraggeber und -nehmer und ggf. Sonderfachleuten)
– Protokollierung während der Begehung unter Feststellung von Mängeln
– Empfehlungen zum weiteren Vorgehen (etwa Abnahmeempfehlung, Fristsetzung zur Mangelbeseitigung)

Das Abnahmeprotokoll sollte mindestens folgende Angaben enthalten:

– Tag der Begehung
– Teilnehmer der Begehung
– festgestellte Mängel und die Bewertung, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Mängel handelt und ob der Auftragnehmer sie anerkannt hat oder nicht
– Fristsetzung für die Mängelbeseitigung bzw. die Erledigung noch ausstehender Restarbeiten
– Verjährungsdauer
– Vorbehalte (wegen bekannter Mängel bzw. Vertragsstrafe)
– Unterschrift des Auftraggebers

Bei der Abnahme müssen alle erkannten Mängel gerügt werden. Wird die Abnahme vom Auftraggeber und seinem Architekten nur „schludrig“ protokolliert, verliert der Auftraggeber einen wesentlichen Teil seiner Rechte (Nacherfüllung, Ersatzvornahme, Minderung und Rücktritt), sofern erkannte Mängel eben nicht gerügt werden. Lediglich Schadensersatz bleibt dem Auftraggeber dann noch erhalten.

Es empfiehlt sich, bereits im Abnahmeprotokoll die Beseitigung der festgestellten Mängel unter Fristsetzung zu fordern. Sollten die Mängel nicht innerhalb der Frist durch den Auftragnehmer behoben worden sein, kann bei einem BGB-Bauvertrag die Ersatzvornahme eingeleitet werden (§ 637 BGB). Beim VOB-Bauvertrag ist in der Regel zunächst noch eine Kündigungsandrohung und Entziehung des Auftrages erforderlich (§ 4 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B). Ein solches Schreiben sollte vom Auftraggeber selbst geschrieben und verschickt werden.

Abnahmeart 2: stillschweigend

Von einer stillschweigenden Abnahme der Werkleistungen ist die Rede, wenn es keine Begehung bzw. kein Abnahme-Schriftstück zu der vom Auftragnehmer ausgeführten Werkleistung gibt. Trotzdem handelt es sich auch hier um eine aktive Abnahme durch ein bewusstes Handeln des Auftraggebers. Beispiel: Der Auftragnehmer hat seine Schlussrechnung gestellt. Der Auftraggeber zahlt sie vollständig und anstandslos und bringt damit zum Ausdruck, dass er die Leistung als vertragsgerecht betrachtet.

Abnahmeart 3: fiktiv

Bei der fiktiven Abnahme treten die Rechtsfolgen einer Abnahme ein, obwohl dies dem Auftraggeber womöglich überhaupt nicht bewusst ist. Zu einer Abnahmefiktion führen insbesondere die folgenden Fälle des § 12 Abs. 5 VOB/B:

– Der Auftragnehmer hat die Fertigstellung der Leistung dem Auftraggeber schriftlich mitgeteilt und dieser hat innerhalb von zwölf Werktagen keine förmliche Abnahme verlangt.
– Der Auftraggeber hat die Leistung oder einen Teil der Leistung seit sechs Werktagen in Benutzung genommen.
– Eine Abnahmefiktion kommt allerdings nicht zustande, wenn der Auftraggeber zuvor klargestellt hat, dass er die Abnahme verweigert.

Die Teilabnahme ist eine reguläre rechtsgeschäftliche Abnahme der Auftragnehmer-Bauleistung, die sich auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Gesamtleistung bezieht. Beispiel: Beim Auftragnehmer sind die Lose Trockenbau, Putz und Maler beauftragt. Alle drei Lose wären in sich abgeschlossen und damit gewerkeweise abnehmbar.

Beim VOB-Bauvertrag besteht ein Anspruch des Auftragnehmers auf Teilabnahme nach § 12 Abs. 2 VOB/B. Das BGB kennt eine solche Pflicht zur Teilabnahme nicht, sodass der Auftragnehmer nur dann einen entsprechenden Anspruch gegen den Bauherrn besitzt, wenn dieses vertraglich vereinbart wurde.

Zustandsfeststellung – früher „technische Abnahme“

Sollen Zwischenbauzustände besichtigt werden, die nach der endgültigen Fertigstellung der Leistung durch die weitere Ausführung nicht mehr zerstörungsfrei eingesehen werden können, wird oft von einer „technischen Abnahme“ gesprochen. Dieser Begriff ist allerdings veraltet und führt regelmäßig zu falschen Erwartungen beim Auftragnehmer. Bei der Zustandsfeststellung nach § 4 Abs. 10 VOB/B handelt es sich um keine Abnahme.

Die Zustandsfeststellung wird in der Regel vom Architekten und dem Bauleiter des Auftragnehmers durchgeführt. Das Protokoll wird vom Architekten erstellt und sollte mit Fotos unterlegt werden. Beispiel: Bei Estricharbeiten wird die Trittschalldämmung bereits nach der Verlegung besichtigt, da bei der rechtsgeschäftlichen Abnahme des Estrichs die Dämmung ohne Zerstörung des Estrichs nicht mehr geprüft werden kann.

Welche Rechtswirkungen die Zustandsfeststellung gegen den Auftraggeber auslöst, ist umstritten. In Teilen wird argumentiert, dass mit der Besichtigung und Freigabe der Teilleistung die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bereits auf den Auftraggeber übergeht. Nach anderer Auffassung führt erst die „echte“ Abnahme zur Beweislastumkehr.

Dipl.-Ing. Jürgen Steineke ist seit 20 Jahren als Bauleiter/-überwacher für SMV/Berlin tätig.

War dieser Artikel hilfreich?

Danke für Ihr Feedback!

Schreibe einen Kommentar

Sie wollen schon gehen?

Bleiben Sie informiert mit dem DABnewsletter und lesen Sie alle zwei Wochen das Wichtigste aus Architektur, Bautechnik und Baurecht.

Wir nutzen die von Ihnen angegebenen Daten sowie Ihre E-Mail Adresse, um Ihnen die von Ihnen ausgewählten Newsletter zuzusenden. Dies setzt Ihre Einwilligung voraus, die wir über eine Bestätigungs-E-Mail noch einmal abfragen. Sie können den Bezug des Newsletters jederzeit unter dem Abmeldelink im Newsletter kostenfrei abbestellen. Nähere Angaben zum Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten und zu Ihren Rechten finden Sie hier.