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[ Büroausstattung ]

Großraum oder Zelle?

Das Co-Working-Prinzip zieht auch in traditionellen Unternehmen ein. Raum orientiert sich auch dort nicht mehr an Positionen sondern an Funktionen. In Start-ups gibt die App vieles vor. Und dann sind da noch die Kinder.

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In der Berliner Agentur Hi-Res! umgeben käfigartige Strukturen die Arbeitsplätze.

Text: Lars Klaaßen

Als die Swiss Re 2013 beschloss, aus Unterföhring nach München umzuziehen, wurde daraus trotz der räumlichen Nähe dennoch ein großer Sprung. „Mit dem neuen Standort wurden sowohl die Kommunikationsbeziehungen zwischen den einzelnen Bereichen als auch auch deren Anforderungen detailliert analysiert und daraufhin das Bürokonzept grundsätzlich neu gestaltet“, erläutert Christoph Kitterle, Geschäftsführender Gesellschafter bei congena. Der Münchener Unternehmensentwickler hat die Versicherung bei der Suche des neuen Standortes unterstützt, das neue Raumkonzept entwickelt – und vor allem auch die interne Kommunikation mit Führungskräften und Mitarbeitern begleitet. „Die Qualität eines Arbeitsplatzes kann sich nur dann voll entfalten, wenn das Konzept von den Akteuren auch akzeptiert wird“, betont Kitterle.

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Swiss Re: Ein „Business Garden“ mit dem Thema Wald
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Außerdem gibt es „Quiet Areas“…
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…und „Homebases“.

Schon früh war klar, dass am neuen Standort „non-territorial“ gearbeitet werden soll. Mitarbeiter haben keine fest zugeordneten Schreibtische mehr, sondern setzen sich je nach Aufgabe an einen dafür geeigneten Platz, der gerade frei ist. „Davon müssen die Nutzer erst einmal überzeugt werden“, weiß Kitterle. Regelmäßig wurde darüber informiert, was geplant ist und Rücksprache mit den Mitarbeitern gehalten. Eine Reihe von Herausforderungen wurde dabei diskutiert und gelöst: vom Verlust des eigenen Schreibtisches über Fragen der Vertraulichkeit von Gesprächen und Unterlagen bis zur Einhaltung von Spielregeln am Arbeitsplatz. „Der Verzicht auf den eigenen Schreibtisch wird dadurch kompensiert, dass man für unterschiedliche Aufgabenbereiche eine optimale Arbeitsumgebung zur Verfügung hat“, erläutert Kitterle. Die 9.000 Quadratmeter Fläche auf zwei Etagen wurden entsprechend verschiedener Arbeitsszenarien differenziert gestaltet.

Ein wichtiges Modul ist die „Homebase“. „Sie schafft ein Gefühl von Zugehörigkeit und bietet Orientierung“, so Kitterle. An den dort offen angeordneten Arbeitsplätzen können Teammitglieder sich zusammensetzen und austauschen. Auch der „Business Garden“ bietet eine Arbeitsumgebung für Teamaufgaben. Die grüne Umgebung soll einen inspirierenden und anregenden Kontrast zu den Standardarbeitsplätzen der „Homebase“ bieten. Jeder der insgesamt sechs Gärten wurde mit einer eigenen Farbwelt gestaltet und hat eine seinem Thema entsprechende Bepflanzung: Wald, Blumenwiese, Steingarten. Für konzentrierte Tätigkeiten kann man sich in die „Quiet Area“ zurückziehen. Die Arbeitsplätze dort sind voneinander abgeschirmt, telefoniert wird dort nicht. Für den informellen Austausch unter den Kollegen bietet auf jeder Etage eine „Business Lounge“ mit Espressobar die passende Gelegenheit. Mit dem neuen Konzept bedarf es bei gleicher Zahl der Mitarbeiter nur noch 80 Prozent der Arbeitsplätze in Vergleich zum alten Standort. „Entscheidend ist aber, dass die Mitarbeiter sich in den verschiedenen Bereichen wohlfühlen“, so Kitterle. „Sie haben die Freiheit, sich einen Arbeitsplatz zu wählen, der ihnen in der aktuellen Situation die beste Umgebung bietet.“

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Bei Hi-Res! sitzt man an Schreibtischen in einem riesigen Raummöbel, zieht sich zur Stillarbeit in eine Vogelhaus zurück…
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…oder nutzt ein überdimensionales Kuscheltier als Treffpunkt.

Den Wohlfühlfaktor hat auch Henri Fischer im Fokus. Sein Berliner Studio Henri Fischer Collective – HFC entwirft Bürokonzepte, häufig für Start-ups. „Da sind flexible Strukturen gefragt, weil diese Unternehmen rasant wachsen“, so Fischer. Der Workflow gehöre zu seinen wichtigen Orientierungsmarken für ein Raumkonzept: „Oft sind deren Sitzpläne synchron zur Struktur der App, die gerade entwickelt wird.“ Seine Aufgabe besteht meist darin, auf beschränktem Raum für viele Mitarbeiter eine angenehme Umgebung zu schaffen. Und diese Umgebung soll auch ein oder zwei Jahre später noch funktionieren, wenn noch mehr Menschen dort tätig sind. Fischer setzt auf das Prinzip „Fixdesk plus work styles“.  „Die Leute haben einen ‚Stammplatz‘, können sich aber je nach Projektkontext die beste Umgebung suchen. Ich schaffe genau jene Zonen, die sie in der einen oder anderen Situation benötigen.“ Auch hier gilt: Kommunikation und Konzentration brauchen ihren Raum.

Fischer entwirft Raummöbel, die beides schaffen – auch wenn die Fläche begrenzt ist. Für die Digitalagentur Hi-Res! gestaltete Studio HFC das Innenraumkonzept für ein raumgreifendes Möbel, das Empfangstresen, Arbeitskojen für konzentriertes Arbeiten und eine Küche beinhaltet. Dieser verschachtelte Block grenzt sich nicht nur räumlich vom Open Space ab, wo an einem schlangenförmigen Tisch rund 40 Arbeitsplätze kurvenreich aneinandergereiht sind. Der große Raum mit vielen Arbeitsplätzen beieinander ist in grauen Tönen gehalten, mit Blick durch die Fensterfront auf die Stadt. Die knallbunte Kiste hingegen bietet introvertierte Rückzugsräume, die mit Wänden in kräftigem rot, blau oder gelb eine kindliche Freude bereiten können. Als die Agentur ihr Büro erweiterte, hat Fischer Kojen entworfen, die wie kleine Vogelhäuschen aussehen. Darin können die Mitarbeiter in Ruhe arbeiten, wenn es ihnen bei den Kollegen zu unruhig ist. Passend zu den unbeschwert bunten Nischen sind in der Raumskulptur einige Möbel so vergrößert, dass man sich eindrücklich in die Kindheit zurückversetzt fühlen kann.

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„Coworking Toddler“ bietet nicht nur Arbeitsplätze an, sondern auch eine Kita.
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In den Pausen wird gemeinsam gespielt oder gegessen.

Dem Thema Arbeit und Kind hat sich der Architekt Dieter Neikes auf sehr direkte und konkrete Art gewidmet: „Coworking Toddler“ in Berlin bietet seit einigen Monaten Plätze in einem Gemeinschaftsbüro mit integrierter Kita an. Neikes hat das Raumkonzept für beide Bereiche entwickelt – oder genauer für alle drei Bereiche: Neben dem Open Space und der Kita gibt es auch noch den Gemeinschaftsraum. Dort können die Eltern in der Pause mit ihrem Kind Mittagessen. Auf 300 Quadratmetern können zwölf Menschen arbeiten, während ihre Kinder nebenan von Erziehern betreut werden. Einige große Unternehmen haben sich zwar schon betriebseigene Kitas eingerichtet, „aber den Co-Working Space mit Kinderbetreuung zu verbinden, ist neu“, betont Neikes. Das gilt auch für die Arbeit des Architekten: „Die meisten Architekturbüros entwerfen entweder Büros oder Kitas.“ Beides zusammen zu bringen sei aber noch einmal etwas anderes. Das Regelwerk für den Bau einer Kita sollte man ohnehin nicht unterschätzen. Da wurde der Abstand der Garderobenhaken überprüft, so Neikes, und auch das Gesundheitsamt habe vorbeigeschaut.

Die Kombination Büro und Kita warf aber auch bis dahin unbekannte Fragen auf: Auf welche Art und Weise können die Bereiche intern miteinander verbunden werden? „Das war ein Diskussionspunkt bei der Planung“, so Neikes. Allzu offen sollte diese Schnittstelle nicht werden. Eine Schleuse aus zwei Türen trennt den Arbeitsbereich nicht nur akustisch, sondern auch optisch von der Kita. Wer im Open Space arbeitet, soll das in Ruhe tun können. Gleichzeitig können die Erzieher bei Bedarf schnell bei den Eltern sein, ohne einmal ums Haus laufen zu müssen. Verbunden hat Neikes die Bereiche aber gestalterisch noch etwas stärker: „Die warmen Farben an den Wänden der Kita ziehen sich bis in den Büroraum hinein. Dieses Farbkonzept habt sich auch schon in anderen Kreativbereichen bewährt.“

Wo der Raum sich öffnet, soll gute Stimmung einziehen, ob im Business Garden, im Raummöbel oder neben der Kita.

Lars Klaaßen ist freiberuflicher Journalist in Berlin

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