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[ Recht ]

Aus dem Außenbereich

Aktuelle Urteile zu Gerüchen, Wochenendhäusern, Emittenten-Schutz und Gartenbau.

Text: Hubertus Schulte Beerbühl

Im Außenbereich darf es im Garten riechen

Von Tierhaltungsbetrieben ausgehende Geruchsimmissionen sind oft Gegenstand von Nachbarbeschwerden. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Gerüche gibt es keine allgemein gültigen Regelungen ähnlich der TA Lärm oder der TA Luft. Die Praxis greift als Orientierungshilfe auf Regelwerke zurück, die in der landwirtschaftlichen Praxis entwickelt wurden, insbesondere die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL). In der GIRL werden für Baugebiete Immissionswerte als regelmäßiger Maßstab für die höchstzulässige Geruchsimmission festgelegt. Einen Immissionswert für im Außenbereich gelegene Grundstücke gibt die GIRL nicht ausdrücklich vor. Dem Wohnen im Außenbereich wird aber allgemein ein immissionsschutzrechtlich geringerer Schutzanspruch als in dem Wohnen dienenden Gebieten zugebilligt. Für den Schutzanspruch des Wohnens im Außenbereich ist auf die Geruchsbelästigungen im Bereich von (zulässigerweise genutzten) Gebäuden oder sonstigen zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Anlagen abzustellen; das sind insbesondere Wohngebäude. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat entschieden, dass auch ein begrenzter Außenwohnbereich geschützt ist, wie etwa Außenanlagen zur Freizeitgestaltung und Erholung an den Gebäuden (Terrassen oder Balkone), die entsprechend allgemeinenWohngewohnheiten im Zusammenhang mit der Nutzung regelmäßig genutzt werden („Wohnen im Freien“), darüber hinausgehende Flächen dagegen nicht. Es stehe nämlich nicht im freien Belieben eines Grundstückseigentümers, sein gesamtes Grundstück mit Außenwohnbereichen zu versehen und vom benachbarten Anlagenbetreiber zu verlangen, er habe darauf uneingeschränkt Rücksicht zu nehmen. Vielmehr könnten Außenwohnbereiche nur in dem Umfang geschützt werden, wie dies den mit der Eigenart des Baugebiets berechtigterweise verbundenen Wohnerwartungen und Wohngewohnheiten auch außerhalb des Wohngebäudes entspreche.

VGH Mannheim, Beschluss vom 25.4.2016 (Az. 3 S 1784/15)

Wochenendhäuser ergeben keinen Innenbereich

Wenn in einem von Außenbereich umgebenen Gebiet, für das kein Bebauungsplan gilt, zahlreiche Wochenendhäuser entstanden sind, kann man dann von einem faktischen Wochenendhausgebiet nach § 34 BauGB sprechen, so wie es faktische Wohngebiete oder Gewerbegebiete gibt? Die Folge davon wäre, dass dann auch Umbau- oder Erweiterungsarbeiten an einem Wochenendhaus genehmigungsfähig wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage verneint. Denn eine Ansammlung von Wochenendhäusern könne keinen „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ bilden, sondern das Gegenteil dazu, nämlich eine Splittersiedlung, so dass die Gebäude im Außenbereich liegen. Ein Ortsteil setzt nämlich einen Bebauungszusammenhang voraus, an dem es in einem solchen Fall fehlt. Dem Bebauungszusammenhang gehören grundsätzlich nur Bauwerke an, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Andere Baulichkeiten prägen in der Regel die Siedlungsstruktur einer Gemeinde nicht. So ist es auch bei Wochenendhäusern, die nicht dauernd, sondern bestimmungsgemäß nur an Wochenenden genutzt werden. Außerdem setzt der Begriff des Ortsteils voraus, dass der Bebauungszusammenhang, wenn er ausnahmsweise doch zu bejahen sein sollte, Teil eines Siedlungskomplexes einer Gemeinde ist, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Jedenfalls hieran fehlt es bei einem nicht geplanten Wochenendhausgebiet regelmäßig, so auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall. Daran änderte sich auch dadurch nichts, dass die vorhandenen Bebauungen geduldet worden sind oder Bestandsschutz genießen. Denn dies hat allenfalls Einfluss auf die Befugnis der Bauaufsicht, dagegen einzuschreiten. Der Charakter der Gebäude und ihrer Nutzung wird dadurch nicht geändert und erst recht entsteht kein Ortsteil.
BVG, Beschluss vom 7.6.2016 (Az. 4 B 47/14)

Schutz für Betriebswachstum nur, wenn es konkret geplant ist

Ein im Außenbereich aufgrund einer Genehmigung ansässiger landwirtschaftlicher Betrieb, der durch seine Emissionen schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft, hat eine schutzbedürftige und schutzwürdige Stellung inne. Denn der Rücksicht bedarf nicht nur, wer von Immissionen wie Lärm oder Geruch betroffen wird. Auch demjenigen, der in zulässiger Weise Emissionen verbreitet, muss dafür Raum zur Verfügung gestellt werden, indem seine Anlage in ihrem Bestand und Betrieb vor Überforderungen durch störungsempfindliche Nachbarn geschützt ist (sog. Schutz gegen heranrückende Wohnbebauung). Ob das neue Vorhaben privilegiert oder nicht privilegiert ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle; entscheidend ist nur der Störeffekt für den bereits vorhandenen privilegierten Bestand, also die Frage, ob der privilegiert genehmigte Bestand und das beabsichtigte Vorhaben unvereinbar sind. Wenn die einschlägigen Immissionswerte mit Blick auf die heranrückende Wohnnutzung derzeit (noch) eingehalten werden, aber eine Erweiterung des Betriebes in Betracht kommt, die zu dann nicht mehr zumutbaren Werten führen würde, kann auch das Recht des Betreibers bestehen, mit Blick hierauf „vorsorglich“ die heranrückende Wohnbebauung abzuwehren.

Allerdings braucht bei der Zulassung eines Vorhabens im Außenbereich nicht schon auf vage Erweiterungsinteressen eines Landwirts Rücksicht genommen zu werden. Dass Erweiterungsabsichten nicht wirklich konkret sind, kann unter Umständen aus dem Verhalten des Landwirts abgeleitet werden, der zum Beispiel eine Baugenehmigung für ein heranrückendes Wohnbauvorhaben anficht und erst Monate später eine Bauvoranfrage oder einen Bauantrag zur Errichtung oder Erweiterung vorhandener Anlagen stellt. So lag es in dem vom OVG Münster entschiedenen Fall. Ähnlich entschied das VG Augsburg: Zwar wurden seit 2009 mehrere Beratungsgespräche über den Umbau eines Rinderstalls für die Umnutzung für Geflügelhaltung geführt. Als aber im August 2013 ein heranrückendes Wohnbauvorhaben genehmigt wurde, waren die Pläne für den Stall immer noch vage: Deren Genehmigung wurde erst im Januar 2014 beantragt. Wollte der Kläger glaubhaft machen, dass er schon vor der Genehmigung des Wohnhauses seinen Betrieb konkret erweitern wollte, hätte er zumindest dargelegen müssen, welche Tierart mit welcher Stückzahl zukünftig auf dem Betrieb gehalten werden sollte.
OVG Münster, Beschluss vom 1. 3.2016, (Az. 2 A 2106/15) und VG Augsburg, Urteil vom 12. 11.2014 (Az. Au 4 K 13.1369)

Gartenbau und Landwirtschaft: ­Gleiche Privilegien fürs Wohnhaus

Ein Wohnhaus im Außenbereich war als landwirtschaftliches Betriebswohnhaus (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) genehmigt und hat in der Vergangenheit im Wesentlichen einem Gartenbaubetrieb nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB gedient; diese Nutzung soll nun aufgegeben werden. Kann für dieses Haus nun eine Nutzungsänderung in ein „freies“ Wohnhaus nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB beansprucht werden? Das OVG Münster hat nunmehr entschieden, dass sich beides, landwirtschaftliche und gartenbauliche Nutzung, nicht gegenseitig ausschließen. Es hat hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für die Einführung der Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 herangezogen. Der Zweck der neuen Regelung habe darin bestanden, Betriebe der gartenbaulichen Erzeugung, die „Landwirtschaft“ im Sinne der Legaldefinition des § 201 BauGB betreiben, auch dann zu privilegieren, wenn nicht die Voraussetzung erfüllt sei, dass die Fläche eines Gebäudes in Bezug auf den gesamten Betrieb untergeordnet im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sei. Keineswegs sei eine strikte Trennung der Nutzungsarten beabsichtigt gewesen.

Vielmehr könnten Betriebe der gartenbaulichen Erzeugung auch zugleich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sein, wenn denn die Voraussetzungen für die Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebes erfüllt seien. Das sei bei dem Verständnis der Teilprivilegierung zu berücksichtigen, so dass gartenbauliche Betriebe, die zugleich auch landwirtschaftliche Betriebe seien, eine Nutzungsänderung zum Beispiel von bislang betriebsbezogener in freie Wohnnutzung beanspruchen können.
OVG Münster, Urteil vom 6.7.2016 (Az. 7 A 472/15)

Dr. Hubertus Schulte Beerbühl ist Richter am Verwaltungsgericht Münster.

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