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[ Ranking ]

Wie gut sind wir wirklich?

Ranking, das Auflisten der Besten, ist allgegenwärtig. Längst hat es auch die Architektur erfasst. Was bringt es, wem dient es – und wohin könnte es sich noch entwickeln?

Text: Christoph Gunßer

Die „Gebäude des Jahres“ küren Jurys allenthalben. Auch die „Architekten des Jahres“ werden schon – vom Rat für Formgebung – gekrönt. Die Analogien zum Sport und zur Börse sind unübersehbar, wenn mittlerweile auch in kreativen Metiers Listen angelegt werden, die die Leistung respektive Performance von Büros einordnen sollen. Regional, bundesweit, international wird heutzutage der Marktwert der Macher in diversen Sparten ermittelt, werden Aufsteiger und Absteiger in den „Top 100“ vermerkt.

Dünne Datenbasis

Die Daytrader der Architektur bewegen sich dabei auf dünnem Eis. Wo die Ränge auf den Siegertreppchen nicht von eigens eingesetzten – und oft sehr subjektiv urteilenden – Jurys besetzt werden, stützen die Königsmacher ihre Wertung nämlich allein auf die Zahl der Artikel in einschlägigen Journalen. Im führenden Portal der deutschsprachigen Szene, im BauNetz, werden diese nach einem fixen Schlüssel ausgewertet: Maßgeblich ist die Seitenzahl; eine Publikation in Bauwelt, Baumeister, db, DBZ und Detail zählt zweifach, in wettbewerbe aktuell einfach; internationale Artikel zählen dreifach – dafür werden domus, a+u, architektur aktuell, werk, bauen + wohnen sowie Architectural Review ausgewertet. Das Deutsche Architektenblatt mit seinem weniger objektbezogenen Ansatz gilt hier nicht als Architekturzeitschrift und bleibt deshalb außen vor. Die Macher halten dieses Verfahren für hinlänglich objektiv.

Tatsächlich ist diese Art der Medienbeobachtung quer durch die Sparten gängige Praxis. Anders als in der Finanzwelt und in der Wissenschaft, wo Berichte und Analysen in Fachblättern über Kurse und Karrieren entscheiden, spielen Fachmedien in der Baubranche aber bei Weitem nicht diese Rolle.

Darüber hinaus gibt es noch, vor allem im angelsächsischen Raum, rein wirtschaftlich wertende Rankings, wo die Büros nach Jahresumsatz sortiert werden. Wer etwa die jährlichen „Top 300“ des Architectural Record betrachtet, bekommt einen Eindruck vom Konzentrationsprozess in der US-Bauwirtschaft, mehr nicht.

Lust an Listen

Es ist schon erstaunlich, dass ein digitales Medium wie das BauNetz allein den analogen Vorvätern vertraut. Seit zwanzig Jahren wertet man dort auf diese Weise, und die Resonanz scheint den Machern recht zu geben: Rund drei von vier Architekten nutzen hierzulande regelmäßig das Portal, und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rankings, alle zwei Monate, ist diese Nutzung besonders intensiv.

„Es gibt keinen besseren Weg“, meint denn auch Stephan Westermann, Content-Manager beim BauNetz. Er hat nicht die Absicht, dem Journale blätternden Kollegen digitale Tools an die Hand zu geben, um die Platzhirsche der Branche künftig aus dem Netz zu filtern – man könnte ja zum Beispiel einschlägige Foren, wie das gut besuchte Deutsche Architektur-Forum, auswerten. Dem BauNetz ist dies jedoch zu unzuverlässig; hier werde der PR Tür und Tor geöffnet. Selbst Nennungen in Tageszeitungen hält Westermann für nicht aussagekräftig: „Das hat einen anderen Fokus.“

Also bleibt es bei einer Bewertung von Architekten für Architekten – inmitten einer klassischen Filterblase. Was Qualität, was Innovation ist, entscheiden die Experten in den Redaktionen, zweifellos mit einem Fokus auf mediale Verwertbarkeit, denn die Konkurrenz der Blätter ist härter geworden, seit das Internet ihnen viel Aufmerksamkeit entzieht.
Sicher, wir können froh sein, dass es noch eine solche (relative) Vielfalt an Printmedien und auch an mutigen kleineren Büros gibt, die dort zum Zuge kommen. Aber wer nutzt ein solches reines Peer-Group-Rating? Leute, die keine Zeit oder keine Lust haben, Artikel zu lesen? Leute, die wissen wollen, wie „gut“ sie sind? Wird die Architektur so nicht auf Namedropping reduziert?

Nach Einschätzung von Stephan Westermann bedient das Ranking nicht primär die Eitelkeit der Architekten. Es sind auch  Investoren, Auslober von Wettbewerben, Berufungskommissionen und nicht zuletzt Absolventen auf Stellensuche, die sich hier rasch einen Überblick verschaffen, wer gerade „angesagt“ ist. So gesehen, ist das Ranking in dieser Form eine transparente Dienstleistung, die mit wenig Aufwand realisierbar ist und darum auch wirtschaftlich relativ unabhängig agiert. Dass Kritiken in Zeitschriften durchaus auch mal Verrisse sein können, berücksichtigt übrigens kein Ranking. So könnte der Architekt des viel geschmähten Berliner Stadtschlosses alias Humboldt Forum, Franco Stella, bald einen Höhenflug in den Charts erleben. Derzeit dümpelt er dort noch auf Platz 987.

Abstimmung mit den Füßen

Gibt es dennoch ehrliche Bewertungen jenseits der Selbstbespiegelung der Szene, in denen auch Nichtjournalisten zu Wort kommen? Die Nutzer tauchen meist nur als „Wutbürger“ in den Foren der Tageszeitungen oder auf Facebook auf und erregen sich folgenlos über „Bausünden“. Die Arbeitsbedingungen in Büros lassen sich gelegentlich und gewiss nicht repräsentativ auf kununu.com nachlesen, wo manches begehrte Top Büro schon mal ganz unten landet.

Die Architektur-Ausbildung an den Hochschulen wird inzwischen recht professionell und auch basisnah „gerankt“. Ansonsten scheint dem langjährigen Werbeverbot der Zunft ein Vakuum bei (veröffentlichter) populärer Wahrnehmung und Bewertung zu entsprechen. Ob dies auf Inkompetenz oder Desinteresse zurückgeht, sei dahingestellt. Womöglich wird man bald Bewegungsdaten von Handy-Nutzern auswerten, um beliebte und unbeliebte Gebäude ausfindig zu machen – und zu ranken.

Christoph Gunßer ist freier Fachautor. Er lebt in Bartenstein (Baden-Württemberg).

Mehr Informationen und Artikel zum Thema „wählerisch“ finden Sie in unserem DABthema wählerisch

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