Von Heiko Haberle
Ingeborg Kuhler beeindruckte mich schon, bevor ich sie kannte – mit ihrem Mannheimer Museum für Technik und Arbeit, einem weißen „Ozeanliner“, der durch spannende Raumerlebnisse und eine intelligente Rampenerschließung fasziniert. Der Wettbewerbsgewinn und die Beauftragung einer 38-Jährigen mit einem Großprojekt war nicht nur 1982 eine Sensation. 1984 wurde Kuhler an der HdK Berlin die erste (!) Entwurfsprofessorin Westdeutschlands, bei der später auch ich studierte. Ich erlebte eine leidenschaftliche Lehrerin, geschätzt für ihre inspirierenden Vorlesungen, gefürchtet für ihre Entwurfskritiken, die regelmäßig zu Verzweiflung und Studienabbrüchen führten – oft bei jungen Frauen. Dass Familie und Architektur zusammen nicht funktionieren würden, ließ sie die Studentinnen am ersten Tag wissen.
Ingeborg Kuhler ist eine von 22 deutschen Architektinnen, die das DAM noch bis zum 8. März in der Ausstellung „Frau Architekt“ würdigt. Mehrere Frauen, die endlich aus dem Schatten von Männern treten: Lotte Stam-Beese, Marlene Moeschke-Poelzig, Lilly Reich (Kollegin von Mies van der Rohe) und Gertrud Schille, die Planerin vieler Planetarien in der DDR und im Ausland, die eher dem Schalenbauer Ulrich Müther zugeschrieben werden.
Einige Frauen spezialisierten sich auf vermeintlich „weibliche“ Aufgaben, wie Bauschmuck, Möbel, Innenräume oder Kindergärten. Oft aus Mangel an Alternativen, wie die Erfinderin der „Frankfurter Küche“ Margarete Schütte-Lihotzky meinte: „Ich hatte mit Küche und Kochen nichts am Hut. Aber die Männer um mich herum haben mich zu dieser Aufgabe gedrängt“. Vorgestellt werden jedoch auch die Stadtarchitektin von Neubrandenburg Iris Dullin-Grund, die Stahlbauerin Verena Dietrich oder die Kibbuz-Planerin Lotte Cohn. Die politisch bestens vernetzte Sigrid Kressmann-Zschach betätigte sich schließlich als berüchtigte Immobilienspekulantin. Vielleicht hatte sie verstanden, was Zaha Hadid ein Rätsel blieb: „Keine Ahnung, was männliche Architekten mit ihren Kunden machen – Golfen, Segeln, ein paar Drinks an der Bar?“
Wie visionär und durchsetzungsstark die Frauen waren oder sind, wird leider von der kleinteiligen und braven Ausstellungsgestaltung nicht vermittelt. Auch fehlen eine kuratorische Einordnung, statistische Daten, aktuelle und historische Bezüge. Welche Gesetze verhinderten weibliche Karrieren? Entwerfen Frauen anders und arbeiten sie an kleineren Projekten (siehe Online-Diskussion zu „Wenn Frauen nicht bauen“)? Was bedeutet es, dass „Bauherren“ meist männlich sind? Was davon ist gar nicht branchenspezifisch? Zumindest angerissen werden diese Fragen in Video-Interviews. Viele Architektinnen berichten darin, dass dank Eltern- und Teilzeit heute geht, was Ingeborg Kuhler bezweifelte – Architektinnen mit Familie. Aber man versteht auch, dass noch viel zu tun ist. Sonst wäre nicht etwa die derzeit erfolgreiche 40-jährige Anna Heringer, wie sie sagt, erst durch den Beruf zur Feministin geworden.
FRAU FOTOGRAF
Architekturfotografinnen sind ebenfalls Ausnahmen. Eine der bekanntesten ist Sigrid Neubert, der das Berliner Museum für Fotografie eine Ausstellung widmet. Wir zeigen eine Bildauswahl.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: