Interview: Brigitte Schultz
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Herr Felsch, womit beginnt eine gute Lichtplanung?
Mit dem Licht – nicht der Leuchte! Zuerst steht die Frage: Wie soll das Licht beschaffen sein? Man kann auch mit einer Kerze anfangen, darüber nachzudenken.
In welchen Fällen werden Sie als Lichtplaner hinzugezogen?
Bei uns landen häufig entweder die Problemfälle oder die Bereiche eines Projekts mit der größten Außenwirkung. Bei einem großen Bürogebäude beispielsweise planen wir meistens nicht die 1.200 Arbeitsplätze, sondern Foyer, Fassade und Besprechungsräume. Dabei sollten eigentlich gerade die für die Mitarbeiter wichtigsten Räume im Fokus stehen.
Kann ich ein gutes Gebäude durch eine schlechte Beleuchtung ruinieren – oder andersrum?
In Teilen. „Schlecht“ und „gut“ sind schwierige Bewertungskriterien. Es kommt auf die gewünschte Wirkung an. Wenn ich einen Discounter plane, der ein möglichst günstiges Preisniveau vermitteln soll, muss ich ein Licht planen, das im Museum oder zu Hause sehr schlecht wäre.
Seit wann gibt es Lichtplanung als eigene Profession?
Unser Berufsstand hat sich erst so richtig entwickelt, als es ab dem Jahr 2000 die Möglichkeit des Vollzeitstudiums gab. Ich war einer der ersten vier, die Lichtdesign in Hildesheim studiert haben. Davor gab es zwei, drei Aufbaustudiengänge an ausländischen Hochschulen, zum Beispiel in London. Aber es war ein Inselthema für gestaltungsaffine Elektrotechniker oder technikaffine Architekten.
Wie sind die Rollen zwischen Architekt und Lichtplaner verteilt?
Bei der Tageslichtplanung sind wir beratende Ingenieure, die zum Beispiel spezielle Gläser vorschlagen, zu schmaleren Rahmenprofilen, anderen Farben mit anderen Reflexionsgraden oder bestimmten Oberflächen raten. Da liegt viel Verantwortung beim Architekten. Wir können ihm durch Simulationen die Sicherheit geben, dass das geplante Ergebnis auch erreicht wird. Beim Kunstlicht – insbesondere bei LED-Beleuchtung, die sich ja rasant entwickelt – spielt unsere Profession eine noch größere Rolle, da hier sehr starke technische Komponenten hineinkommen.
Wer hat gestalterisch den Hut auf?
Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, das relativ früh herauszufinden. Wir haben zwei Arbeitsweisen: Entweder wir geben selbst eine Gestaltungsidee vor. Oder wir arbeiten im Windschatten und unterstützen den Architekten dabei, seine Idee umzusetzen.
Wann steigen Sie idealerweise in ein Projekt ein?
Ich bin mit meinem Büro jetzt fast 14 Jahre selbstständig. Am Anfang waren wir oft die Feuerwehr und wurden gerufen, wenn es eigentlich schon zu spät war. Dann konnten wir immer noch Dinge verbessern, aber natürlich nicht die Möglichkeiten ausschöpfen. Der ideale Zeitpunkt ist, wenn der Entwurf steht. Der erste Entwurfsgedanke des Architekten hat schon viel Kraft und Aussage, damit können wir arbeiten.
Wie bewusst nimmt der Nutzer die Beleuchtung wahr?
Wenn sie nicht auffällt, wurde viel richtig gemacht. Bei Umfragen oder Qualitätskontrollen fragen wir nie direkt nach dem Licht, weil dann der Fokus auf ein Thema gelenkt wird, für das man nicht sozialisiert ist. Wir stellen vielmehr Aufgaben, wie Produkte in einem Shop zu suchen, oder finden durch Eye-Tracking heraus, wo die Menschen hinschauen. Damit erfährt man, was sie sehen und – noch viel interessanter – was sie nicht sehen. Sobald ein Nutzer das Licht benennen kann, ist etwas extrem schiefgelaufen.
So einen Fall hatte ich letztens. Ich war in einem auf den ersten Blick gut gestalteten Großraumbüro. Es gab ein Leitsystem und ein Farbkonzept. Über den Schreibtischen hingen hochwertige Pendelleuchten – aber immer die gleichen. Sobald man den Blick vom Schreibtisch hob, wurde es irgendwie ungemütlich. Aberhell genug war es. Was war da falsch?
Genau aus dieser Art zu planen ist die Profession des Lichtplaners entstanden. Dieses gleichförmige Ausleuchten mit ausreichend Helligkeit und Energieeffizienz basiert auf der DIN 5035. Sie schrieb vor: bei Arbeitsplätzen 500 Lux gleichmäßig im ganzen Raum. Solche Raumsituationen planen oft Elektroplaner oder Leuchtenhersteller, die sich von rechtlichen Ansprüchen freihalten, indem sie die Norm mit der Gießkanne erfüllen. Dabei lässt die aktuelle DIN EN 12464 mehr Differenzierung zu.
Hauptsache, keiner kann sich beschweren.
Beschweren kann man sich schon, aber man kann niemanden dafür haftbar machen. Obwohl solch eine rein technische Planung einem natürlich auf die Füße fällt, weil die Mitarbeiter wahrnehmen, dass ihr Raum den Charme eines Discounters hat – auch wenn er schönere Oberflächen und Farben aufweist. Aber das Licht zerstört in dem Fall die Aufenthaltsqualität und damit auch die Funktion.
Wie würde ein Lichtplaner da rangehen?
Zuerst würden wir mit dem Auftraggeber oder im besten Fall mit den Mitarbeitern sprechen, wie ihre Arbeitsabläufe sind und in welchen Gruppen gearbeitet wird. Wir würden versuchen, Zonen zu schaffen, damit es Abwechslung fürs Auge gibt. Ginge das aus irgendeinem Grund nicht, würden wir mit den Architekten über Stellwände, Besprechungsinseln oder Ähnliches sprechen, um den Raum zumindest optisch zu unterbrechen, sodass das Auge Ankerpunkte bekommt.
Das Problem ist die Gleichförmigkeit?
Ja, eigentlich immer. Ob es hundertmal die gleiche Leuchte ist, überall die gleiche Beleuchtungsstärke, die gleiche Farbtemperatur oder das gleiche diffuse Licht ohne definierten Schattenwurf. In ihrem Beispiel sind verschiedenste Gleichförmigkeiten addiert worden. Das würden wir vermeiden.
Warum ist Gleichförmigkeit unangenehm?
Sie ermüdet das Auge und die Wahrnehmung. Das Gehirn schaltet ab und zieht nur noch ein Bild der Situation aus der Schublade. Man nennt das eine Lock-up-Wahrnehmung.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Der Klassiker: Sie suchen Ihren Schlüssel. Nachdem Sie schon viermal auf den Schreibtisch geschaut haben, finden sie ihn beim fünften Mal genau dort. Das vom Schlüssel reflektierte Licht ist auch vorher in Ihr Auge gekommen, aber Ihr Gehirn war so „faul“, dass es immer den Schreibtisch ohne Schlüssel aus der Schublade gezogen hat – und die Information des Auges nicht verarbeitet wurde.
Ich sehe also oft nicht das, was ich sehe?
Was Sie bewusst wahrnehmen, ist ein verarbeitetes Bild. Das unterscheidet sich
grundlegend von dem, was in Ihr Auge eingefallen ist. Aufgrund dieser fundamentalen Tatsache funktionieren beispielsweise sehr viele Zaubertricks.
Wie wichtig ist der Charakter des Lichts?
Enorm wichtig. Wir haben das bei einem großen Discounter erlebt, den wir von diffuser auf gerichtete Beleuchtung umgestellt haben. Auf dem Parkplatz haben uns die Kunden angesprochen: „Wahnsinn! Das ist ja jetzt wie beim Feinkosthändler.“
Was hatten Sie konkret geändert?
Davor war es gleichmäßig und durchgehend hell. Der hellste Punkt im Raum war die Leuchte. Das ist ganz schlecht, da die Ware ja im Vordergrund stehen soll. Wir haben dann punktuelles Licht mit einer definierten Schattenwirkung geschaffen und das Kontrastverhältnis erhöht, also die Waren heller und die Gänge dunkler gemacht. Verschiedene Warengruppen bekamen verschiedene Lichtfarben, von 2.700 bis 4.500 Kelvin. So haben wir den Raum lichttechnisch modelliert und eine Erlebnisabfolge generiert.
Wie häufig ist ein Lichtplaner mit im Team?
In Deutschland macht bei den meisten Projekten immer noch ein Leuchtenhersteller die Lichtplanung. Das ist für uns unabhängige Lichtplaner ein großes Problem. Ein mittelständischer deutscher Leuchtenhersteller hat eine genauso große Planungsabteilung wie das größte deutsche, international arbeitende Lichtplanungsbüro. Ab einer bestimmten Projektgröße ist sofort die Industrie beim Architekten, beim E-Planer, beim Projektsteuerer oder beim Bauherrn. Da ist kein Fachplaner mehr dazwischen.
Bekommen die Hersteller das gleiche Honorar?
Die Hersteller planen vermeintlich kostenfrei – aber sie holen sich das Honorar über den Handelsumsatz wieder rein. Das ist ärgerlich für uns und schwierig für das Ergebnis. Doch die Leuchtenindustrie war vor uns da, und natürlich gibt es auch dort gute Lichtplaner. Wir müssen uns eben unsere Marktanteile erarbeiten. Aber daraus ergeben sich skurrile Situationen.
Zum Beispiel?
Der Bauherr einer Shopping-Mall bat uns einmal um einen Entwurf, weil er das Gefühl hatte, die Lichtplanung des Elektroplanungsbüros sei nicht das Richtige. Dann sollten beide ihr Konzept präsentieren. Aber statt des E-Planers tauchten zwei Mitarbeiter eines Leuchtenherstellers auf. Sie informierten den Bauherrn, dass der E-Planer das Konzept, für das er bezahlt wird, nicht erklären kann – weil sie es erstellt haben!
Wie ging die Geschichte aus?
Der Bauherr war außer sich, aber er konnte es nicht mehr zurückdrehen. Der Auftrag war leider schon beim Generalunternehmer.
Was ist Ihr Argument dafür, einen unabhängigen Planer mit ins Team zu nehmen, auch wenn dieser Honorar kostet?
Die Industrie hat natürlich ein Eigeninteresse. Da ist es wichtig, dass man als Architekt nicht ausgeliefert ist. Der Vertriebler eines Leuchtenherstellers erzählt Ihnen im Zweifel alles, was Sie hören wollen. Wir planen herstellerneutral und können so auch innovative Wege gehen und Sonderlösungen entwickeln.
Wer darf Licht planen?
Es gibt keine Vorschriften. Ich dürfte, selbst wenn ich ein Haus planen könnte, keinen Bauantrag einreichen. Diesen rechtlichen Schutz gibt es bei der Lichtplanung nicht, das darf jeder. Aber aus meiner Sicht ist ein Studium notwendig, um auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Bevor ich Gestaltung studiert habe, habe ich in Technik und Leuchten gedacht. Durch das Studium bin ich dazu gekommen, Licht zu sehen und zu verbalisieren, mir die Lichtstimmung auszudenken und erst im zweiten Schritt die technische Lösung.
Woran erkenne ich, ob ich bei einem Lichtplaner gut aufgehoben bin?
Das fängt mit der Kommunikation an. Ein Lichtplaner muss zuhören, die richtigen Fragen stellen und sich in das Projekt reindenken. Wenn er nur nach einem Plan fragt und da Leuchten durchrastert, läuft etwas falsch.
Kann man das Ergebnis vorab visualisieren?
Die dreidimensionale Darstellung der Lichtkalkulationsprogramme ist ein rein technischer Nachweis. Darüber hinaus gibt es drei Qualitäten der Visualisierung: Vergleichsbilder, mit Photoshop bearbeitete Bilder und zu guter Letzt photoreale Renderings. Renderbüros sind allerdings relativ teuer und sie müssen lichttechnisch gut betreut werden. Ein unrealistisches Rendering ist kontraproduktiv, da es das falsche Bild vermittelt.
Wenn ich ein sehr kleines Projekt habe: Kann ich die Lichtplanung als Architekt dann auch gut selbst machen?
Klein heißt ja erst mal nur weniger Budget, nicht weniger komplex. Mit viel Geld kann jeder tolle Sachen machen. Je weniger Geld da ist, umso mehr braucht man jemanden, der sich richtig gut auskennt. Das Problem ist eher, dass wir in der Honorarordnung nur ein kleines Anhängsel der Elektroplanung sind.
Was kann ein Lichtplaner aus dem kleinen Budget rausholen?
Mein Paradebeispiel dafür ist eines meiner Lieblingsprojekte, die „Kirche der Stille“ in Hamburg. Ein ganz kleines Projekt, aber mit großen technischen und finanziellen Zwängen, Wünschen und Anforderungen.
Worum ging es da?
Die Ausgangssituation war ein puristischer Kirchenraum mit acht Wandleuchten, kalt-weißer Lichtfarbe, ganz diffusem Licht, und es gab nur die Möglichkeit, an- und auszuschalten. Die Betreiber haben aber ganz unterschiedliche Anwendungsszenarien, von Andachten und Meditation bis zu Musik- oder Tanzveranstaltungen. Die Aufgabe war, allein mit den vorhandenen acht Wandauslässen eine bessere Beleuchtung zu schaffen.
Wie haben Sie das gelöst?
Wir haben die Anforderungsprofile in Lichtstimmungen übersetzt. Dafür haben wir Leuchten entwickelt, die direkte und indirekte Anteile haben, komplett dimmbar sind und die Farbe verändern können. Per Funksteuerung können jetzt zwölf verschiedene Lichtszenen abgerufen werden.
Klingt aufwendig. Hat sich das gerechnet?
Da steckt schon viel Herzblut drin. Aber wir haben nicht draufgezahlt. Das liegt jedoch an der Besonderheit unseres Büros, da wir den Leuchtenbau mit anbieten können. Hätten wir das nur anhand eines Planungshonorars mit einem Leuchtenhersteller machen müssen, hätte es nicht funktioniert.
Wie viel technisches Wissen brauchen Architekten zur Lichtplanung?
Sie müssen die grundsätzlichen Parameter kennen. Beleuchtungsstärken nach DIN, aber noch eher die Leuchtdichten, also wie hell eine Fläche wirkt. Denn das ist die Information, die das Gehirn wirklich verarbeitet. Solche grundsätzlichen Dinge muss man verinnerlicht haben. Und lichttechnische Einheiten, wie Kelvin für die Lichtfarbe. Ein Architekt muss nicht wissen, dass Kelvin ein Temperaturwert aus der Physik ist. Aber er muss wissen, dass 1.500 K ungefähr das Licht einer Kerze ist, 2.700 K eine Glühlampe und 6.500 K Tageslicht bei bedecktem Himmel, also sehr blau, kurze Wellenlängen, hohe Energiedichte.
Wir reden die ganze Zeit von Licht – wie wichtig ist Schatten?
Enorm wichtig. Das reine Licht hat keine Aussage, es geht immer nur um Kontraste. Aus dem Zusammenspiel zwischen Licht und Schatten entsteht der Kontrast, in dem die Aussage zum Vorschein kommt.
Was inspiriert Sie?
Zufälle, die sich zum Beispiel durch Reflexionen oder Tageslicht ergeben. Oder Lichtkunst, die Abkopplung des Lichts von Zwängen. Künstler gehen rein über die Gestaltung und die Wahrnehmungspsychologie und erzeugen damit Effekte, die auch mich noch überraschen.
Und wo ärgern Sie sich als Lichtplaner?
Eigentlich immer in Verwaltungsgebäuden, wenn überall die gleichen Kunststoffleuchten an Wände und Decken geschraubt werden. Oder wenn in Kindergärten oder Schulen stumpf Lichtquellen irgendwo gesetzt werden, Hauptsache hell. Das frustriert mich, weil es einfach anspruchslos ist, und ich weiß, dass es ohne Mehrkosten besser geht.
Mehr Informationen und Artikel zum Thema finden Sie in unseremSchwerpunkt Hell
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