Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Abnehmen leicht gemacht“ im Deutschen Architektenblatt o5.2018 erschienen.
Von Markus Prause
Der Architektenvertrag ähnelt nach dem neuen Recht einem Werkvertrag, für den die allgemeinen Vorschriften des Werkvertragsrechtes und folglich auch die Regelungen zur Abnahme gelten. Trotzdem werden „förmliche“ Abnahmen bei Architektenleistungen selten durchgeführt – leider.
Nachdem die Architektenleistungen erbracht wurden, hat der Bauherr das Werk abzunehmen (§ 640 BGB). Er ist dazu verpflichtet und kann sie nur bei Vorliegen wesentlicher Mängel verweigern. Unter einer Abnahme versteht man die Anerkennung einer Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß.
Die Abnahme löst insbesondere folgende rechtliche Wirkungen aus:
- Die Verjährung der Mängelansprüche beginnt zu laufen (§ 634 a Abs. 2 BGB).
- Die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln geht auf den Bauherrn über.
- Der Bauherr verliert die meisten seiner Mängelansprüche (zum Beispiel das Recht auf Honorarminderung; nicht jedoch Schadensersatzansprüche), wenn er sich diese Rechte wegen des betreffenden Mangels nicht bei der Abnahme vorbehält (§ 640 Abs. 3 BGB).
- Das Honorar des Architekten wird fällig, wenn zusätzlich zur Abnahme eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist (§ 15 HOAI). Andere Absprachen sind möglich, zum Beispiel, dass Abnahmereife, ausreicht. Das setzt zwar voraus, dass die Architektenleistung im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht wurde, die Erklärung der Abnahme durch den Bauherrn ist aber entbehrlich.
- Der sogenannte Gefahrübergang tritt ein (§ 644 BGB). Damit muss der Bauherr die Leistungen des Planers auch dann vergüten, wenn diese durch einen externen Umstand unbrauchbar werden.
Ausdrückliche, fiktive, konkludente Abnahme
Die Abnahme kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Bauherrn (ausdrückliche Abnahme), durch eine fingierte Abnahmeerklärung (fiktive Abnahme) oder durch schlüssiges Verhalten (konkludente Abnahme) erfolgen, wobei sich aus Beweisgründen eine schriftliche Abnahme empfiehlt.
Ist die Leistung fertiggestellt, kann der Architekt seinen Bauherrn unter Fristsetzung zur Abnahme auffordern (§ 640 Abs. 2 S. 1 BGB). Handelt der Bauherr innerhalb der Frist nicht, so steht diese Untätigkeit der Abnahme gleich (Abnahmefiktion). Verweigert der Bauherr die Abnahme, so trat nach altem Recht eine Abnahmewirkung nicht ein. Nach neuem Recht genügt eine einfache Verweigerung jedoch nicht mehr. Der Bauherr muss nun mindestens einen Mangel benennen, damit keine Abnahmefiktion eintritt (§ 640 Abs. 2 S. 1 BGB). Ist der Bauherr Verbraucher, so gilt dies nur, wenn der Architekt ihn zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme in Textform auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hinweist.
Die fiktive Abnahme durch das Schweigen des Bauherrn oder die Verweigerung ohne Benennung eines Mangels tritt selbst dann ein, wenn die Leistung des Architekten wesentliche Mängel aufweist. Benennt der Bauherr einen Mangel, scheidet eine fiktive Abnahme allerdings auch dann aus, wenn es sich um einen möglicherweise unwesentlichen Mangel handelt.
Die neue Zustandsfeststellung
Wird die Abnahme unter Angabe von mindestens einem Mangel verweigert, ist es sinnvoll, den Zustand der Leistung zeitnah zu erfassen, um spätere Veränderungen durch eine Nutzung des Objektes nachweisen zu können. Dazu sieht der neue § 650g Abs. 1 S. 1 BGB vor, dass der Bauherr bei einer Verweigerung der Abnahme verpflichtet ist, auf Verlangen und unter Fristsetzung des Architekten an einer gemeinsamen Feststellung des Zustands und einer Protokollierung darüber mitzuwirken (§ 650f Abs. 1 S. 2 BGB).
Bleibt der Bauherr einem vereinbarten Termin zur Zustandsfeststellung fern, so kann der Architekt diese auch einseitig vornehmen. Das gilt nicht, wenn der Bauherr unverschuldet fernbleibt (zum Beispiel Erkrankung) und dieses dem Architekten unverzüglich mitgeteilt hat. Führt der Architekt eine einseitige Zustandsfeststellung durch, hat er ein datiertes und unterschriebenes Protokoll darüber dem Bauherrn zu übergeben.
Ist bei der Zustandsfeststellung ein offenkundiger Mangel nicht angegeben, wird vermutet, dass dieser später entstanden und vom Bauherrn zu vertreten ist. Die Vermutung gilt nicht, wenn der Mangel nicht vom Bauherrn verursacht worden sein kann.
Die neue Teilabnahme
Dass die Abnahme erst nach im Wesentlichen vollständiger Leistungserbringung verlangt werden kann, bereitet bei Beauftragung der Leistungsphase 9 besondere Probleme. Findet die Abnahme der gesamten Architektenleistungen nämlich erst am Ende der Objektbetreuung statt, beginnt die Verjährung der Gewährleistung des Architekten für sämtliche Leistungsphasen erst zu diesem Zeitpunkt. Faktisch verlängert sich damit die Haftung des Architekten für Fehler in den Leistungsphasen 1 bis 8 von fünf auf zehn Jahre.
Um das zu vermeiden, war der Architekt bislang gut beraten, eine Teilabnahme nach Leistungsphase 8 vertraglich zu vereinbaren. Mit der Teilabnahme wird die Verjährungsfrist für Mängelansprüche aus den Leistungsphasen 1 bis 8 bereits in Gang gesetzt. Das Recht auf eine Teilabnahme bestand aber nur dann, wenn dieses vertraglich vereinbart wurde. Hier hilft nun die Neuregelung aus § 650s BGB dem Architekten weiter. Danach kann der Architekt eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen, wenn der Bauherr die letzte Leistung der bauausführenden Unternehmer abgenommen hat, die der Planer zu überwachen hatte. Handelt es sich um einen Generalunternehmer, ist dessen Schlussabnahme maßgeblich.
Abnahme bei mehreren Bauunternehmern
Sind mehrere Bauunternehmer an dem Objekt tätig, ist die Abnahme der als letztes erbrachten Leistung entscheidend. Das Recht zur Teilabnahme besteht schon dann, wenn die Abnahme der Bauunternehmerleistung erfolgt ist, selbst wenn zu dieser noch unwesentliche Restarbeiten oder Mängelbeseitigungen vorzunehmen sind. Verweigert der Bauherr die Abnahme wegen wesentlicher Mängel zu Recht, verhindert dieses eine Teilabnahme nach § 650s BGB. Fraglich ist, ob auch eine unberechtigte Abnahmeverweigerung gegenüber dem Bauunternehmer eine Teilabnahme ausschließt. Der Wortlaut spricht dafür. Allerdings wird man Fälle ausnehmen müssen, in denen der Bauherr offensichtlich rechtsmissbräuchlich die Abnahme der Bauleistung verweigert.
Mit dem Bezug auf die letzte Bauunternehmerleistung unterscheidet sich § 650s BGB hinsichtlich des Zeitpunktes von der bislang üblichen Handhabung, Teilabnahmen nach der Leistungsphase 8 vertraglich zu vereinbaren. Da in der Leistungsphase 8 noch diverse Grundleistungen im Anschluss an die Abnahme der Bauleistungen zu erbringen sind (zum Beispiel Rechnungsprüfung, Kostenfeststellung), kann der Anspruch auf Teilabnahme deutlich vor Ende der Phase 8 liegen und sollte von Architekten auch dann genutzt werden, wenn die Objektbetreuung nicht beauftragt ist.
Abnahme bei Landschaftsarchitektur
Bei Landschaftsarchitekten kann sich das Recht zur Teilabnahme insbesondere dann erheblich verzögern, wenn diese mit der Überwachung einer Fertigstellungs- bzw. Entwicklungs- und Unterhaltungspflege beauftragt sind und die Leistung des Bauunternehmers erst danach abgenommen wird. Daher sollten Landschaftsarchitekten, die Überwachung der Entwicklungs- und Unterhaltungspflege in einem gesonderten Vertrag vereinbaren oder vertraglich einen anderen Zeitpunkt für eine Teilabnahme fixieren.
Beispielhafte Vertragsklausel für die Abnahme
Ein vertraglicher Ausschluss des neuen Rechts auf Teilabnahme durch eine allgemeine Geschäftsbedingung des Bauherrn wäre voraussichtlich unwirksam. Die Möglichkeit, weitere Zeitpunkte für eine Teilabnahme zu vereinbaren (zum Beispiel nach der Genehmigungsplanung oder nach der Objektüberwachung, für Fälle längerer Vertragsunterbrechungen, bei einer Realisierung in mehreren Bauabschnitten), wird durch § 650s BGB nicht ausgeschlossen. Eine Vertragsklausel hierzu könnte lauten:
„Abnahme / Teilabnahme
Der Bauherr ist nach vertragsgemäßer Erbringung/Fertigstellung der Leistungen der Leistungsphasen 1 – 4 (alternativ: der Leistungsphasen 1 – 8 / alternativ: eines Bauabschnittes nach Ziff. … des Vertrages) zur Teilabnahme verpflichtet. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Mit der Teilabnahme beginnt die Verjährung der abgenommenen Leistungen. Für Leistungen, die danach noch zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit Abnahme der letzten Leistung. §§ 640 BGB sowie das Recht zur weiteren Teilabnahme nach § 650s BGB bleiben unberührt.“
Mit der Teilabnahme treten für die abgenommenen Teilleistungen sämtliche oben beschriebenen Rechtswirkungen ein.
Markus Prause ist Syndikusrechtsanwalt und Justiziar der Architektenkammer Niedersachse
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