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Neues zum Bauproduktenrecht (Teil I)

Die Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen lösen derzeit die bekannten Bauregellisten ab. Damit treten jedoch Lücken in der Kennzeichnung von Bauprodukten auf, die zu einem Umdenken im Planungs- und Überwachungsprozess führen.

02.07.20185 Min. Kommentar schreiben

Von Matthias Kuplich und Barbara Christiane Schlesinger

Im Hinblick auf das Bauproduktenrecht ändern die Länder bereits ihre Bauordnungen. Derzeit führen sie daher neue Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen (VV TB) ein, zum Beispiel Baden-Württemberg (VwV TB vom 20.12.2017, GABl. 2017, 656), Hamburg (VV TB vom 12.04.2018, ABl. 2018, 669), Sachsen (VwV TB vom 15.12.2017, SächsABl. 2018, 52) oder Sachsen-Anhalt (VV TB vom 05.04.2018, MBl. LSA 2018, 655). Es ist zu erwarten, dass im Laufe des Jahres bundesweit die Verwaltungsvorschriften neu eingeführt und damit die bisherigen Bauregellisten abgelöst werden. Letztere treten dann sukzessive außer Kraft.

Mit diesen Schritten reagiert die Bundesrepublik Deutschland auf Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und der zwischenzeitlich neuen EU-Bauproduktenverordnung. Danach dürfen an harmonisierte Bauprodukte keine weitergehenden nationalen bauordnungsrechtlichen Anforderungen mehr gestellt werden. Problematisch dabei ist, dass die harmonisierten europäischen Normen häufig nicht alle Eigenschaften eines Bauproduktes abbilden, um die Grundanforderungen eines Bauwerkes aus den Bauordnungen nachweisen zu können.

In seinem ersten Teil zeigt der Artikel die Grundlagen des Systems des Bauproduktenrechts auf. In seinem zweiten Teil (erscheint in Kürze im DAB) werden Hinweise zum praktischen Umgang gegeben.

Hintergründe

Mit einer zweijährigen Übergangsfrist bis zum 16. Oktober 2016 musste die Bundesrepublik Deutschland ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 16.10.2014, Az.: Rs. C-100/13) umsetzen. Das Gericht stellte fest, dass bei europäisch harmonisierten Bauprodukten, die mit einem CE-Zeichen gekennzeichnet sind, die (nochmalige) Prüfung des Produkts durch eine anerkannte Prüfstelle nach den Modalitäten eines in der nationalen Bauregelliste aufgeführten Prüfprogramms (Ü-Zeichen) gegen die Bauproduktenrichtlinie (RL 89/106/EWG) verstoßen hatte. Diese Richtlinie ist zwar durch die unmittelbar geltende EU-Bauproduktenverordnung (Bauprodukten-VO) abgelöst worden, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs bleiben jedoch bestehen.

Bauproduktenverordnung

Die Bauprodukten-VO legt die Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten oder deren Bereitstellung fest, enthält jedoch selbst keine technischen Vorgaben. Sie stellt sieben Grundanforderungen an Bauwerke auf, die stets einzuhalten sind: mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung, Schallschutz, Energieeinsparung und Wärmeschutz sowie nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Diese Anforderungen bilden wiederum die Grundlagen für sogenannte harmonisierte technische Spezifikationen, anhand derer dann die notwendigen wesentlichen Merkmale der Bauprodukte festgelegt werden. Die harmonisierten Normen werden durch europäische Normungsgremien aufgestellt (CEN – Europäisches Komitee für Normung). Eine Auflistung der Normen findet sich in der Mitteilung der Kommission 2017/C 264/04 vom 11. August 2017.

Leistungserklärung und CE-Kennzeichen

Ist ein Bauprodukt durch eine harmonisierte Norm erfasst, erstellt sein Hersteller nach Maßgabe der Bauprodukten-VO eine Leistungserklärung (Declaration of Performance, DoP). Damit übernimmt er die Verantwortung für die Konformität des Bauprodukts mit den im Dokument erklärten Leistungen und nimmt dabei Bezug auf wesentliche Merkmale der einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikation. Diese Leistungserklärung können der Bauherr und der Architekt vom Hersteller elektronisch oder in Papierform anfordern. Es besteht beim Hersteller eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren nach Inverkehrbringen des Produkts.

Nach Erstellung der Leistungserklärung hat der Hersteller das Produkt nach den allgemeinen Grundsätzen mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen. Diese muss gut sichtbar, leserlich und dauerhaft auf dem Produkt oder dem daran befestigten Etikett, der Verpackung oder den Begleitunterlagen aufgebracht werden. Die CE-Kennzeichnung muss das einzige amtliche Kennzeichen sein.

Hervorzuheben ist, dass eine Leistungserklärung mindestens ein wesentliches Merkmal enthalten muss. In der Regel enthält sie zwar mehrere, aber auch nicht sämtliche wesentlichen Merkmale einer bestimmten Norm, wie etwa beim Mauerziegel zu Druckfestigkeit, Brandverhalten und Wärmeleitfähigkeit. Der Hersteller kann Merkmale auch mit „npd“ (no performance determined) beschreiben, wie zum Beispiel den Frostwiderstand, und so gerade keine Aussage treffen, obwohl diese zur Beurteilung der Eignung für den Verwendungszweck notwendig wäre. Diese nur teilweise Abbildung von Merkmalen eines Bauproduktes setzt sich dann entsprechend bei der CE-Kennzeichnung fort. Das CE-Zeichen ist so vielmehr ein Handelszeichen für das Inverkehrbringen als ein umfassender baufachlicher Qualitätsausweis, der den Stand und die Regeln der Technik allumfassend widerspiegeln würde.

Konkretisierung durch technische Baubestimmungen

Bei der Vorgabe, dass bauliche Anlagen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährden dürfen, verweisen die Bauordnungen der Länder seit ihren Änderungen ab dem Jahr 2016 ausnahmslos darauf, dass die oben genannten Grundanforderungen aus der Bauprodukten-VO zu berücksichtigen sind.

Diese Anforderungen werden weitergehend durch gesonderte technische Baubestimmungen konkretisiert, vgl. § 85 a MusterBauO. Die Konkretisierungen erfolgen wiederum durch Bezugnahmen auf technische Regeln. Dazu werden derzeit die oben bereits aufgeführten Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen eingeführt. Dass deren technische Regeln eingehalten und entsprechende Bauprodukte verwendet werden, ist Voraussetzung dafür, die Grundanforderungen an Bauwerke zu erfüllen.

Die Technischen Baubestimmungen sind in die Teile A bis D gegliedert und nehmen im Teil A die Grundstruktur der Bauprodukten-VO zu den Grundanforderungen an Bauwerke auf. Inhaltlich stellen sie einer bestimmten Grundanforderung die jeweiligen technischen Regeln gegenüber.

Defizite der harmonisierten Normen

Wie oben aufgeführt, darf ein Bauprodukt nur noch das CE-Kennzeichen führen, wenn es einer harmonisierten Norm entspricht. Die Grundanforderungen eines Bauwerks und seiner verwendeten Bauprodukte werden jedoch durch die technischen Regeln vorgegeben, wie sie in den Technischen Baubestimmungen ersichtlich sind. Die können umfassender sein als die Leistungserklärung und das CE-Kennzeichen nach der EU-Bauprodukten-VO. Insofern entsteht ein Defizit im Erklärungsgehalt der Produktkennzeichnung. Das Deutsche Institut für Bautechnik führt dazu eine sogenannte Prioritätenliste mit derzeit 84 harmonisierten Bauproduktnormen, die die Anforderungen aus den technischen Regeln nicht vollständig abbilden.

 

Dr. Matthias Kuplich, LL. M., ist Rechtsanwalt und Partner der skbl :: Rechtsanwälte : Fachanwälte in Magdeburg sowie Justiziar der Architektenkammer Sachsen-Anhalt.
Barbara Christiane Schlesinger ist Architektin und Referatsleiterin Architektur und Bautechnik der Bundesarchitektenkammer.


Zur Auflösung der beschriebenen Erklärungslücken werden verschiedene Ansätze entwickelt, die Hilfestellung bei Planung, Ausschreibung und Überwachung bieten sollen. Dazu lesen Sie mehr im zweiten Teil des Beitrags.

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