DABonline | Deutsches Architektenblatt
Menü schließen

Rubriken

Services

Menü schließen

Rubriken

Services

Zurück
[ Gebäude-Energie-Gesetz ]

Experimente wagen

Am 1. Januar 2019 soll das neue Gebäude-Energie-Gesetz in Kraft treten. BAK, DGNB und GdW schlagen dafür eine Experimentierklausel vor. Sie ermöglicht einen alternativen Nachweis, der auf eine CO2-Bilanzierung umstellt

Von Stefan Oehler

Die Europäische Union fordert spätestens 2019 die Einführung von „Nearly-Zero-Energy-Buildings“. Deutschland muss daher zum 1. Januar 2019 das sogenannte Niedrigstenergiegebäude als Standard für Neubauten und das neue Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) anstelle der EnEV einführen. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung möchte EnEV, EEWärmeG und EnEG zusammenführen. Darüber hinaus sollen keine grundlegenden Änderungen für Neubauten und Bestandsgebäude eingeführt werden. Damit steht das neue GEG im Widerspruch zum Energiekonzept 2010 und zu den Klimaschutzzielen, die einen annähernd emissionsfreien Gebäudebestand bis 2050 fordern.

Darauf reagieren die Bundesarchitektenkammer (BAK), die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) mit einem Vorschlag für eine Experimentierklausel (auch als Öffnungsklausel bezeichnet). Diese sieht auf Basis einer CO2-Bilanzierung einen alternativen Effizienznachweis vor, der gleichwertig zum offiziellen GEG-Nachweis anerkannt werden und mit einem neuen KfW-Programm gefördert werden sollte. Mit diesem Paradigmenwechsel würden sich zusätzliche Reduktionsmöglichkeiten, zusätzliche Einsparungspotenziale, ein zielgerichtetes Vorgehen, Nachweise auf Quartiersebene, eine vereinfachte Nachweisführung und die Harmonisierung mit den EU-Anforderungen ergeben. Die Experimentierklausel wäre der Einstieg in die Energiewende im Gebäudesektor.

Runderneuerung in einer Generation

Bei circa 20 Millionen Bestandsgebäuden müssten in den verbleibenden 30 Jahren im Schnitt 666.666 Bestandsgebäude pro Jahr annähernd emissionsfrei werden. Sollte sich der Start bis 2025 verzögern, so wären es 800.000 Gebäude pro Jahr. Diese enormen Zahlen machen den Umfang der Aufgabe deutlich. Es handelt sich um eine volkswirtschaftliche Herausforderung gigantischen Ausmaßes, die dem Wiederaufbau nach 1945 oder der Umstrukturierung nach der Wende 1989 gleichkommt. Um die vereinbarten Klimaschutzziele von Paris einzuhalten, müssen alle Gebäude in nur einer Generation annähernd emissionsfrei werden. Dafür gibt es bisher weder einen Plan noch eine gesetzliche Weichenstellung.

Als Reaktion auf die Ölkrisen in den 1970er- und 1980er-Jahren sind die Wärmeschutzverordnung und die Energieeinspar­verordnung entstanden. Das wirtschaftlich motivierte Ziel sollte den Verbrauch von teuren Energieträgern wie Öl und Gas reduzieren. Inzwischen haben sich jedoch politische Zielsetzungen und globale Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Spätestens seit der Jahrtausendwende stehen der Umweltschutz und damit die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen im Vordergrund. Mit dieser neuen Zielsetzung wird eine grundsätzlich andere Regelung erforderlich, denn Treibhausgase zu minimieren, benötigt andere Lösungen als die Reduzierung des Primärenergieverbrauchs. Im aktuellen Entwurf zum GEG ist dazu bislang nichts vorgesehen, Sanierungen sollen ähnlich wie bisher durchgeführt werden, ohne die Zielsetzung „klimaneutral“ in irgendeiner Form zu verfolgen. Der Klimawandel ist jedoch zeitkritisch und jedes verlorene Jahr verteuert den Umbau schmerzhaft.

Alternatives Nachweisverfahren

An dieser Stelle setzt die Initiative von BAK, DGNB und GdW an. Die Organisationen möchten nicht länger tatenlos zusehen, wie die steigenden Umweltfolgekosten auf die nächsten Generationen abgeschoben werden und der Gebäudebestand zunehmend an Wert verliert. Im Frühjahr 2018 veröffentlichte die DGNB das „Rahmenwerk“, das erstmals einen praktikablen Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 skizziert, sowie ein „Gebäude-Emissions-Gesetz (GEG 2050)“, in dem ein alternatives GEG auf nur drei Seiten vorgeschlagen wird. In einem gemeinsamen Brief an Bauminister Seehofer und Wirtschaftsminister Altmaier schlagen nun BAK, DGNB und GdW vor, das geplante GEG um eine Experimentierklausel zu erweitern. Ziel ist, endlich in die Energiewende im Gebäudebestand einzusteigen, um wertvolle Erfahrungen mit CO2- und Kostenreduktionen zu sammeln und langfristige Planungssicherheit zu ermöglichen.

Da die Zeit für das neue GEG durch die langwierige Regierungsbildung und einen Stillstand der Regierungsgeschäfte knapp geworden ist, ist es bis Januar 2019 nicht mehr möglich, einen vollständigen Alternativentwurf zum GEG durchzusetzen. BAK, DGNB und GdW einigten sich daher mit der vorgeschlagenen Experimentierklausel auf einen praktikablen und einfach umsetzbaren Kompromissvorschlag. Das GEG bleibt damit unangetastet und wird lediglich um ein alternatives, freiwilliges Nachweisverfahren ergänzt. Nur mit dieser Erweiterung ist es in so kurzer Zeit verfahrenstechnisch noch möglich, Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu nehmen. Technische und praktische Erfahrungen mit Hunderten von Prototypen existieren bereits, als Nächstes müssen dringend Erfahrungen mit gesetzlichen Regelungen gesammelt werden.

Erkenntnisse sammeln

Gebäudeeigentümer sollen nach Vorstellung von BAK, DGNB und GdW über eine Experimentierklausel im GEG und die Ergänzung der KfW-Förderung ermutigt werden, ihre Bestandsgebäude mit Blick auf die Klimaschutzziele freiwillig zu ertüchtigen und auch Neubauten danach auszurichten. Die Klausel sieht als Alternative zur Begrenzung von Primärenergie und Transmissionswärmeverlust die Begrenzung von Treibhausgasemissionen (Klimaschutzwirkung) und als Nebenkriterium ein noch zu benennendes Effizienzkriterium für Gebäude oder Quartiere vor. Sie soll sowohl als alternatives Nachweisverfahren für die Erfüllung des GEG bei Genehmigungsverfahren angewandt werden können als auch für eine gezielte Förderung von Klimaschutzmaßnahmen im Bestand. Sie böte die gleiche Rechtssicherheit und soll sowohl Einzelgebäude als auch Quartiere umfassen, um reale Erfahrungen mit einer entsprechenden Optimierung in der Praxis zu sammeln und um die Breitenwirkung zu verbessern. Mit der technologieoffenen Anwendung des Indikators Treibhausgasemissionen und dem zu benennenden Effizienzkriterium ließen sich wertvolle neue Erkenntnisse sammeln, bevor das GEG in einer späteren Novelle insgesamt entsprechend umgestellt werden sollte.

Diese freiwillige Experimentierklausel ist ein neues Angebot an Hauseigentümer, mithilfe von Klimaschutzfahrplänen auf CO2-Basis ganzheitlich und langfristig planen zu können, um endlich Investitionssicherheit zu erlangen. Der Gesetzgeber sollte diese Alternative zulassen, denn er gewinnt damit wertvolle Erfahrungen, wie man kostengünstig, technologieoffen und mit völlig neuen Lösungsansätzen schneller zum Ziel kommen kann. Der bisher fehlende Realitätscheck lässt sich weder durch Forschungsprogramme noch durch theoretische Prognosen ersetzen. Mit diesem neuen Ansatz gibt es nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen.

Weitere Artikel zu:

1 Gedanke zu „Experimente wagen

  1. Viele Worte, ….wie soll das alles verwaltungstechnisch verarbeitet und vor allem, wie soll es überprüfbar und evaluierbar werden? Komplexitätssteigerung durch Erhöhung des Kuddel-Muddel – Faktors?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Sie wollen schon gehen?

Bleiben Sie informiert mit dem DABnewsletter und lesen Sie alle zwei Wochen das Wichtigste aus Architektur, Bautechnik und Baurecht.

Wir nutzen die von Ihnen angegebenen Daten sowie Ihre E-Mail Adresse, um Ihnen die von Ihnen ausgewählten Newsletter zuzusenden. Dies setzt Ihre Einwilligung voraus, die wir über eine Bestätigungs-E-Mail noch einmal abfragen. Sie können den Bezug des Newsletters jederzeit unter dem Abmeldelink im Newsletter kostenfrei abbestellen. Nähere Angaben zum Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten und zu Ihren Rechten finden Sie hier.
Anzeige