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Einzelbeauftragung statt gesamtschuldnerische Haftung

Interdisziplinäre Planungswettbewerbe rechtfertigen keine gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Landschaftsarchitekt

23.02.20195 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Gemeinsam beworben – getrennt beauftragt“ im Deutschen Architektenblatt 03.2019 erschienen. Er wurde im Februar 2022 aktualisiert.

Von Bernhard Stolz

Wettbewerbe sollen nach § 1 Abs. 1 der Richtlinie für Planungswettbewerbe 2013 (RPW) in geeigneten Fällen interdisziplinär angelegt sein. Der häufigste Anwendungsfall sind Realisierungswettbewerbe, die sowohl die Planung von Gebäuden als auch die zugehörige Landschafts- und Freiraumplanung umfassen. Um den Anforderungen an die Teilnahme zu genügen, schließen sich in diesen Fällen Architekten und Landschaftsarchitekten regelmäßig zu Bewerbergemeinschaften zusammen. Bei Realisierungswettbewerben öffentlicher Auftraggeber muss der Beauftragung in der Regel noch ein Verhandlungsverfahren

Bisherige Praxis: Beauftragung als ARGE

Soweit es sich bei den Preisträgern um eine Bewerbergemeinschaft aus Architekt und Landschaftsarchitekt handelt, wird diese im Verhandlungsverfahren zu einer Bietergemeinschaft. Die Zuschlagserteilung an eine solche erfolgt in der bisherigen Praxis zumeist in Form eines einheitlichen Vertrags mit allen Mitgliedern als sogenannte Arbeitsgemeinschaft. Dabei handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Folge der gesamtschuldnerischen Haftung eines jeden Mitglieds der Arbeitsgemeinschaft. Das bedeutet, dass sowohl der Architekt als auch der Landschaftsarchitekt für die Erbringung der Gesamtleistung sowie für mangelhafte Leistungen des jeweils anderen haftet.

Diese ad hoc problematisch erscheinende Haftungsfolge wirft die Frage auf, ob die gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Landschaftsarchitekt im Anschluss an einen interdisziplinären Wettbewerb eine zwangsläufige Folge vergaberechtlicher Vorschriften ist oder ob das Vergaberecht einer solchen möglicherweise sogar entgegensteht.

Gesamtschuldnerische Haftung nirgends Bedingung

§ 8 Abs. 2 RPW sieht für die weitere Beauftragung nach interdisziplinären Wettbewerben ausdrücklich vor, dass bei Bewerbergemeinschaften „die Mitglieder der Bewerbergemeinschaft zu beauftragen“ sind. Daraus ergibt sich, dass mit den Leistungen, die Gegenstand einer weiteren Beauftragung sein sollen, keine anderen Personen beauftragt werden dürfen als die Mitglieder der Bewerbergemeinschaft. Der Regelung lässt sich indes nicht entnehmen, dass diese Beauftragung im Wege eines einheitlichen Vertrags und unter der Bedingung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder der Bewerbergemeinschaft erfolgen müsste.

Preisträger und Bieter müssen identisch sein

Aus § 14 Abs. 4 Nr. 8 Vergabeverordnung (VgV) ergibt sich, dass Teilnehmer eines nach dieser Vorschrift durchgeführten Vergabeverfahrens nur die Preisträger des vorausgegangenen Wettbewerbs sein können. Im Falle einer Bewerbergemeinschaft müssen mithin deren Mitglieder auch gemeinsam als Bieter am Verhandlungsverfahren teilnehmen. Die Teilnahme nur eines Mitglieds oder zusätzlicher Mitglieder ist danach ebenso ausgeschlossen wie der Austausch einzelner Mitglieder. Notwendig ist mithin, dass Bewerbergemeinschaft (Preisträger im Wettbewerb) und Bietergemeinschaft (Teilnehmer im Verhandlungsverfahren) personenidentisch sind.

Dieses Prinzip dient in verfahrensrechtlicher Hinsicht der Sicherstellung und Wahrung der Teilnahmeberechtigung an Wettbewerb und Verhandlungsverfahren.

Gesamtschuldnerische Haftung kein Muss

Weder § 8 Abs. 2 RPW noch § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV enthalten Vorgaben dazu, in welcher Form und zu welchen Bedingungen der Sieger des Verhandlungsverfahrens zu beauftragen ist. Insbesondere lässt sich daraus nicht ableiten, dass eine Bietergemeinschaft im Wege eines einheitlichen Vertrags, der die gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder vorsieht, beauftragt werden müsste. Das verfahrensrechtliche Prinzip der Übereinstimmung von Bewerber- und Bietergemeinschaft wird auch dann gewahrt, wenn mit den jeweiligen Fachdisziplinen gesonderte Verträge abgeschlossen werden.

Bestimmte Rechtsform KANN verlangt werden

Auch aus den allgemeinen Regeln nach den Abschnitten 2 und 6 der VgV lässt sich nicht ableiten, dass der Zuschlag an eine Bietergemeinschaft den Abschluss eines einheitlichen Vertrags verlangt, der unabhängig vom jeweiligen Leistungsanteil eine gesamtschuldnerische Haftung aller Mitglieder der Bietergemeinschaft vorsieht.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 3 VgV „kann“ der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen Bedingungen festlegen, wie Gruppen von Unternehmen „den Auftrag auszuführen haben“. Dies steht indes unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass diese Bedingungen erforderlich sowie durch sachliche Gründe gerechtfertigt und angemessen sind. Ungeachtet dieser Regelungen sieht § 43 Abs. 3 VgV vor, dass der öffentliche Auftraggeber verlangen kann, dass eine Bietergemeinschaft nach Zuschlagserteilung eine bestimmte Rechtsform annimmt, soweit dies für die ordnungsgemäße Durchführung des Auftrags erforderlich ist. Diese Einschränkungen sind Folge des in jedem Vergabeverfahren geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Dass die ordnungsgemäße Ausführung von Architektenleistungen und Leistungen der Landschafts- und Freiraumplanung die gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und Landschaftsplaner bedingen, lässt sich nicht feststellen. Im Gegenteil ist die Erbringung dieser Leistungen auf der Grundlage gesonderter Verträge unter Vereinbarung der in den Leistungsbildern der HOAI erwähnten Koordinations- und Integrationsverpflichtungen die Regel.

Probleme mit Versicherungssschutz

Dass das Verlangen einer gesamtschuldnerischen Haftung von Architekt und Landschaftsarchitekt nicht angemessen ist, folgt auch daraus, dass der Versicherungsschutz regelmäßig auf die eigene Planungsdisziplin beschränkt ist und die Haftung für mangelhafte Planungsleistungen der jeweils anderen Fachdisziplin nicht gedeckt wäre. Nicht zuletzt widerspricht die Beauftragung von Architekt und Landschaftsarchitekt mit einem einheitlichen Vertrag dem Gedanken der Fachlosvergabe (§ 97 Abs. 4 Satz 2 GWB) und dem allgemeinen Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB), da eine gesamtschuldnerische Haftung potenziell geeignet ist, diese von der Teilnahme am Wettbewerb oder Verhandlungsverfahren abzuhalten.

Schlussfolgerung für öffentliche Auftraggeber

Öffentliche Auftraggeber müssen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach einem interdisziplinären Wettbewerb mit den Mitgliedern einer Bewerbergemeinschaft gesonderte Verträge über die Leistungen der jeweiligen Fachdisziplinen abschließen. Die beabsichtigte Vorgehensweise sollte bereits in der Bekanntmachung und Auslobung zum Wettbewerb mitgeteilt werden.

Bernhard Stolz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht (Kraus, Sienz & Partner, München)

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