Ihr Vorsitzender Steffen Wieser, als Theatermann unmittelbare Wirkungskraft gewohnt, musste nach seinem Zuzug vor knapp zwanzig Jahren feststellen, dass das kommunale Kulturleben so brachlag wie seine einstige Stätte in der Hugo-Haase-Straße. Die Idee des Veranstaltungsortes KulturKino wurde geboren, und zusammen mit seiner Stellvertreterin überzeugte Wieser den damaligen Bürgermeister Herbert Ehme, ihnen den Bau zur Verfügung zu stellen. „Die beiden waren so begeistert von ihrer Idee“, erinnert sich Ehme, „dass ich dachte: Egal, ob wir das Kulturhaus heute oder in einem Jahr abreißen, lass die mal wurschteln.“
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Verhalten expressiv
Ein kurzer Rückblick in die Historie: Als „Zwenkauer Lichtspieltheater“ war das Kino 1927 in dem seinerzeit knapp 6.000 Einwohner zählenden Ort eröffnet worden. Ein Fotograf hatte nach langjährigem Betrieb in provisorischen Räumen gewagt, eine dem Massenmedium Film adäquate Vorführstätte mit über 700 Sitzplatzen zu errichten. Der verhalten expressive Entwurf stammte von dem ebenfalls in Zwenkau beheimateten Architekturbüro Harnisch & Germer, das zeitgleich das gegenüberliegende Wohnhaus wie auch wenig später das Kaufhaus in der Hauptstraße errichtete. Neben dem Haus Dr. Rabe weist Zwenkau noch ein Krankenhaus und eine Wohnzeile des thüringischen Architekten Thilo Schoder als Zeugnisse moderner Architektur auf.
Gegenwärtig leben in der von Tagebauseen umgebenen Stadt rund 9.000 Menschen. Mit dem Bau einer Zweifeldturnhalle, die zugleich als Stadthalle dient, gab die Verwaltung 1997 das Kulturhaus dem Abriss preis. Dort liefen schon ab Mitte der 1980er-Jahre keine Filme mehr; der Betrieb bis zum Mauerfall war nicht zuletzt dem Publikum aus dem nahen Leipzig geschuldet, das für dort bereits ausverkaufte Musikveranstaltungen aufs Land kam.
Die symmetrische Eingangsfront des KulturKinos steht selbstbewusst in der Straßenachse. Seine städtebauliche Einordnung als sozialer Ort, die Einfassung des Eingangs und die Gliederung aus dunklem Ziegel, die zeitweise verloren waren, sowie die flach gebogenen Deckenbinder über dem Saal aus Eisenbeton summieren sich zum Denkmalwert des Gebäudes – der bei der Übernahme durch die Kulturinitiative 2003 kaum zu vermuten war, denn Umbauten und Leerstand hatten der Substanz schwer zugesetzt. Retrospektiv betrachtet, war die Initiative geradezu arglos, denn sie widmete sich einer breit gefächerten Kulturstätte, ohne sich die baulichen Voraussetzungen bewusst zu machen.
Die damals rund 40 Vereinsmitglieder, überwiegend Zugezogene wie Wieser, gingen tatkräftig ans Werk, beseitigten den angesammelten Müll und traten dem fortdauernden Vandalismus entgegen. Um die Betriebskosten abzusichern, wurde zunächst der Anbau, in dem eine Hilfsorganisation sowie ein Jugendklub ansässig waren, instand gesetzt und an eine Musikschule und die Volkshochschule vermietet.
Jazz auf der Baustelle
Obwohl der einstige Saal nur provisorisch hergerichtet werden konnte und ab 100 Besuchern eine Brandwache vonnöten war, nahm die Initiative den Notspielbetrieb auf, sodass 2005 das erste Jazzkonzert stattfand. Nach dem Abdichten des Daches im folgenden Jahr wurden die historischen Kassetten der Saaldecke freigelegt; dafür hatten sich die Aktivisten eine Hebebühne übers Wochenende ausgeliehen und spachtelten dann im Schichtbetrieb. Ihr Einsatz wurde durch eine Spende der örtlichen Sparkasse belohnt, die weitere Brandschutzvorkehrungen ermöglichte. Ab Ende 2007 standen dann endlich auch Filmaufführungen im Programm.
Insgesamt wurden von 2006 bis 2011 fast 80.000 Euro Spendengelder überwiegend in Eigenleistung verbaut. Doch substanzielle Maßnahmen wie der Einbau einer Heizung oder neue Fußböden erforderten Fachfirmen. „Unsere Motivation bekam eine Delle“, stellt Wieser rückblickend fest. Keine finanzielle Förderung, keine politische Unterstützung – die Initiative war nahe daran, der Stadt den Schlüssel wieder zurückzugeben.
Aus diesem Tief halfen die Architekten Falk Saalbach und Stefan Schöbel (Saalbach Schöbel Architekten, Leipzig) sowie Tanja und Marcus Korzer (Korzer Architekten, Leipzig) heraus. Ursprünglich waren sie um ein Farbkonzept gebeten worden, doch die Architekten konnten nicht umhin, den Bau als Ganzes zu betrachten. „Der Blick von außen war ein Riesengewinn“, resümiert Wieser heute, „weil die für uns nicht zu überblickenden Maßnahmen geordnet wurden.“ Auf dieser Grundlage und mit der Hilfe der Wüstenrot Haus und Städtebau GmbH konnte bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) ein Antrag auf Förderung aus dem im Stadtumbau Ost integrierten Programm Aufwertung eingereicht werden.
Erst zwei Jahre später wurde der positive Bescheid erteilt, nachdem die Sparkasse den erforderlichen Eigenanteil zugesagt hatte. Zwar waren die bewilligten 500.000 Euro nicht auskömmlich, doch die Berechtigung des Vereins zum Vorsteuerabzug steigerte die Summe deutlich. Weitere 150.000 Euro bewilligte die SAB, nachdem die Veranstaltungsstätte in Gebäudeklasse 5 hochgestuft worden war.
Parkett aus der Sporthalle
Damit konnte sich die Planung konkretisieren. Der Kinosaal erhielt eine neue Proportion, die beiden seitlich gelegenen Zugänge wurden zu einem zentralen Einlass zusammengefasst. Auch technisch wurde etwa mit Fußbodenheizung und Aufführungsanlagen wie auch der baurechtlich auferlegten Lüftung, die sich hinter den Akustikelementen des Saals befinden, erheblich aufgerüstet.
Das begrenzte Budget forderte auch weiterhin Eigeninitiative. So stammt das Parkett auf der Empore aus einer Badmintonhalle; zunächst musste es in einer Werkstatt der Diakonie aufgearbeitet werden, bevor es mithilfe eines Parkettlegers eingebracht werden konnte. Die beiden 35-mm-Filmprojektoren tschechischen Fabrikats wurden in der Leipziger Schaubühne Lindenfels aufgetan.
Im Innern zeigt sich lediglich im Foyer und in den ehemaligen Seitengängen die ursprüngliche Gestaltung. Auch außen verlangte die Denkmalpflege nicht die Schmuckelemente zurück, doch Betreiber und Architekten wollten die beeindruckende Erscheinung des Kinos wiederauferstehen lassen. Da keine Bestandspläne existierten, orientierte sich die Rekonstruktion an Fotografien.
Insgesamt flossen rund 3.000 Stunden von Freiwilligen in Arbeiten wie Putz abschlagen, Estrich herausstemmen, Schutt wegbringen, Wände streichen. In der Schlussphase musste zur Mithilfe aufgerufen werden, um den Eröffnungstermin zu halten. Zusätzlich startete der Verein die Spendenaktion „13 Jahre Plastestühle sind genug“, da Mobiliar nicht gefördert wird. So kamen noch einmal über 55.000 Euro zusammen, die dann auch für Beleuchtung eingesetzt werden konnten.
Der Erfolg gibt der Initiative recht: Das KulturKino wird geschätzt als hochprofessionelles Kino wie auch als gemeinschaftlicher Ort, was die vielen Reservierungen für Hochzeitsfeiern, Jugendweihen und Ähnliches beweisen. Der einst überrumpelte Bürgermeister Ehme sagt stolz: „Das Haus ist eine große Bereicherung für Zwenkau.“ Allerdings mahnt er die Kulturinitiative, nicht nachzulassen: „Vor euch liegt die große Herausforderung, das KulturKino mit Leben zu füllen.“
Das sieht auch Wieser: „Um ein kommunales Haus dieser Größe zu stemmen, brauchen wir zwei Stellen im technischen und kulturellen Bereich. Allein mit Ehrenamtlichen ist das nicht mehr machbar.“ Der von den Stadträten erbetene Wirtschaftsplan für die Jahre 2018 bis 2020, unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Förderanteilen, blieb bislang unbeantwortet. Doch der Schwung trägt erst einmal weiter. Ganz anders als beim Haus Dr. Rabe, das gleichsam in einen Dornröschenschlaf gefallen ist.
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Danke Michael, Danke an die DAB, super Artikel, super Bilder. Das bringt für unser Projekt KulturKino Zwenkau zusätzlichen Schwung und Aufmerksamkeit. Das ist für die vielen Ehrenamtlichen Mitstreiter echt wichtig. Auch gestern konnten wir unser Projekt zum BauHausPicknick im Haus Schminke in Löbau präsentieren. Danke an unsere Architekten Falk Saalbach und Marcus Korzer, ohne Euren professionellen Blick, die Überzeugung vom Projekt und das Standing bis zum Finale, DANKE!