Von Stefan Horschler
Mit der Überarbeitung des Beiblatts 2 der DIN 4108 „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden“ wurde ein längst überfälliger Ersatz für die Ausgabe von 2006 geschaffen. Die neue Fassung enthält jetzt deutlich mehr Planungs- und Ausführungsbeispiele. Statt der ursprünglich 95 sind es jetzt 399, die sich auf 27 Anschlussgruppen verteilen. Die Gliederung der Anschlussgruppen richtet sich wie bisher hauptsächlich nach der Außenwand-Konstruktion: monolithisch, zusätzlich von außen wärmegedämmt und zweischalig sowie Außenwände in Holzleichtbau. Außerdem wurden mit den Kategorien A und B zwei energetische Standards eingeführt. Mit ihnen kann in der energetischen Bilanz entweder wie bisher auf einen Wärmebrückenzuschlag von UWB = 0,05 W/(m²K) gemäß Kategorie A oder auf einen Wert von UWB = 0,03 W/(m²K) gemäß Kategorie B zurückgegriffen werden.
Neu sind außerdem ein erweiterter Gleichwertigkeitsnachweis, der in Kombination mit der DIN V 18599-2 : 2018-09 und voraussichtlich auch über das künftige Gebäudeenergiegesetz mit der DIN V 4108-6 anzuwenden ist, sowie die Zusammenstellung von Rechenregeln für die Gleichwertigkeitsberechnungen und für die detaillierte Berechnung eines objektspezifischen Wärmebrückenzuschlages. Erweitert wurden auch die „Bagatellregeln“ für Wärmebrücken, die bei der energetischen Betrachtung vernachlässigt werden können.
Mehr Anschlussbeispiele
Im Vorfeld der Überarbeitung wurde unter anderem untersucht, in welchen Bauteilsituationen konstruktive (stofflich-geometrische) Wärmebrücken typischerweise vorhanden sind. Neben zahlreichen Variantenbildungen innerhalb derselben bereits bestehenden Anschlussgruppen wurden folgende Anschlusssituationen neu aufgenommen:
- Kellerwandeinbindungen (Horizontalschnitt),
- Tiefgaragendecken an Außenwand,
- untere Terrassentüren,
- vor- oder zurückspringende Geschossdecken (Loggien und Erker),
- Lichtkuppeln, First,
- Pfosten-Riegel und
- Giebelwand an nicht beheiztem Dachraum.
Durch die Ausweitung der Planungsbeispiele wird es künftig eher wahrscheinlich, dass sich in der konkreten Planung nur noch selten Anschlusssituationen wiederfinden, die nicht im Beiblatt 2 dargestellt sind. Für den Fall, dass ein reduzierter Wärmebrückenzuschlag gemäß Beiblatt 2 verwendet wurde und sich ein geplanter Anschluss gar nicht wiederfindet, ist dieser zusätzliche Wärmebrückeneinfluss auf den pauschalen Wärmebrückenzuschlag aufzuschlagen. Es gilt: UWB = UWB + ( · l) / A in W/(m²K).
Zwei energetische Standards
Eine weitere wesentliche Neuerung besteht in der Differenzierung zweier Anschlussqualitäten: Kategorie A und B. Kategorie B ist energetisch (und meist auch feuchteschutztechnisch) höherwertiger und führt zu einem günstigeren pauschalen Wärmebrückenzuschlag. Leider war es nicht für jedes Konstruktionsbeispiel möglich, Lösungen für die Kategorie B zu entwickeln.
Gelingt es, ein Gebäude vollständig analog zu den Planungsbeispielen der Kategorie B zu planen und zu realisieren, darf im energetischen Nachweis nach DIN V 18599-2 der bisherige pauschale Wärmebrückenzuschlag von UWB = 0,05 W/(m²K) (Kategorie A) auf UWB = 0,03 W/(m²K) (Kategorie B) reduziert werden, was insbesondere im energetischen Nachweis von KfW-Effizienzhaus-Nachweisen eine wesentliche Stellschraube darstellen kann. Eine Reduktion des Wärmebrückenzuschlags vom Standardwert UWB = 0,10 W/(m²K) auf UWB = 0,05 oder 0,03 W/(m²K) ist nach DIN V 18599-2 statthaft, wenn ein Abgleich zwischen den zu realisierenden Details und den Beispielen im Beiblatt 2 erfolgt ist und diese gleichwertig sind.
Für den Gleichwertigkeitsnachweis gibt es nach wie vor drei Möglichkeiten. Er kann bildlich oder nummerisch sowie durch den Vergleich mit Wärmebrückenkatalogen erfolgen, die auf den Randbedingungen gemäß Beiblatt 2 basieren.
Da nunmehr für alle dargestellten zweidimensionalen Wärmebrückensituationen Referenzwerte für Psi (ψ) angegeben sind, ist mit dem neuen Beiblatt gewährleistet, dass Abweichungen gegenüber den „Sollwerten“ quantitativ bewertet werden können. Dies war in der Vergangenheit aufgrund fehlender Referenzwerte für Psi (ψ) nicht immer möglich, zum Beispiel beim Balkonanschluss der Nachweis der Gleichwertigkeit im Falle einer nicht thermisch getrennten Balkonplatte.
Für den bildlichen Gleichwertigkeitsnachweis sind mit den Planungs- und Ausführungsbeispielen die Bauteilabmessungen, Materialeigenschaften und das konstruktive Grundprinzip zur Minimierung des Wärmebrückeneinflusses mit dem konkreten Detail abzugleichen. Hier ein Beispiel: Das Überbindemaß mit Dämmstoff als sogenannte Flankendämmung beträgt 50 Zentimeter (Abbildung 1); die Wärmeleitfähigkeiten werden in einer Materiallegende spezifiziert (Tabelle 1). Für Missverständnisse könnte der Umstand sorgen, dass bei außen zusätzlich gedämmten Konstruktionen die Vermaßung der Innenschale entfallen ist. Dies kann bei ungewöhnlichen Schichtdicken der Innenschale dazu führen, dass das Detail dem konstruktiven Grundprinzip zwar entspricht, der Referenzwert jedoch überschritten wird, falls er dennoch einmal nachgerechnet wird. Der Nachweis der Gleichwertigkeit über das bildliche Verfahren ist jedoch in jedem Fall erbracht, wenn alle bildlich dargestellten Bedingungen erfüllt sind.
In einigen Massivbauanschlüssen wurden zur Identifizierung der Materialgruppen nicht wie bisher Schraffuren eingezeichnet, sondern in Anschlüssen, in denen mehrere Materialien denkbar sind, in die entsprechende Fläche lediglich Materialnummern eingetragen. In der Abbildung 1 ist auch erkennbar, dass die Anschlüsse um Wandlösungen mit Stahlbeton ergänzt wurden (Materialnummer 6 in der Abbildung 1). Die im Beiblatt 2 dargestellten Beispiele dienen der Illustration eines wärmebrückenminimierenden Prinzips, jedoch stellen sie kein ausführungsreifes Detail dar, sodass in der Praxis immer eine Modifikation in ein „baubares“ Ganzes erfolgen muss und ein Detail der konkreten Planung konstruktiv angepasst werden muss. Bei Änderung des konstruktiven Aufbauprinzips zur Minimierung der Wärmebrücke sind entweder bildliche oder rechnerische Gleichwertigkeitsberechnungen unter den in Tabelle 2 beispielhaft aufgeführten Rechenrandbedingungen durchzuführen.
Gleichwertigkeitsnachweis
Für den in Abbildung 2 dargestellten Fall ergibt sich eine Abweichung bezogen auf den Referenzwert: Für die Kategorie B wäre ein Wert von ψRef ≤ 0,15 W/(mK) einzuhalten, vorhanden ist jedoch ein Wert von ψvorh= 0,305 W/(mK). Derartige Abweichungen und Überschreitungen bei einzelnen Anschlüssen haben in der Vergangenheit immer wieder die Frage aufgeworfen, wie weiter zu verfahren ist. Bis heute wird behauptet, dass die Überschreitung des Referenzwertes dazu führe, den Wärmebrückenzuschlag pauschal zum Beispiel von UWB = 0,05 W/(m²K) auf 0,10 W/(m²K) zu erhöhen – oder dass alternativ ein detaillierter Wärmebrückennachweis zu führen sei. Beide Fälle können zu sehr unwirtschaftlichen Folgen führen.
Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel wird nicht zuletzt auch im Hinblick auf den in der EnEV § 7 Absatz 2 beschriebenen Grundsatz der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ mitunter außer Acht gelassen. Mit der neuen Ausgabe der DIN V 18599-2: 2018-09 findet sich nunmehr eine ingenieurmäßige Lösung, nach der zu verfahren ist, wenn aufgrund einer konstruktiven Anpassung des Planungsdetails gegenüber dem Planungs- und Ausführungsbeispiel des Beiblatts 2 der DIN 4108 ein höherer -Wert vorliegt. In diesem Fall wird die Überschreitung bezogen auf den Referenzwert auf den pauschalen Wärmebrückenzuschlag addiert: Es gilt: UWB = UWB + ( · l) / A in W/(m²K).
Die Überarbeitung des Beiblatts 2 wurde nicht nur für energetische Gleichwertigkeitsnachweise zu den Kategorien A und B genutzt, sondern auch um die Rechenrandbedingungen für detaillierte Wärmebrückenberechnungen zusammenzufassen. Diese weichen von den Rechenrandbedingungen für Gleichwertigkeitsnachweise ab (Beispiel siehe Kasten).
Ausweitung der Bagatellregeln
Sofern der Mindestwärmeschutz erfüllt ist, gelten für einzelne flächige, linienförmige oder auch punktförmige Wärmebrückensituationen jetzt folgende Bagatelltatbestände:
- bei kleinflächigen Querschnittsänderungen in der wärmetauschenden Hüllfläche, zum Beispiel durch Steckdosen und Leitungsschlitze, Briefkästen etc.,
- bei Durchdringungen wie Holzsparren, Pfetten durch Dämmungen oder durch monolithische Außenwände,
- bei Lüftungsrohren, die die wärmeübertragende Umfassungsfläche durchstoßen (Lüftungsschächte und Abgasanlagen werden aufgrund ihrer komplexen Wirkungsweise nicht berücksichtigt),
- bei einzeln auftretenden Anschlüssen wie Haustür, Kellertür, Tür zum unbeheizten Dachraum, Vordach über Haustür.
Ausblick
Es bleibt zu hoffen, dass die Neuerungen und die vielen zusätzlichen Planungsbeispiele sich auch in der Praxis bewähren und durch die Anwendung des neuen Beiblattes auch weiterhin eine Fortentwicklung erfolgt. Hier sind die Anwender gefragt, sich aktiv an der weiteren Entwicklung zu beteiligen. Im Vorfeld der Überarbeitung des Beiblatts 2 wurden im Rahmen eines Forschungsvorhabens für die Planungs- und Ausführungsbeispiele deren energetische und auch feuchteschutztechnische Qualität zweidimensional, also in der Kante, untersucht. Das Ergebnis: Alle Planungsbeispiele erfüllen das Schimmelpilzkriterium der DIN 4108-2 : 2013-02.
Aus dieser Tatsache kann jedoch nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass die Beispiele auch in der dritten Dimension, also in der Ecke, das Kriterium erfüllen. Daher sollte aus Gründen der Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit in Abhängigkeit von dem zu erwartenden Klima gegebenenfalls im Einzelfall eine erhöhte Oberflächentemperatur in der zweiten Dimension angestrebt werden. So könnten zum Beispiel unter stationären Randbedingungen die in der DIN 4108-2 erwähnten si ≥ 12,6 °C für zweidimensionale Wärmebrücken auf ≥ 15 °C erhöht werden, um entweder in der Raumecke und/oder auch in der Kante mit Möbeln eine ausreichende Funktionssicherheit zu erzielen.
Stefan Horschler ist Inhaber des Büros für Bauphysik in Hannover und hat in seiner Funktion als Mitwirkender an der Normung an der Neufassung des Beiblatts 2 mitgearbeitet
Beispiel
In der Bilanz nach DIN V 18599 wurde ein reduzierter Wärmebrückenzuschlag gemäß Kategorie B von UWB = 0,03 W/(m²K) angesetzt.
ψvorh = 0,305 W/(mK); ψRef ≤ 0,15 W/(mK); Länge des Sockels 45 m;
wärmeübertragende Umfassungsfläche A = 1.800 m²
UWB = 0,03 + [(0,305 — 0,15) · 45] / 1.800
UWB = 0,034 W/(m²K)
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