Zweieinhalb Jahre wurde am Bauhaus Museum Dessau gebaut. 28 Millionen Euro hat es gekostet. (Klicken für mehr Bilder)
Von Heiko Haberle
Überzeugend einfach in seinem gestalterischen und räumlichen Konzept – wenn auch mit Abstrichen bei der Fassade. So präsentiert sich das soeben eröffnete neue Bauhaus Museum in Dessau. Dass es „nur“ vier Jahre nach dem Wettbewerb eröffnet werden konnte und für einen Kulturbau geradezu bescheidene 28 Millionen Euro kostete (je zur Hälfte von Bund und Land getragen) – und damit „nur“ drei Millionen mehr als geschätzt – ist heutzutage schon absolut bemerkenswert. Dass es der erste große Bauauftrag eines jungen Architekturbüros ist, umso mehr. Im offenen Wettbewerb 2015 hatte sich die Architektengruppe González Hinz Zabala aus Barcelona gegen sage und schreibe 830 Mitbewerber durchgesetzt. Ihr Konzept: eine aufgeständerte Blackbox über einem offenen Forum, bestenfalls umhüllt von Faltwänden und Einfachverglasung.
Deutsche Vorschriften aber wenig Geld
Dass das in Deutschland nicht machbar ist, erfuhren addenda architects (Roberto González, Anne Hinz, Cecilia Rodríguez, Arnau Sastre, José Zabala), wie sich das nach dem Erfolg offiziell formierte Büro nun nennt, freilich recht bald. Roberto González spricht bei der Fassade von einem übergeworfenen „Wintermantel“ und erzählt: „In Spanien sind wir Architekten es gewohnt, neue Dinge zu erfinden und auszuprobieren. Wir sind weniger eingeschränkt durch Normen und Vorgaben als in Deutschland.“ Für ihre Ideen mussten die Planer hierzulande und angesichts des knappen Budgets auf vorhandene Lösungen zurückgreifen und auf hochwertige Materialien verzichten. Doch Gonzalez sieht darin Parallelen zum Bauhaus: mit wenig Mitteln viel erreichen. „Nicht im Sinne von Mies van der Rohes ,less is more‘. Für uns galt: ,more with less‘.“
An der Fassade kam also ein standardisiertes Pfosten-Riegel-System in einheitlichem Raster zum Einsatz, das aber durchaus anspruchsvolle Sonderlösungen an den Anschlüssen erforderte (Einen Fachbeitrag zur Fassade, sowie zur Fassade des Bauhaus-Museums Weimar lesen Sie hier). Die Faktoren Zeit und Geld berücksichtigt, wurde die Fassade mit dem größtmöglichen Gebäudeumriss konzipiert. Im Ergebnis konnte das Erdgeschoss größer werden als die flächenmäßig vorgegebene Blackbox und es entstand um sie herum ein wirkungsvoller, gebäudehoher Zwischenraum. In ihm läuft auch ein metallisch beschichteter Wärmeschutzvorhang, der bei Bedarf zugezogen wird. Die Dreifachverglasung erhielt eine Sonnenschutzbedruckung; ganz zum Schluss wurde noch eine Beklebung mit schwarzen vertikalen Streifen erforderlich, weil es bereits zu Vogelschlag gekommen war.
Konfrontation mit der Stadt
Die Transparenz aus dem Wettbewerbsentwurf ist damit dahin und bestenfalls abends macht der Einblick das Prinzip „dunkler Riegel über offenem Erdgeschoss“ sichtbar – schade! Stattdessen spiegelt sich nun die unruhige Umgebung der Dessauer Innenstadt: auf der einen Seite das Grün des Stadtparks, auf den anderen ein Potpourri aus Historismus, Plattenbauten und Nachwende-Einkaufszentrum. Das kann durchaus tieferen Sinn ergeben, denn die Konfrontation der Stadtbesucher mit der Dessauer Realität jenseits der Bauhaus-Blase auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs war gewünscht – zumindest bei einigen Akteuren. Die Standortwahl hatte nämlich für mächtig Streit gesorgt, denn der damalige Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau Philipp Oswalt wünschte sich das Museum direkt am Bauhausgebäude. Letztlich wurde sein Vertrag (auch wegen anderer Aspekte) durch das Land Sachsen-Anhalt nicht verlängert, was zu einer Welle der Empörung führte.
Unten hell, oben dunkel
Trotz allem machen Standort und Architektur Sinn, denn im Inneren geht das Konzept auf: Das von Tageslicht beschienene Forum bietet Ausblicke auf die Stadt und kann als „offene Bühne“ mit wechselnden Veranstaltungen bespielt werden. Das Thema Bauhaus wird mit Leben gefüllt und kann Teil des Stadtlebens werden. Auch die Kunst am Bau, die das Bauhaus aus heutiger Sicht interpretiert, wird hier (so wie es sein soll) zum Teil der Architektur.
Das Energiekonzept des Forums ist einfach gehalten: Über Fassadenklappen gelangt Luft in das Gebäude. Vom Fußboden wird sie temperiert, denn dort führen Leitungen – je nach Jahreszeit – kaltes oder warmes Wasser. Ein Prinzip, das die Architekten aus Spanien übernommen haben und das zusammen mit der Wärmeschutzfassade und den Vorhängen auch hier ausreichen soll.
Fünf Meter über dem belebten Erdgeschoss lastet die 99 Meter lange Blackbox als 2.400 Tonnen schwere Brücke auf zwei Sockeln, die die Erschließung enthalten. 50 Meter werden dabei überspannt. Am Stahlbeton des Riegels sind die Schalungsbretter ablesbar – eine Referenz an den handwerklichen Aspekt des Bauhauses. Die beiden Enden der Box kragen je 18 Meter aus. Sie ragen leicht nach oben und werden sich erst im Laufe der Jahre bis Jahrzehnte durch ihr Eigengewicht in die Horizontale absenken (auch darauf musste die Fassade Rücksicht nehmen).
Unter idealen konservatorischen Voraussetzungen, also klimatisiert und vom Tageslicht abgeschottet, werden in der Blackbox auf 1.500 Quadratmetern über 1.000 Exponate unter dem Titel gezeigt. Die Kuratoren Regina Bittner, Dorothée Brill und Wolfgang Thöner konzentrierten sich unter dem Titel „Versuchsstätte Bauhaus“ auf den Alltag des Bauhauses als Lern-, und Experimentierort in seiner Hochphase in Dessau. Zu sehen sind also viele Schülerarbeiten, Entwürfe, Prototypen und Aufzeichnungen aus dem Unterricht. Die prägnante Ausstellungsarchitektur in dem tatsächlich schwarzen Raum stammt vom Berliner Büro chezweitz (Mehr zur Ausstellung in der Fotostrecke)
Einen Fachbeitrag zur Fassade, sowie zur Fassade des Bauhaus-Museums Weimar lesen Sie hier.
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