Von Christian Glock und Fabian Kaufmann
Von autonomen Fahrzeugen bis zur automatischen Gesichtserkennung mit dem Smartphone: Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt zunehmend alle unsere Lebensbereiche. Im Rahmen von Building Information Modeling (BIM) hat die Anwendung von KI auch beim Planen und Bauen große Potenziale. Ein Teilgebiet der KI ist das „Machine Learning“, zu dessen Anwendungsbereichen das maschinelle Sehen (Computer Vision), die Auswertung von Text- und Audiodaten sowie das Ordnen und Klassifizieren großer Datenmengen zählen.
Häufig wird Machine Learning für die Bild- und Objekterkennung eingesetzt, mit dem Ziel, Bilder hinsichtlich ihres Inhalts korrekt zu interpretieren. Hierfür kann eine spezialisierte Methode aus dem Machine Learning, das sogenannte Supervised Learning (überwachtes Lernen), genutzt werden. Dabei wird ein Algorithmus in einem Trainingsprozess auf zahlreiche Beispiele angewendet, um ihn darauf zu trainieren, welche Daten welcher Klasse zugewiesen werden sollen. Für die Lösung von Bilderkennungsproblemen sind dafür mindestens einige Tausend Beispiele des Objekts nötig, das erkannt werden soll. Um dies auf Aufgaben aus dem Bereich Planung und Bau anwenden zu können, besteht eine Herausforderung folglich darin, entsprechende Trainingsdaten in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Zwar sind allgemeine Datensätze für das Training zum Teil frei verfügbar, diese entsprechen jedoch meist nicht den Anforderungen an konkrete Anwendungsszenarien, weswegen anwendungsspezifische Datasets erst erstellt werden müssen.
Semantische Segmentierung
Eine Anwendung von Machine Learning ist auch dann Erfolg versprechend, wenn große unstrukturierte Datenmengen klassifiziert werden sollen. In den Bereichen Architektur, Planen und Bauen fallen solche großen Datenmengen insbesondere beim Laserscanning von Bauwerken an. Die Geometrie eines gescannten Objekts wird dreidimensional allein durch Punkte repräsentiert, die sich ausschließlich über ihre Koordinaten im Raum verorten und keinen Bauteilbezug besitzen. Einzelne Bauteile, wie zum Beispiel Wände, Stützen, Decken, Türen, Fenster oder Installationen, müssen dementsprechend erst anhand dieser Punkte erkannt und (Bauteil-)Klassen zugeordnet werden. Diese Zuweisung bezeichnet man als semantische Segmentierung. Aufgrund der Analogie der Systematik zur Bild- und Objekterkennung kann hierfür Supervised Learning eingesetzt werden.
Da es sich bei diesen Punktwolken im Gegensatz zu Bildern jedoch um dreidimensionale Daten handelt, müssen die eingesetzten Methoden in der Lage sein, auch darin Muster zu erkennen. Erste Ergebnisse eines laufenden Forschungsprojektes an der TU Kaiserslautern zeigen, dass auch bei Laserscans von realen Bauwerken gute Ergebnisse abgeleitet werden können. Zum Einsatz kommt hierbei eine Methode aus dem Bereich Supervised Learning, die für die semantische Segmentierung von gescannten Innenräumen, also zur Erkennung von Einrichtungsgegenständen, wie zum Beispiel Möbeln, entwickelt wurde.
Für die Erkennung von Bauteilen in Laserscans wird das Training mit einem Dataset durchgeführt, das Laserscans eines Industriegebäudes enthält und dem im Vorfeld manuell die korrekten Bauteilklassen zugewiesen wurden. Dieses Dataset enthält zwölf verschiedene Bauteilklassen und umfasst über zehn Gigabyte Datenvolumen. Nach erfolgtem Training konnten Wände und horizontal verlaufende Rohrleitungen eindeutig erkannt werden, an der Erkennung weiterer Bauteile wird momentan geforscht. Die Qualität hängt dabei wesentlich von der Vorprozessierung sowie der Menge und Qualität der Trainingsdaten ab.
Von der Punktwolke zum BIM-Modell
Die semantische Segmentierung liefert Informationen über die Art des Bauteils (zum Beispiel Wand, Stütze, Decke, Fenster, Rohrleitung). Um ein BIM-Modell erstellen zu können, müssen weitere Informationen wie die Geometrie der Bauteile und Informationen über das Baumaterial ausgewertet werden. Als abschließender Schritt müssen alle maschinell gewonnenen Informationen zu den erfassten Bauteilen in einem BIM-Modell zusammengefasst werden. Ziel ist dabei die automatische Überführung von Punktwolken in BIM-Modelle, auch um effizient Bestandsbauwerke digitalisieren zu können und so die Anwendung von BIM für Planen und Bauen im Bestand zu ermöglichen.
Im Zusammenhang mit KI wird häufig die Frage gestellt, wie viel Autonomie der Maschine eingeräumt werden darf und welche Domänen menschlichem Handeln vorbehalten bleiben sollten. Diese berechtigte Frage gilt es auch für die Anwendung der KI in Architektur, Planen und Bauen zu beantworten. Unbestritten ist, dass die KI-Technologie bereits heute so weit entwickelt ist, dass alle Industriezweige sie nutzen können. Daher ist zu erwarten, dass KI auch im Bereich von Architektur, Planen und Bauen eingesetzt wird. Für die Zukunft ist die Beantwortung der Frage entscheidend, wie in diesem Prozess die gestaltende Rolle des Planers sichergestellt werden kann.
Fabian Kaufmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Bauingenieurwesen der TU Kaiserslautern, Christian Glock ist ebendort Professor für Massivbau
Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Fabian Kaufmann beim BAK-Workshop „Künstliche Intelligenz in der Architektur“, der im November im Berliner Futurium stattfand. Eine Kurzzusammenfassung des Workshops finden Sie als PDF
Ein ganzes Dorf wird gescant
Der Architekturstudent Johannes Kreye von der Hochschule München hat für seine Abschlussarbeit das süditalienische Dorf Barchi in Punktwolken umgewandelt. Er hat Barchi im Ganzen und bis ins Detail vermessen und eine Datei erstellt, die es ermöglicht, das Dorf virtuell zu erleben. Das Projekt umfasst historische Recherchen, Aspekte der Nachhaltigkeit, der Denkmalpflege und Eingriffe in die alten Mauern mit zeitgenössischem Design.
Die Arbeit ist zu sehen auf www.johanneskreye.de
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