Von Heiko Haberle
Einige sind besonders detailreich, andere besonders visionär. Einige muss man entschlüsseln, andere brennen sich sofort ein. Die zwölf besten Zeichnungen aus den drei Kategorien „Handgezeichnet“, „Digital gezeichnet“ oder „Hybrid gezeichnet“ (also beide Techniken kombiniert) laden jedenfalls alle zum genauen Hinsehen ein.
Drawing Prize thematisiert Lockdown
Corona sorgte nicht nur dafür, dass die Bekanntgabe der Sieger etwas verspätet erst im Februar 2021 erfolgte, sondern der Lockdown spielte auch in einigen Zeichnungen eine Rolle, etwa bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Wohnumfeld. So ist der 3D-Schnitt „Here Everywhere: Orchard“ von Hans Vilamayor sowohl vertikal als auch horizontal, als Wohnung oder aber als Büro zu lesen.
Auch die Siegerzeichnung „Apartment #5“ entstand während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020. Clement Laurencio übersetzt damit Erinnerungen an eine Indienreise in einzelne per Hand gezeichnete und sehr detailreiche Grundrisse, Schnitte und Perspektiven. Diese fügt er digital zu einem hochkomplexen System zusammen, das an Escher’sche Darstellungen erinnert.
Der „Airplane Tower“ von Victor Hugo Azevedo und Cheryl Lu Xu soll zwei Probleme zugleich lösen: Die Entsorgung ausrangierter Flugzeuge, die im Zuge der Reiseflaute durch Corona überflüssig geworden sind, und den Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Mit „The Theatre of Fictions“ kombinieren Shahar Cohen und Jerram Rosen Motive aus der Schwerindustrie mit der Utopie einer Unterwasserwelt, bevölkert von Wesen, die aus einem Gemälde Hieronymus Boschs entstammen könnten.
Marc Brousse stellt mit „Dear Hashima“ in einer speziellen Technik, die nur aus vertikalen Strichen besteht, die verlassene japanische Insel Hashima ohne den Meeresspiegel dar. Dabei werden die Verbindungen der oberirdischen Bebauung für die frühere Kohleförderung mit den unterirdischen Schächten und Stollen sichtbar.
Mit „Entombment of Fear“ zeigt Swee Yong das japanische Atomkraftwerk Hamaoka in einem spekulativen Zustand, in dem eine gewaltige Schutzhülle errichtet wird. Unweigerlich entstehen Assoziationen mit Fukuschima und Tschernobyl.
Das „Mechanical Theatre of Smash Palace“ von Jono Yoo zeigt eine dystopische Welt, in der das Auto den Menschen dominiert, symbolisiert durch den Rückspiegel eines Autors als zweite Betrachtungsebene. In die digital erstellte Umgebung integrierte der Künstler handgezeichnete Figuren – die meisten tragen Mund-Nasen-Bedeckungen.
Besonders erklärungsbedürftig scheint Chenglin Jins Diagramm „Re-Reading Metropolis“, das San Franciscos Sunset Dirstict analysiert. Die Zeichnung deckt das verborgene Ökosystem einer Stadt und unsichtbare Verbindungen auf. So soll eine neue Art der Kartierung aber auch eine neue Sichtweise auf unsere Umgebung entstehen.
GEWINNER DIGITAL: Re-Reading Metropolis, Chenglin Jin, University of California, Berkeley (Klicken für weitere Zeichnungen)
Die virtuelle Preisverleihung inklusive Beschreibungen aller zwölf Zeichnungen kann online angeschaut werden. Die Zeichnungen sind außerdem in einer virtuellen Ausstellung zu sehen. Der Architecture Drawing Prize wird seit 2017 vom World Architecture Festival, dem Sir John Soane’s Museum London und dem Architekturbüro make vergeben.
Wir zeigen auch die Arbeiten für den Architecture Drawing Prize 2019 und die besten Architekturzeichnungen des Jahres 2017 als Bildstrecken.
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