Von Andreas Preißing und Iris Kuhn
Ein eigenes Architektur- oder Ingenieurbüro aufzubauen ist für viele eine attraktive Vorstellung. Sich dadurch einen Namen zu machen und eigene Ideen zu verwirklichen sind nur zwei von vielen Motiven. Den Plan, sich selbständig zu machen, fassen die meisten in einer ohnehin geschäftigen Phase des Lebens. Familienplanung, der Bau oder die Renovierung des Eigenheims und eine verantwortungsvolle berufliche Position mit einer 40- oder 50-Stunden-Woche fallen nicht selten zusammen.
Familie, Eigenheim, Beruf: viele Themen gleichzeitig
Aus gutem Grund stellt man sich also die Frage, ob eine Gründung „nebenher“ überhaupt machbar ist. Aber halt! Vielleicht muss es nicht immer eine Neugründung sein. Eine große Chance und gute Alternative bietet die Unternehmensnachfolge in Form einer Büroübernahme oder der Einstieg als Partner in ein bestehendes Büro. Die Anzahl der Senior-Unternehmer, bei denen ein Generationenwechsel ansteht, hat in den letzten Jahren, u.a. begründet durch den demografischen Wandel, deutlich zugenommen. Die wenigsten Inhaber wollen ihr Unternehmen schließen, sondern ihr Lebenswerk und die Mitarbeiter in gute und fähige Hände übergeben wissen.
Neugründung: Voraussetzungen schaffen und mutig umsetzen
Also lieber gründen oder übernehmen? Beide Wege bieten Vorteile und Nachteile und Sie sollten herausfinden, welcher zu Ihrer Persönlichkeit und Ihren Fähigkeiten passt. Ein wichtiges Motiv, das Nachwuchs-Unternehmer zur Gründung bewegt, liegt in der Selbstverwirklichung, also der Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen und Ideen umsetzen zu können. Der Gestaltungsspielraum bei einer Neugründung scheint riesig. Von der Geschäftsidee, der Rechtsform, einer Strategie zur Marktpositionierung sowie der Unternehmensvision bis hin zu Büroorganisation, IT, Marketingstrategie und Corporate Identity gibt es viel zu bedenken. Kreativität und Geschäftssinn sind gefragt, Entscheidungsfreude nicht minder.
All diese Themen sind gut vorzubereiten, bevor man am Markt sichtbar wird, und werden idealerweise in einem Business Plan festgehalten und begründet. Sein Vorhaben zu verschriftlichen, ist ein wichtiger Teil des Aufbauprozesses. Indem Überlegungen ausformuliert werden, findet man sein „warum“. Zu wissen, aus welcher Motivation man handelt ist essenziell, um professionell und sicher argumentieren zu können, sobald man in Kontakt mit möglichen Auftraggebern tritt.
Planen mit Zahlen: Zeitplanung, Finanzen, Rentabilität
Genauso wichtig, jedoch etwas kniffliger, weil abstrakter, ist eine Perspektive, die in Zahlen dargestellt wird. Überlegungen zu Zeit- und Finanzplanung, Kapitalbedarf und Rentabilitätsvorschau sind anzustellen. Für einen Startkredit ist einer Bank darzulegen, ab wann sich das Vorhaben lohnt, ob es wirtschaftlich tragfähig und die monatliche finanzielle Belastung zu stemmen ist. Eine betriebswirtschaftliche Vorausschau ermöglicht außerdem nach der Anlaufphase positive wie negative Planabweichungen festzustellen, um zeitnah darauf reagieren zu können. Kombiniert mit einer vorherigen Risikoanalyse, die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der Gründung bewusst macht und sich daraus ableitende Maßnahmen festhält, wird die Wahrscheinlichkeit unvorhergesehener Überraschungen minimiert.
Persönliche Voraussetzungen: Risikobereitschaft, Kommunikation, Selbstbewusstsein
Führungsqualitäten werden nicht nur bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter, sondern auch im Außenauftritt und in Verhandlungen mit Kunden gefordert. Um ein Netzwerk aufzubauen und in der Akquise erfolgreich zu sein, sind kommunikative Fähigkeiten notwendig. Mit der Selbstständigkeit kommen anspruchsvolle Aufgaben auf Gründer zu. Ausdauer, Disziplin, Lernfähigkeit, Risikobereitschaft und Selbstbewusstsein sollten im persönlichen Kompetenzrepertoire vorhanden sein. Gründet man im Team, können eventuelle Schwächen leichter ausgeglichen und die gegenseitige Ergänzung als Bereicherung gesehen werden.
Übernahme: Möglichkeiten ausloten und den Übergang gestalten
Arbeitet man nicht in einem Planungsbüro, in dem sich in Abstimmung mit dem Inhaber die Chance einer Partnerschaft und späteren Übernahme abzeichnet, kann man über Unternehmensbörsen nach einem passenden Unternehmen suchen. Nachdem der Kontakt zu einem fachlich und räumlich passenden Büro aufgebaut ist, die Chemie stimmt und beidseitiges Interesse besteht, weitere Schritte miteinander zu gehen, gilt es offen zu kommunizieren und sämtliche relevanten Bereiche wie Kaufpreis, Übergangszeit, Vertragskonditionen oder Haftungsfragen zu diskutieren.
Das passiert nicht innerhalb eines Tages, schließlich geht es oft um die Übergabe eines Lebenswerkes, für dessen Leistung der Übergeber sich entsprechende Wertschätzung wünscht. Dieser Prozess bedarf der einfühlsamen Moderation und Begleitung, um beide Seiten zu verstehen und in Einklang zu bringen.
Was bei der Übernahme für den Übergeber wichtig ist
Übergeberseitig wird von Interesse sein, welche Vorkenntnisse, Erfahrungen und unternehmerischen Fähigkeiten der potenzielle Übernehmer mitbringt. Wird dieser in der Lage sein, das über Jahre aufgebaute Büro in wirtschaftlichen Hochphasen voranzubringen und in schlechteren Phasen strategisches Krisenmanagement zu betreiben? Bringt derjenige eine Vision und Erfolgsstrategien mit, die in das bestehende Büro adaptiert werden können? Wird das Büro im Sinne des Firmeninhabers weitergeführt?
Was bei der Übernahme für den Übernehmer wichtig ist
Für den Übernehmer stellen sich in gleicher Weise eine ganze Reihe an Fragen. Wie sind das Büro und die Arbeitsprozesse organisiert, wie ist die Altersstruktur und wie funktioniert das Teamgefüge? Übernimmt man ein gesundes Unternehmen mit stabiler Ertragslage? Gibt es eine gemeinsame Übergangszeit und wie gestaltet sich in dieser die Rollenverteilung? Eine professionelle Begleitung und Moderation können nicht nur bei der Verhandlung des Kaufpreises für beide Parteien von Vorteil sein. Denn die Erwartungshaltung ist auf allen Seiten groß und das Vertrauen muss erst wachsen.
Langsam loslassen: vom Inhaber zum Ratgeber
Der Büroeigentümer sollte versuchen, Verantwortung sukzessive zu übertragen und Entscheidungen abzugeben. Wem es gelingt, in der neuen Konstellation die Haltung eines Mentors einzunehmen und von seiner früheren Aufgabe des Entscheiders langsam loszulassen, kann durch seinen Erfahrungsreichtum als Berater und Ratgeber Einfluss nehmen und fördert gleichzeitig die unternehmerischen Fähigkeiten seines Nachfolgers. Autorität wird auf den Nachfolger übertragen und je geschlossener das Übergerber-Übernehmer-Gespann in der Phase „dazwischen“ auftritt, desto größer ist die Akzeptanz im Team. So entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Ein Mentor kann auch unabhängig von dem übergebenden Büro gesucht werden. Kammern und Verbände vermitteln Mentorinnen und Mentoren, darüber hinaus besteht die Möglichkeit, geförderte Beratungen für Übernahmevorhaben, Beteiligungen und Neugründungen zu beantragen.
Ins kalte Wasser springen? Besser Argumente abwägen
Bei einer Gründung können Planer langsam in die Rolle des Unternehmers hineinwachsen. Während hier viel Zeit in die Vorbereitungsphase fließt und der wirtschaftliche Erfolg schwer vorherzusagen ist, liegt die Herausforderung bei einer Büroübernahme darin, sich in ein bestehendes Konstrukt einzufügen, den wirtschaftlichen Stand mindestens zu erhalten und verschiedene Interessen miteinander zu verbinden. Dabei wird verlangt, dass man unmittelbar als Führungskraft funktioniert.
In beiden Fällen sind neben fachlichen Voraussetzungen, die man als Architekt oder Ingenieur mitbringen muss, ein gewisses Maß an betriebswirtschaftlichem Wissen und Eigenschaften einer Unternehmerpersönlichkeit unabdingbar. Wer in einem dieser Bereiche noch nicht perfekt vorbereitet ist, findet Fortbildungsangebote in Form von Seminaren oder Workshops u.a. bei den Architektenkammern und Weiterbildungsträgern.
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Nachfolgebörse, Checklisten, Selbsttests, Coaching
Büroinhaber und potenzielle Nachfolger werden zusammengebracht auf www.nachfolge-boerse.de
Im Vorfeld sollte man sich mit der grundsätzlichen Frage beschäftigen, ob man überhaupt ein Unternehmertyp ist und die persönlichen Voraussetzungen dafür mitbringt. Direktes und meist ehrliches Feedback bekommt man im privaten Umfeld oder über Checklisten und Selbsttests, zum Beispiel mit diesem Gründertest des Bundeswirtschaftsministeriums.
Wer seine soft skills professionalisieren möchten, kann sich in spezialisierten Trainings zum Thema Unternehmerpersönlichkeit schulen lassen, etwa bei viewchanger.de. Auf Architeken mit dem Wunsch zur Selbstständigkeit spezialisiert ist das Coaching-Angebot von Architects & Mentors.
Andreas Preißing ist Vorstand der Dr.-Ing. Preißing AG, einer Unternehmerberatung für Architekten und Ingenieure, spezialisiert auf Bürobewertung, Nachfolgeregelung und Bürovermittlung sowie Betreiberin von www.nachfolge-boerse.de.
Iris Kuhn ist als Projektleiterin bei der Dr.-Ing. Preißing AG zuständig für Marketing und Büroentwicklung
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