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Architektenvertrag: BGH-Urteil definiert Leistung und Erfolg

Beinahe im Vorübergehen hat der Bundes­gerichtshof die von Architekten geschuldete Leistung neu definiert und in erfreulicher Weise präzisiert

01.03.20217 Min. 1 Kommentar schreiben

Dieser Beitrag  ist unter dem Titel „Erfolg neu definiert“ im Deutschen Architektenblatt 03.2021 erschienen.

Von Sven Kerkhoff

Jahrzehntelang schienen beim Thema Architektenvertrag die Grundsätze wie in Stein gemeißelt zu sein: Schon 1959 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, beim klassischen Planervertrag handele es sich um einen Werkvertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Architektinnen und Architekten schuldeten ihren Auftraggebern damit nicht die fachgerechte Erbringung einer Dienstleistung, wie es etwa bei Rechtsanwältinnen oder Ärzten der Fall ist, sondern einen konkreten Erfolg (BGHZ 31, 224–229).

Architektenvertrag verspricht „dauerhaft genehmigungsfähige Planung“

Wenngleich sich die Einzelheiten dieses Erfolgs stets nach dem konkreten Vertragsinhalt bestimmen, so gab es doch zwei Eckpfeiler: Demnach soll in den Leistungsphasen 1 bis 4 eine „dauerhaft genehmigungsfähige Planung“ (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, Az.: VII ZR 8/10) geschuldet sein, sofern nicht der Bauherr vertraglich ausdrücklich das Risiko der Genehmigungsfähigkeit übernimmt. Im Zuge der Bauausführung habe der Architekt sodann „dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entsteht und zur Vollendung kommt“ (BGHZ 31, 224–229). Kritik sowohl an der Einordnung des Architektenvertrags als Werkvertrag wie auch an der Bestimmung des vermeintlich geschuldeten Leistungserfolgs bei der Bauausführung gab es zwar schon immer, doch fand sie in Rechtsprechung und Gesetzgebung kaum Gehör.

Werkvertrag und Werkerfolg

Jetzt aber kommt neue Bewegung in die Sache. Dazu trägt womöglich auch das zum 1. Januar 2018 in Kraft getretene Planervertragsrecht im BGB bei. Dieses ordnet den Architektenvertrag zwar weiterhin dem Werkvertragsrecht zu, lässt aber erkennen, dass es sich um einen besonderen, eben lediglich werkvertragsähnlichen Typus handelt, der nach einer differenzierten Betrachtung verlangt (vgl. Schnepel, in: Kraushaar/Zimmermann, BKI-Kommentar zum neuen Architektenvertragsrecht, S. 12). Der Vertrag ist also weiterhin von seinem Erfolgsbezug gekennzeichnet, was vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so gewollt war. Zugleich aber wird deutlich, dass, anders als etwa beim Werkvertrag über die Herstellung eines Möbelstücks, der Werkerfolg noch nicht von vornherein in allen Einzelheiten feststeht, sondern im Laufe des Planungsprozesses erst nach und nach von den Vertragspartnern konkretisiert wird.

Schadensersatzfragen als Auslöser

Ob dies die aktuelle Kehrtwende in der Rechtsprechung des BGH zur Definition des (End-)Erfolgs bei der Bauausführung mitbeeinflusst hat, ist allerdings unklar. Die Kehrtwende hat mit einem Beschluss vom 8. Oktober 2020 (Az.: VII ARZ 1/20) stattgefunden. Hierin widmete sich der für das Bau- und Architektenrecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH eigentlich einem ganz anderen Thema: Im Kern ging es um die Frage, ob der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers im Werkvertragsrecht über fiktive Mängelbeseitigungskosten berechnet werden darf – der Auftraggeber also die mutmaßlichen Kosten der Mängelbeseitigung einfordern kann, unabhängig davon, ob er den Mangel auch tatsächlich beseitigen lässt.

Hierzu hatte der Senat schon 2018 geurteilt, eine solche Schadensberechnung sei bei Bauverträgen – anders als etwa bei Kaufverträgen – unzulässig (siehe „Fiktiver Schaden nicht ersetzt“). Sie könne zu einer Überkompensation des Schadens führen und vom Auftraggeber missbraucht werden, um eine „dritte Säule“ zur Finanzierung seines Bauvorhabens zu etablieren, nämlich indem der Mangel bestehen bleibe und die Kosten der Mängelbeseitigung einbehalten würden. Der Bauherr sei deshalb darauf verwiesen, allenfalls einen Vorschussanspruch geltend zu machen, über den später auf Basis der Kosten der dann auch tatsächlich durchgeführten Mängelbeseitigung abzurechnen sei. Der Bauherr hingegen, der den Mangel nicht beseitigen lasse, könne lediglich den mangelbedingten Minderwert des Bauwerkes als Schaden ersetzt verlangen.

Architektenvertrag verspricht keine Mängelfreiheit

Der Senat betont nun, dies gelte nicht nur für Bauverträge, sondern auch für Schadensersatzansprüche aus Architektenverträgen, und führt weiter aus: „Der Architektenvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt eine Planungs- oder Überwachungsleistung verspricht, die als Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks geeignet ist. Er verspricht dagegen nicht, dass das Bauwerk tatsächlich mangelfrei errichtet wird.“

Ein knapper Satz, der unabhängig vom konkreten Kontext aufhorchen lässt, macht er doch deutlich, dass eben gerade nicht das Entstehenlassen eines mangelfreien Bauwerks geschuldet ist, wie es zuvor stets hieß. Manch einer erblickt in dieser Passage daher gar eine „Revolution in der Rechtsprechung“ (Fuchs, IBR 2020, S. 644).

Neue Definition als Revolution?

Doch welche konkrete Bedeutung ist der neuen Formulierung beizumessen? Dies ist nicht ganz leicht auszumachen. Die Entscheidung beinhaltet keine expliziten Ausführungen dazu, ob und gegebenenfalls warum die Aufgabe der herkömmlichen Definition beabsichtigt war. Die jetzt verwandte Formulierung stellt jedoch in jedem Fall eine begrüßenswerte Abkehr von der allzu pauschalen Aussage dar, der bauleitende Architekt habe dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entsteht.

Diese alte Definition konnte an sich spätestens keine Geltung mehr beanspruchen, seitdem der BGH 2017 festgestellt hatte, dass dem Bauherrn bis zur Abnahme einer Werkleistung überhaupt keine Mängelrechte zustehen, sondern ein Anspruch auf Erfüllung (siehe „Keine Mängelrechte vor Abnahme“). Geht man hiervon aus, kann eine Architektin selbst bei Ausschöpfung aller Mittel, korrekter Planung und sorgfältigster Bauüberwachung letztlich nicht verhindern, dass zunächst womöglich eine mangelhafte Bauausführung erfolgt.

Keine Revolution, sondern Klarstellung zum Architektenvertrag

Die neue Definition ist vor diesem Hintergrund wie auch infolge der Einführung eines speziellen Planervertragsrechts konsequent. Sie wird in erster Linie zur Klarstellung dienlich sein können, dass die Haftung des bauüberwachenden Architekten eben nicht garantieähnlich unabhängig von eigenem Verschulden – also etwa Fahrlässigkeit – ist, sondern sich darauf beschränkt, für Unzulänglichkeiten in der eigenen Überwachungstätigkeit einstehen zu müssen.

Zwar hatte der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1959 durchaus bereits darauf hingewiesen, es sei keineswegs so, dass der Architekt für jeden Mangel des Bauwerks unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung aufzukommen hätte. Dennoch wurde die Formulierung, es werde das Entstehenlassen eines mangelfreien Bauwerks geschuldet, von Bauherren, ihren Anwälten, aber auch von den Instanzgerichten vielfach dahingehend missverstanden. Die reflexhafte Schlussfolgerung war dann oft: Baumangel = Architektenhaftung. Damit dürfte nun Schluss sein.

Gesamtschuldnerische Haftung bleibt – vorerst

Fraglich ist hingegen, ob die neue Definition noch weiter gehende Auswirkungen haben wird. Zu denken wäre hier an das Thema der gesamtschuldnerischen Haftung zwischen bauausführendem Unternehmen und (unzureichend) bauüberwachendem Architekten. Eine Gesamtschuld kann eigentlich nur bestehen, wenn zwei die gleiche (!) Leistung schulden (§ 421 BGB). Hieran könnten mit der neuen Definition des Leistungserfolgs verstärkt Zweifel bestehen: Mit ihr ist hervorgehoben, dass der Architekt im Gegensatz zum Bauunternehmer eben kein mangelfreies Objekt schuldet, sondern eine mangelfreie Planungs- und Überwachungsleistung.

Gleichwohl hat der VII. Zivilsenat in seinem Beschluss auch deutlich gemacht, an der Gesamtschuld nicht rütteln zu wollen. Dies deshalb, weil die Verpflichtungen des Architekten und des Bauunternehmers zum einen durch eine enge Zweckgemeinschaft verbunden seien, die auf die plangerechte und mangelfreie Errichtung des Bauwerks ziele. Ihnen wohne zum anderen eine besonders enge Verwandtschaft inne, weil ihre inhaltliche Verschiedenheit hart an der Grenze zur inhaltlichen Gleichheit (Identität) liege.

Die gesamtschuldnerische Haftung, von der auch der Gesetzgeber zuletzt ausdrücklich ausgegangen ist und die er daher mit dem neuen § 650 t BGB (Vorrang der Nachbesserungsaufforderung an den Bauunternehmer) aufrechterhalten und zugleich entschärfen wollte, bleibt also wohl vorerst unangetastet. Die neue BGH-Rechtsprechung sollte für den Gesetzgeber aber Anlass sein, zu prüfen, ob § 650 t BGB in seiner jetzigen Form wirklich geeignet ist, die überbordende Belastung von Architektinnen und Architekten aus dieser gesamtschuldnerischen, jedoch eben nicht gleich gelagerten Haftung angemessen zu begrenzen.

Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen

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