Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Freischaffend heißt unabhängig“ im Deutschen Architektenblatt 04.2021 erschienen.
Von Fritz Sommerwerk
Viele Architektengesetze der Bundesländer oder Kammersatzungen nehmen bei der erstmaligen Eintragung die jeweilige Beschäftigungsart in die Architektenliste beziehungsweise in das entsprechende Verzeichnis auf und aktualisieren diese, wenn das Mitglied die Beschäftigung wechselt. Teilweise sehen die Regelwerke der Kammern den Zusatz „freischaffend“ oder „frei“ vor, der dann auch gesetzlich besonders geschützt ist. Alternativ in Betracht kommen: angestellt, beamtet und – außer beispielsweise in Nordrhein-Westfalen – baugewerblich.
Was ist ein freischaffender Architekt?
Es mag zunächst wie eine Kleinigkeit klingen, wenn es heißt, eine Architektin ist als „freischaffend“ in der Mitgliederliste eingetragen. Doch was bedeutet „freischaffend“ eigentlich? Diese Beschäftigungsart setzt eine ausschließlich eigenverantwortliche und unabhängige Tätigkeit voraus. „Freischaffend“ bedeutet, dass bei der Ausführung des Berufes weder eigene noch fremde Produktions-, Handels- oder Lieferinteressen verfolgt werden dürfen, die im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehen (zum Beispiel als Bauunternehmer, Makler oder Baustofflieferant). Zentraler Gedanke des freischaffenden Status ist demnach die Pflicht zur Unabhängigkeit. Eine freischaffende Architektin muss also ausschließlich Sachwalterin ihrer Auftraggeberin sein.
Ein aktueller Fall macht deutlich, welche Konsequenzen drohen, wenn entgegen der Pflicht zur Unabhängigkeit tatsächlich eine „baugewerbliche Tätigkeit“ ausgeübt wird, die Eintragung bei der Architektenkammer also unzutreffend ist.
Konkreter Fall: Geschäfstführerin einer Bau-GmbH
Damit musste sich das Oberlandesgericht Oldenburg (Az.: 6 U 254/19) beschäftigen: Ein Mitglied war bei der Architektenkammer mit dem Zusatz „freischaffend“ eingetragen. Allerdings hatte die Architektin gegenüber der Architektenkammer versäumt, mitzuteilen, dass sie zwischenzeitlich Geschäftsführerin einer Bau-GmbH geworden war und somit einer gewerblichen Betätigung mit Kollisionspotenzial nachging. Hiervon erhielt ein anderer freischaffender Architekt Kenntnis. Er forderte die Mitbewerberin wettbewerbsrechtlich auf, jegliche baugewerbliche Tätigkeit zu unterlassen, solange sie in der Liste der Architektenkammer als „freischaffend“ eingetragen ist, wobei die Auseinandersetzung zu Gericht ging.
Gewerblich tätige Architektin: unlauterer Wettbewerb
Das Oberlandesgericht gab der Klage statt, die Beklagte dürfe nicht gleichzeitig als „freischaffend“ eingetragen sein und baugewerblich tätig werden. Tue sie es doch, so begehe sie eine unzulässige geschäftliche Handlung. Für das Wirtschaftsleben sei es – schon aus Verbraucherschutzgründen – notwendig, diejenigen Architekten erkennen zu können, die ihre Leistungen ohne Bindung an Bauunternehmen erbringen und ausschließlich das Wohl der Auftraggeberin im Auge haben. Schließlich stünden der klagende Architekt und die beklagte Architektin in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, da beide typische Architekturleistungen anbieten. Deswegen stehe dem Architekten der Unterlassungsanspruch zu.
Berufsrecht: Verstoß gegen Berufspflichten
Außerdem hat die Architektin gegen ihre Berufspflichten aus dem Architektengesetz verstoßen. In dem Beispielfall galt § 37 Abs. 3 Niedersächsisches Architektengesetz, der bestimmt, dass sich ein freischaffendes Kammermitglied berufswidrig verhält, wenn es die Pflicht zur unabhängigen Berufsausübung missachtet. Derartige Verstöße gegen das Berufsrecht können in einem berufsgerichtlichen Verfahren geahndet werden – in Niedersachsen mit Geldbußen bis zu 15.000 Euro.
Bauherren sollen bei Auftragserteilung erkennen können, ob ein Architekt sie frei von Einflüssen und speziellen Interessen berät und betreut oder ob er aufgrund eigener gewerblicher Ziele in seiner Unabhängigkeit beschränkt ist. Die freischaffende Architektin durfte sich folglich in keiner Weise baugewerblich betätigen, da die erforderliche Unabhängigkeit und treuhänderische Sachwalterschaft nicht mehr gewahrt war. Sie muss bei der Abwicklung eines Auftrags von allen materiellen Interessen frei sein, die über ihren Honoraranspruch hinausgehen.
Interesse der Verbraucher beeinträchtigt
Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Mitglied selbst die Beschäftigungsart nach außen kundtut; es reicht vielmehr der Umstand, dass sie bei der zuständigen Kammer hinterlegt ist und erfragt werden kann. Da die Architektin im Beispielfall allerdings den Beschäftigungsstatus nicht rechtzeitig geändert hatte, trat sie in Konkurrenz zu anderen freischaffenden Architekten und hat die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt.
Diese Ausführungen in wettbewerbsrechtlicher und berufsrechtlicher Hinsicht gelten in dieser Konsequenz nicht für Nordrhein-Westfalen. Aber auch da ist es erforderlich, dass die Inhaberschaft oder Beteiligung an einem gewerblichen Unternehmen aus Verbraucherschutzgründen gegenüber dem Bauherrn offengelegt wird.
Zudem knüpfen einige Kammer-Regelwerke an den Beschäftigungsstatus weitere Folgen – etwa dort, wo Gremien paritätisch besetzt werden müssen, damit alle Berufsgruppen vertreten sind, oder wo alle freischaffenden Mitglieder eine Versicherung vorhalten müssen.
Architektenkammer über Tätigkeit schnell informieren
Deswegen ist es allen Kammermitgliedern anzuraten, ihren Mitteilungspflichten gegenüber der Architektenkammer unverzüglich nachzukommen: sei es eine Adressänderung oder eben die Änderung des Beschäftigungsstatus. Bei Unsicherheiten, was anzuzeigen ist, wann und wie und welche regionalen Gepflogenheiten gelten, beraten die Kammern ihre Mitglieder. So kann es bei einem Wechsel von einer angestellten zu einer selbstständigen Tätigkeit zu Überschneidungen oder Unklarheiten kommen, die sich am besten im Gespräch lösen lassen.
Fritz Sommerwerk ist Syndikusrechtsanwalt und Referent in der Architektenkammer Niedersachsen
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