Von Fabian P. Dahinten
Stell dir vor, du hast bis zu deinem 18. Lebensjahr nicht gewusst, dass es in Deutschland den Bundestag gibt und dass er ein wichtiges Machtzentrum ist. In diesem Fall hätte die Schulbildung auf voller Linie versagt. Dies ist ein wenig überspitzt, doch so ähnlich ging es mir mit einer der wichtigsten Grundinformationen über die Länderarchitektenkammern. Ich wusste bis kurz vor meinem Masterabschluss tatsächlich nicht, dass alle Kammermitglieder alle fünf Jahre die Vertreterversammlung wählen.
Demokratie und Föderalismus
Rund 135.000 eingetragene Architekt*innen, Innenarchitekt*innen, Landschaft architekt*innen und Stadtplaner*innen gibt es in Deutschland. Mtglieder sind sie jeweils in ihrer Länderarchitektenkammer. Da es davon 16 gibt, gibt es auch 16 unterschiedliche Kammerparlamente, deren Zusammensetzung in regelmäßigen Abständen von den Mitgliedern bestimmt wird.
Zuletzt wurde in Berlin, davor in Bayern und davor in Nordrhein-Westfalen (NRW) gewählt. Anhand der Architektenkammerwahl in NRW Ende 2020 möchte ich einmal das wichtigste Grundwissen zur Demokratie in der Kammerwelt zusammentragen. Mit gut 31.000 Mitgliedern ist die Architektenkammer in NRW deutschlandweit die größte.
Verteilung auf vier Fachrichtungen
Die Vertreterversammlung in NRW beispielweise hat 201 Plätze. Zunächst werden diese prozentual nach den einzelnen Kammerdisziplinen aufgeteilt: Architektur 165 Sitze, Innenarchitektur 13 Sitze, Landschaftsarchitektur zwölf Sitze und Stadtplanung elf Sitze. Diese Verteilung orientiert sich an der Menge der in der jeweiligen Kammer eingetragenen Mitglieder und ihrer Fachdisziplinen. Damit wird auch schon deutlich, welche Fachrichtung den Ton angibt.
Verbände und Listen sind die „Parteien“
BDB, BDA, ai nw oder VAA: das sind stärksten Listen in NRW. Sie sind quasi die größten „Parteien“ und können dadurch ebenfalls die Richtung der Länderkammer in NRW stark prägen. Interessant ist dabei, dass es Listen gibt, die nur von einer Fachdisziplin gewählt werden können. So wählen ausschließlich Innenarchitekt*innen die Liste BDIA. Zudem gibt es Listen, die in allen Fachdisziplinen antreten, wie zum Beispiel die Liste ai nw. Am Ende werden jedoch alle Sitze zusammengezählt.
Präsidium, Vorstand und „Koalitionsverhandlungen“
Nun ist es am Ende genau wie in der „großen“ Politik. Nach der Wahl treffen die größten Listen zusammen und verhandeln die Besetzungen der Ausschüsse, Gremien und vor allem des Präsidiums und des Vorstandes untereinander aus. Daher ist es am Ende keine Überraschung, dass das Präsidium mit Personen aus den vier größten Listen besteht: denen der BDB (40 Sitze), der BDA (32 Sitze), der ai nw (30 Sitze) und der VAA (24 Sitze) . Zusammen haben diese Listen 126 Sitze (63 Prozent) der 201 Sitze – und damit die Mehrheit in der Vertreterversammlung.
Es ließe sich noch viel mehr über die Wahlen, die Vertreterversammlungen und die Kammerstrukturen schreiben. Doch um zu verstehen, dass die Kammern im Grunde sehr demokratisch aufgebaut sind, reicht mein kleiner Überblick sicher aus. Vielleicht sind gerade diese demokratischen und föderalistischen Strukturen der Grund, wieso manchmal die Welt der Länderarchitektenkammern etwas undurchschaubar wirkt. Dabei beruhen sie auf Teilnahme und Teilhabe und je mehr ich über die Kammern und ihre Strukturen erfahre, desto klarer wird: Mitmachen erwünscht!
In der nächsten Kolumne wechsle ich auf die Bundesebene und erkläre, welche Funktion die Bundesarchitektenkammer hat und wer dort vertreten ist.
Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt startet nun ins Berufsleben und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.
Hier findet ihr alle Nachwuchs-Kolumnen von Fabian.
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