Dieser Beitrag ist unter dem Titel „In der Reihe tanzen“ im Deutschen Architektenblatt 08.2021 erschienen.
Reihenhäuser wurden als Wohnform bisher meist unterschätzt. Rund 70 Prozent aller Familien in Deutschland sehen ihren Wohntraum nach wie vor im freistehenden Haus mit Garten auf allen vier Seiten. Doch die Vorteile von Reihenhäusern sind heute sowohl aus ökologischen als auch aus Kostengründen nicht mehr zu übersehen: Reihenhäuser beanspruchen weniger Baufläche als Einfamilienhäuser, sie sind kostengünstiger und sie bieten den seltenen Vorteil, innerstädtisches Wohnen mit Gartennutzung verbinden zu können. Nennt man sie nicht Reihenhäuser, sondern zum Beispiel „Townhouses“, sind sie denn auch plötzlich chic.
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Reihenhäuser eher im Norden
Reihenhäuser sind auch nicht gleich Reihenhäuser. Es gibt Varianten und Typen sowie eine Geschichte, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Ihr regionaler Schwerpunkt waren meist nördliche Länder und Regionen (Niederlande, England, Belgien, Norddeutschland), in denen man wohl auch aus religiös-weltanschaulichen Gründen sparsamer mit Geld und Platz umzugehen gewohnt war. Viele Exemplare sind nun in die Jahre gekommen – ihre Erneuerungen zeigen, wie viel Potenzial in diesem platzsparenden Bautypus gerade heute stecken kann. „Die Modernisierungen dieses Gebäudetyps machen deutlich, dass man auf begrenztem Raum heute auch gehobenen Wohnansprüchen gerecht werden kann“, so Ute Maasberg von der Architektenkammer Niedersachsen, die sich für die Ausstellung „Wachgeküsst“ einen Überblick über aktuelle Reihenhausumbauten im Norden der Republik verschafft hat.
Bremen: Das 2-Familien-Reihenhaus
Theis Janssen, der selbst in einem Reihenhaus wohnt, hat sich als Architekt auf solche Sanierungen spezialisiert. Er liebt die sogenannten Altbremer Reihenhäuser, die in verschiedenen historischen Stilformen heute noch die gründerzeitlichen Straßenzüge der Hansestadt säumen. Sie bieten aus seiner Sicht eine Vielzahl an Möglichkeiten, beispielsweise Innen- und Außenraum zu verbinden. Sein Projekt BS 41 in der Braunschweiger Straße bestand eigentlich „nur“ in der Aufstockung eines durch einen Bombentreffer im Krieg auf Erdgeschoss und Souterrain reduzierten Reihenhauses. Die Aufstockung bedeutete in diesem Fall im Ergebnis einen optisch überzeugenden Lückenschluss, der, eher ungewöhnlich für den Typus, das Gebäude in zwei eigenständige Wohnungen aufteilt (die untere 93 Quadratmeter, die obere 145 Quadratmeter, Gebäudetiefe 14 Meter, Breite 6,41 Meter).
Beide Wohnungen sind von der Straßenseite durch separate Eingänge – einer über die Treppe zum Hochparterre, der andere auf Straßenhöhe – zugänglich. Die erneuerte Fassade zur Straßenseite zeigt sich ästhetisch als höchst elegante Synthese von Historie und Modernität, wozu die schmalen Fenster und als Hingucker ein kleines Türmchen als Dachabschluss beitragen. In Absprache mit den Baubehörden schlägt es gewissermaßen mehrere Fliegen mit einer Klappe: Formal nimmt es als Abschluss des hochgezogenen Treppenhauses die vormalige Gaubenform auf, wodurch Rhythmus und Maßstab der Reihe gewahrt werden; zusätzlich entstand eine kleine Dachterrasse, die zugleich die Funktion des Feuerwehraustritts erfüllt.
Aufstockung als Holzständerbau
Der Aufbau erfolgte in Holzständerbauweise mit senkrechten Stützen aus Vollholz; zuvor wurde als horizontaler Abschluss des Bestandsgebäudes eine Betonplatte gegossen. Die Erneuerung von Reihenhäusern hat, wie Janssen unterstreicht, durchaus ihre anspruchsvollen Seiten. Einer der grundsätzlichen Vorteile des Typus sind seine „Wärmebacken“, sprich, dass das Gebäude von seinen seitlichen Nachbarn wärmeschützend eingepackt wird, was jedoch auf der anderen Seite viel Sorgfalt im Hinblick auf Altschäden im Mauerwerk erfordert.
Durch Gutachten böse Überraschungen vermeiden
Es empfehle sich, frühzeitig das Gutachten eines Sachverständigen zum Zustand der Mauern einzuholen, um spätere unliebsame Überraschungen wie Risse in der Tapete auszuschließen. Brandschutz und Schallschutz sind weitere Aspekte, denen durch eine frühzeitige Analyse dieser gewissermaßen neuralgischen Punkte beim Reihenhaus die Aufmerksamkeit gelten sollte. Dass die Brandwandziegel auch ästhetisch reizvolle Möglichkeiten bieten, hat Janssen mit einem Lichtschacht bewiesen, der dem Badezimmer den begehrten Zugang zu einem Stück Natur beschert.
Braunschweig: "Haus SL" von Kathrin und Armin Meyer-Herbig (Klicken für mehr Bilder)
Braunschweig: Potenzial zur Verdichtung
Anders als bei den Altbremer Reihenhäusern des 19. Jahrhunderts, die aufgrund ihrer zentralen Lage heute begehrt sind, liegt der Fall beim Reihenhaus Sommerlust („SL“) in einem ehemaligen Arbeiterviertel in Braunschweig. Die Siedlung stammte ursprünglich aus den 1920er-Jahren, die Gebäude hatten bereits verschiedene Veränderungsphasen durchlaufen. Hier ist es der Kontrast von Innen und Außen, der überrascht. Außen gibt sich das zweistöckige, schmale und mit einem Satteldach versehene Reihenhaus unscheinbar.
Innenräume entkernt, Mauern freigelegt
Den Innenräumen haben die Architekten Kathrin und Armin Meyer-Herbig, die zugleich Bauherrin und Bauherr waren, nach einer Entkernung und Neuanordnung der Räume deutlich mehr Großzügigkeit verleihen können: Die Trennung in zwei Ebenen wurde zugunsten eines durchgehenden Luftraums im Küchenbereich aufgehoben, während auf der Gartenseite durch bodentiefe vertikale Fenster erheblich mehr Licht ins Innere geführt werden konnte. Die Anmutung der Wohnräume (die Wohnfläche beträgt 155 Quadratmeter) wird durch roh belassene, neu verfugte Ziegelwände bestimmt; eine kleine gewendelte Treppe und eine Tür zum Dachgeschoss sind andere Elemente, die des historischen Charmes wegen unbedingt bewahrt werden sollten. Im rückseitigen schmalen Garten wurde ein vorhandener, senkrecht an das Hauptgebäude anschließender Anbau für zusätzlichen Raumbedarf aufgestockt und erweitert. Das Ergebnis ist nicht spektakulär, belegt aber doch sehr deutlich das Potenzial zur Verdichtung, das dieser an sich begrenzte Raum bietet.
Diese Braunschweiger Bungalows in Kettenbauweise wirken auch nach 50 Jahren ... (Klicken für mehr Bilder)
Braunschweig: Altengerechter Minimalismus
Auch in Braunschweig liegt Haus „Maximal/Minimal“, das zu jenen Bungalows der späten 1960er- und 1970er-Jahre gehört, deren leicht unterkühlte Sachlichkeit heute klassischen Charakter besitzt. Der regional bekannte Architekt Horst Schmied hatte die Siedlung damals in der sogenannten Kettenbauweise geplant, bei der die Verbindung der Bungalows miteinander oft durch eine Garage oder einen Carport erfolgte. Der Titel „Maximal/Minimal“, so Architekt Andreas Birner-Brandhoff, der die Neufassung verantwortete, formuliert das Ziel, ein Maximum an gestalterischem wie an Nutzwert aus dem Bestand zu gewinnen, bei gleichzeitiger Bewahrung der minimalistischen visuellen Anmutung.
Carport wird Einliegerwohnung
Nutzwert, das bedeutete in diesem Fall vor allem eine altersgerechte Umwandlung. Diesem Ziel dient die geschickte Erweiterung des Carports zu einer kleinen Einliegerwohnung (zwei Räume, Bad), die im Hinblick auf die Unterbringung einer zukünftigen Betreuungskraft erfolgte. Architektonische Elemente wie das charakteristische weiße Sichtmauerwerk und im Kontrast dazu die kräftigen schwarzen Fensterrahmen, wurden, um die optische Qualität zu erhalten, unverändert gelassen. Dies bedeutete zugleich, die energetische Ertüchtigung auf Boden (Erneuerung des Bodens mit neuem Estrich und 15 Zentimeter dicker Dämmschicht; Einbau einer Fußbodenheizung) und Decke (Dachisolierung) zu konzentrieren. Die neuen, dreifachverglasten Fenster entsprechen dem heutigen Standard.
Neuordnung und Erweiterung
Im Inneren wurden mehrere kleine Räume zusammengefasst und im Kernbereich durch ein neues großes Badezimmer ergänzt; der Hauptwohnraum, der sich zum Garten hin öffnet, wurde um eine Achse erweitert und erhielt dadurch einen Zuwachs auch an Großzügigkeit. Die gesamte Wohnfläche erhöhte sich auf nun 173 Quadratmeter. Die Außenanlagen sowohl zur Straße wie rückseitig wurden durch die Schwester des Architekten, die Landschaftsarchitektin Annegret Birner (Büro raumplusgrün), durchgeführt. Im Ergebnis eine behutsame optische Erneuerung einer Moderne, die zeitlos wirkt.
Weitere gute Beispiele zeigt die Wanderausstellung „Wachgeküsst. Umbauen in der Reihe“ der Architektenkammern Bremen und Niedersachsen, die in Kürze in Berlin, Kassel und Lingen (Ems) Station machen wird. Hier finden Sie aktuelle Informationen dazu und den Katalog zum Gratis-Download oder zur bestellung.
Gestapelte Reihenhäuser
Quasi als gestapelte Reihenhäuser sollten vor allem in den 1970er-Jahren Terrassenhäuser hohe bauliche Dichte mit privaten Außenräumen vereinen – auffällig oft mit sehr hoher Wohnzufriedenheit bis heute. Aber warum ist dieses vielversprechende Konzept wieder verschwunden – und wird es eine Renaissance erleben? Lesen Sie unsere Buchbesprechung zu „Luxus für alle“!
Einfamilienhaus: Traum oder Alptraum?
Das politisch stets gewollte und geförderte Einfamilienhaus hingegen ist jüngst als „Flächenfresser“ in die Kritik geraten. Aber was sagen die uniformen Neubaugebiete über Massengeschmack und Familienbilder aus? Und kann nicht auch hier umgebaut und nachverdichtet werden? Das fragen zwei Bücher aus Deutschland und der Schweiz, wo die „Hüslipest“ erst seit den 1980er-Jahren grassiert.
Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Wohnen.
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