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Vergabeverfahren: Technische ­Unterstützung oder ­Rechtsberatung?

Oft benötigen Auftraggeber Unterstützung bei ­Vergabeverfahren. Aber wo wird das Vergaberecht nur schematisch angewendet und wo beginnt eine unzulässige Rechtsberatung?

29.11.20215 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Technische ­Unterstützung oder ­Rechtsberatung?“ im Deutschen Architektenblatt 12.2021 erschienen.

Von Denise Fritsche

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte selbstständig zu erbringende Unterstützungsleistungen in Vergabeverfahren (mit Ausnahme der Wertungsentscheidungen) als Gegenstand einer Rahmenvereinbarung ausgeschrieben. Laut Leistungsbeschreibung sollte der gesuchte Dienstleister „über langjährige Erfahrung in der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen im Ober- und Unterschwellenbereich verfügen sowie über eingehende Kenntnisse der einschlägigen vergaberechtlichen Regelungen“.

Zum Leistungsumfang sollten unter anderem gehören:

  • die stichprobenartige Überprüfung der vom Vergabesachbearbeiter übersandten Vertragsunterlagen auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit,
  • insbesondere die Prüfung auf Widerspruchsfreiheit von Vertrag, Leistungsbeschreibung und Preisblatt,
  • die Erstellung des Vergabevermerks auf einem vorgegebenen Muster,
  • die Beantwortung von Bieterfragen bei vergaberechtlichem Bezug,
  • die Auswertung der Angebote auf der ersten und zweiten Wertungsstufe,
  • anhand der festgelegten internen Aufgreifschwelle die Prüfung, ob angebotene Preise auffallend niedrig seien,
  • die phasenübergreifende Dokumentation des Vergabeprozesses im Vergabe- und Auswertungsvermerk.

Auf eine entsprechende Bieterfrage stellte der Auftraggeber klar, dass vorliegend keine Rechtsdienstleistungen ausgeschrieben seien; allein die technische Abwicklung des Vergabeverfahrens stelle den Schwerpunkt der ausgeschriebenen Leistung dar. Der Auftraggeber behalte sich die Wertungsentscheidungen sowie die Entscheidungen über vergaberechtliche Fragestellungen vor. In einem Nachprüfungsverfahren wollte eine Rechtsanwaltsgesellschaft dennoch ein eigenes Fachlos für Rechtsberatung erwirken und dann selbst ein Angebot abgeben.

Schematische Prüfungen zulässig

Die Vergabekammer des Bundes wies den Nachprüfungsantrag aber als unbegründet zurück. Sie sah in den strittigen Leistungen keine Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Als Rechtsdienstleistung gilt „jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“ (§ 2 Abs. 1 RDG). Diese sind – kurzgefasst – grundsätzlich Rechtsanwälten vorbehalten; Architekten dürfen sie nicht erbringen.

Die Vergabekammer stellte fest, dass die in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Arbeiten nur unterstützende Leistungen seien, „die das Durchführen von Vergabefahren nach vergaberechtlichen Vorschriften betreffen, jedoch keine ­Rechtsberatung oder Rechtsdienstleistung nach RDG“. Die Prüfung rechtlicher Fragen bleibe dem Auftraggeber vorbehalten. Der Auftragnehmer solle die rechtlichen Prüfungen nur schematisch umsetzen. So seien vergaberechtliche Kenntnisse für die ausgeschriebenen Leistungen zwar notwendig, erforderten aber für die jeweilige konkrete Aufgabe keine vertiefte vergaberechtliche Prüfung.

Abgrenzung zur Rechtsberatung

Abzugrenzen seien diese Leistungen demnach von Leistungen, die auch die Rechtsanwaltskammer im Vorfeld des Nachprüfungsverfahrens auf eine entsprechende Anfrage der Rechtsanwaltsgesellschaft als rechtsanwaltliche Tätigkeit eingeordnet hatte, wie etwa das Vorbereiten und Verhandeln von Verträgen oder die Erstellung von rechtskonformen Formularen.

Die Antragsbefugnis für ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) setzt einen Verstoß gegen Vergabevorschriften voraus. Ebenfalls anerkannt ist jedoch, sich auf das Gebot der Losaufteilung gemäß § 97 Abs. 4 S. 2 GWB zu beziehen. Danach sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Eine Einordnung der im vorliegenden Fall abgefragten Leistungen – zumindest zum Teil – als Rechtsdienstleistungen ist hier nicht geboten: Dann wäre von einem hierauf spezialisierten Anbietermarkt auszugehen. Die Folge hiervon wäre ein eigenes Fachlos.

In der Ausschreibung wurde jedoch nach schematischer Tätigkeit (= keine Rechtsdienstleistung) und rechtlicher Prüfung (= Rechtsdienstleistung) unterschieden. So konnte die Vergabekammer Bund das beantragte Nachprüfungsverfahren nachvollziehbar ablehnen (Beschluss vom 2. Juni 2021, Az.: 2-47/21).

Die Abgrenzung zwischen rein schematischer Tätigkeit und rechtlicher Prüfung ist jedoch nicht immer einfach. Insbesondere bei komplexen Projekten oder besonderem Risiko wird eine rein schematische Abwicklungsunterstützung meist nicht ausreichend sein. Gerade hier liegt oftmals der Schwerpunkt auf der Rechtsberatung. Beispielsweise ist es nicht Sache des Architekten, in Zweifelsfällen zu prüfen, ob der Auftraggeber überhaupt dem Vergaberecht unterliegt.

Die Grundleistung der „Dokumentation des Vergabeverfahrens“ verpflichtet den Architekten durchaus zu einer detaillierten Erfassung der Verfahrensabläufe (siehe DAB 11.2014, „Dokumentieren oder Haftung riskieren“). So erfolgt das „Aufstellen eines Vergabeterminplans“ auf Basis der Vorgaben des Auftraggebers im Wege einer standardisierten Rechtsanwendung. Jedoch sind keine komplexen vergaberechtlichen Sonderfälle der Terminplanung zu bewerten. Auch die Beurteilung, ob ein Vergabeverfahren aufzuheben ist, hat der Auftraggeber anzustellen.

Insgesamt liegt die Klärung vertiefter Rechtsfragen, die über eine schematische Anwendung des Vergaberechts hinausgeht, nicht beim Planer (siehe DAB 07.2020, „Rote Linien bei der Rechtsberatung“). In dieser Hinsicht zeigt der Beschluss der Vergabekammer deutlich die Abgrenzungsmerkmale von technischen und rechtlichen Unterstützungsleistungen bei Vergabeverfahren auf. Demnach umfasst der Bieterkreis für technische Unterstützungsleistungen in Vergabeverfahren nicht allein Rechtsanwälte, vielmehr können auch Architekturbüros mitbieten. Vergaberechtliche Beratungen hingegen sind Juristen vorbehalten.

Schlussfolgerungen für Vergabeverfahren

Die Tätigkeit eines Verfahrensbetreuers zur technischen Unterstützung bei einem Vergabeverfahren durch die weitgehend selbstständige Bearbeitung und Abwicklung des Verfahrens (mit ­Ausnahme der Wertungsentscheidung) stellt also keine Rechtsdienstleistung dar. Das gilt auch dann, wenn eingehende vergaberechtliche Kenntnisse Voraussetzung für die Tätigkeit sind.

Daraus ergeben sich im Wesentlichen zwei Schlussfolgerungen. Zum einen diese: Auslober, die einen Verfahrensbetreuer suchen, der ihnen technisch-schematisch bei Vergabeverfahren hilft, müssen kein Fachlos für Juristen bilden. Und zum anderen: Architekten dürfen keine vergaberechtlichen Dienstleistungen erbringen. Es kommt immer darauf an, die Grenzen dessen auszuloten, was Rechtsdienstleistung ist und was nicht. In Bezug auf die Verfahrensbetreuung liefert der Beschluss der Vergabekammer wichtige Hinweise. Diese Abgrenzung ist nicht zuletzt für die Berufshaftpflichtversicherung bedeutsam. Unterläuft einem verfahrensbetreuenden Architekten ein Fehler in der (unzulässigen) Rechtsberatung, besteht unter Umständen kein Versicherungsschutz.

Denise Fritsche ist Rechtsanwaltsfachangestellte der Kanzlei Glock, Liphart, Probst in München und Studentin der Rechtswissenschaften an der Fernuniversität Hagen

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