Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Architektur im Kleinformat“ im Deutschen Architektenblatt 02.2022 erschienen.
Von Simone Kraft
Gar nicht so einfach: Entwurfsideen müssen aus den Köpfen derer, die sie erdacht haben, weitergegeben werden, und zwar so, dass das Gegenüber sie erfassen kann. Dafür steht uns eine ganze Reihe von Kommunikationswerkzeugen zur Verfügung, von der Planzeichnung über 3D-Visualisierungen bis zu Vorträgen und Texten. Besonders eindrucksvoll, weil haptisch erlebbar, ist das Architekturmodell. „Modelle helfen auch und gerade Personen, die im Lesen von Plänen nicht geübt sind, diese besser zu verstehen. Im Modell kann man eine Kubatur und eine Gesamtsituation räumlich einfacher und verlässlicher erfassen“, erläutert Béla Berec, Modellbauer und Architekt aus Stuttgart.
Seit 2003 fertigt Berec in seinem Atelier Architekturmodelle für ganz unterschiedliche Auftraggeber. Zu seinen Kunden zählen Büros wie Lederer + Ragnarsdóttir + Oei, Behnisch oder Wulf Architekten, die meist Wettbewerbsmodelle brauchen. Hinzu kommen Firmen, Gemeinden und Museen: „Gelegentlich habe ich auch Anfragen für Ausstellungen, Messeveranstaltungen oder Pressetermine. Firmen wollen etwa der Öffentlichkeit einen Neubau präsentieren, während Städte und Gemeinden wiederum oft Masterpläne für Stadtteile im Modell darstellen wollen, um die Möglichkeiten der urbanen Entwicklung plastisch vor Augen treten zu lassen.“
Die richtige Darstellungsweise wählen
So breit gefächert wie Auftraggeber und Einsatzmöglichkeiten sind auch die Darstellungsweisen, wie Berec erläutert: „Möchte man konzepthaft bleiben und neuen Anregungen noch Spielraum lassen oder soll eine konkrete Idee ausformuliert werden? Je nachdem empfehle ich ein eher kleinmaßstäbliches Modell mit einfachen Volumen oder eben einen größeren Maßstab mit Fassadendetails, wo man auch schon die Materialität andeuten kann.“
Monochrom: Neubau integriert sich
Ungebrochen beliebt sind monochrome Modelle, meist in Weiß, die eine Gesamtsituation gut und relativ abstrakt abbilden. Sie setzen auf ein harmonisches Zusammenspiel aus bestehenden Kubaturen und geplanter neuer Ergänzung. Besonders schön gelang dies etwa in Zürich. Für einen Bürgerentscheid fertigte Berec ein Modell der Erweiterung des Kunsthauses von David Chipperfield Architects im Maßstab 1:50, dessen ausschließliches Ziel die Vermittlung des Entwurfs und die Einbindung der Bürgerschaft für die Freigabe des geplanten Neubaus war. Die Zürcher konnten sich vor dem weißen Modell, mit Andeutung der Fassade und des Innenraums, zusammen mit den Plänen ein Bild des Vorhabens machen – ein Vorzeigebeispiel, wie Bürgerinnen und Bürger in große Bauprojekte eingebunden werden können, so Berec.
Materialwechsel: Neubau wirkt als Solitär
Wird ein Neubau hingegen aus Holz hergestellt und in eine weiße Umgebung eingesetzt, entsteht der gegenteilige Effekt: Die Gebäude wirken als Solitäre. Hier zeigt sich, wie wichtig die Entscheidung für das zu einer bestimmten Präsentationssituation passende Modell ist. Ein Konzeptmodell wie das der Elbphilharmonie in Hamburg wiederum richtet den Fokus ganz auf das Bauvolumen: Berecs reduziertes Modell aus Holzsockel und „Bekrönung“, einem semitransparenten Acrylglaskörper mit den zwei innen liegenden Sälen und den konkaven Rundungen der Dachfläche, lässt die Kernidee des Entwurfs konzentriert vor Augen treten. Das in seiner Einfachheit bestechende Modell war zusammen mit den ersten Skizzen mit Sicherheit ausschlaggebend für die weitere Planung der Nutzung des alten Speichergebäudes.
Vom Entwurf zum Architekturmodell
Zu Beginn jeder Zusammenarbeit tauscht sich Berec intensiv mit seinen Kunden aus, um die passende Darstellungsweise zu ermitteln. Teilweise haben die Auftraggeber bereits Modellbaupläne vorbereitet und ganz konkrete Vorstellungen. Oft fällt die Entscheidung, wie das Modell gebaut werden soll, aber erst im gemeinsamen Gespräch. Dann können Berec und sein Team an die Arbeit gehen. Als Grundlage dienen ein Plansatz mit Ansichten, Grundrissen und Schnitten sowie ein Lageplan mit dem Modellausschnitt. „Wichtig ist für mich, immer die vom Architekturbüro gestalteten Pläne zu bekommen“, betont Berec. „Daran kann ich am besten sehen und verstehen, was das Besondere an einem Entwurfskonzept ist. Ich versuche, das Wesentliche des Entwurfs herauszufiltern und im Modell umzusetzen.“ Dabei ist es Berecs Anliegen, über den richtigen Grad der Abstraktion die Grundidee des Entwurfs herauszuarbeiten und in ein Modell zu gießen, das das architektonische Konzept bestmöglich abbildet, denn: „Zu realistisch gerät kitschig, zu abstrakt verliert sich im intellektuellen Planspiel.“
Vom Modellbauer zum Architekten
Hierbei hilft dem Architekten seine besondere Vita, in der sich die langjährige praktisch-handwerkliche Erfahrung, die der Beruf des Modellbauers mit sich bringt, mit dem Denken und der Erfahrung des Architekten verbindet. Nach der Ausbildung zum Modellbauer in den 1980er-Jahren – damals ein rein technischer Beruf – keimte in ihm der Wunsch nach einem kreativeren Arbeiten, das er als Architekturmodellbauer in einem großen Stuttgarter Architekturbüro fand. Die neu entdeckten Themen begeisterten ihn so, dass er zwei Jahre später ein Architekturstudium an der HFT Stuttgart begann. Dieses führte ihn zu Herzog & de Meuron nach Basel, wo er nach seinem Diplom auch ins Berufsleben als Architekt startete – um bereits zu diesem Zeitpunkt die büroeigene Werkstatt mitzubetreuen. Nur zwei Jahre später übernahm er ihre Leitung, der Kreis schloss sich.
Seither ist Berec dem Architekturmodellbau treu, 2003 eröffnete er sein eigenes Atelier in Stuttgart. Er schwärmt: „Ich arbeite leidenschaftlich gerne mit unterschiedlichen Werkstoffen. Es fasziniert mich, aus einfachen Platten und Klötzen sehr filigrane Texturen oder modellierte Körper entstehen zu lassen, mit allen Möglichkeiten des Handwerks und der CNC-Maschinen. Und dies in Verbindung mit der Architektur: Man lässt gestaltete und geformte Entwürfe in einem kleinen Maßstab entstehen, die später Lebensraum für viele Menschen werden können.“
Den spektakulären Entwurf von Wulf Architekten für die historische Oberamteistraße in Reutlingen verdeutlicht ein Schnittmodell. (Klicken für Blick hinein!)
Ein Architekturmodell entwerfen
Sind die Anforderungen besprochen und die Entwurfsideen erfasst, konstruiert Berec das gewünschte Modell mithilfe eines 3D-CAD-Programms. Je nach Komplexität der Aufgabe können zudem auch die Maße einzelner Bauteile aus der Zeichnung herausgenommen und diese gesondert angefertigt werden. Eine bewährte Vorgehensweise, die Berec seit gut zehn Jahren einsetzt: Da die Modelle sich meist aus sehr vielen Bauteilen zusammensetzen, lassen sich durch die digitale Konstruktion Fehler vermeiden – sehr eindrucksvoll wird dies etwa im zarten Fachwerk der historischen Oberamteistraße Reutlingen von Wulf Architekten deutlich. Auch das filigrane Netz der Fassade der adidas Arena von Behnisch Architekten verblüfft durch seine Zartheit.
Die meisten Elemente werden heute von CNC-gesteuerten Maschinen überwiegend aus Kunststoffen wie Polystyrol, PU-Blockkunststoff und Acrylglas gefräst. Gelegentlich kommen auch noch Kreissäge und Schleifmaschine zum Einsatz. Wo möglich, arbeitet Berec bewusst auch mit „echten“ Materialien wie Holz, Stein oder Glas, sodass schon im Modell eine besondere haptische Qualität entsteht.
CNC-Fräse, Lasercutter und 3D-Drucker
Dennoch hat sich die Modellherstellung durch die Digitalisierung in den letzten Jahren sehr verändert. „Zu Beginn meiner Modellbauer-Tätigkeit, Anfang der 1990er-Jahre, waren meine wichtigsten Werkzeuge Cutter, Geodreieck, Kreissäge und Schleifmaschine. Jetzt sind es der PC und die rechnergesteuerten Maschinen.“ 3D-Druck wiederum berührt Berecs Arbeit bislang nur am Rande: „Glücklicherweise haben die meisten Gebäude gerade Flächen, sodass ich fast alle Bauteile problemlos auf meinen CNC-Fräsmaschinen herstellen kann – mit Ausnahme kleiner, komplizierter Bauteile, etwa einer gewendelten Treppe, eines Treppenhauses oder einer Pergola. Das geht mit dem 3D-Drucker deutlich schneller.“
Allerdings leiden die Oberfläche und die Maßhaltigkeit bei Objekten aus dem Drucker; beim CNC-Fräsen werden wesentlich bessere Oberflächen und Genauigkeiten erzielt. Außerdem können Berecs Fräsmaschinen auch 3D: „Ich habe zum Beispiel das Dach der neuen Elefantenwelt in Stuttgart beim Wettbewerbsmodell 3D-gefräst. Bei Holzmodellen mit anspruchsvollen Bauteilen fräse ich alles 2D und 3D. Meiner Meinung nach ist der 3D-Druck hauptsächlich für Konzeptmodelle sehr gut.“
Bis zu 1000 Arbeitsstunden pro Modell
Welch komplexer arbeitsintensiver Prozess hinter einem Architekturmodell steckt, wird auch deutlich, wenn man Berec nach seiner Arbeitszeit pro Modell fragt. Nicht wirklich zu beantworten sei das, aber je nach Aufgabe könnten schon einmal zwischen 500 und 1.000 Arbeitsstunden zusammenkommen, wenn etwa Objekte für Ausstellungen und Präsentationen zu fertigen seien. Schon für ein durchschnittliches Wettbewerbsmodell fallen bereits 30 bis 40 Arbeitsstunden an. Detailtreue, Präzision und ihre besondere Ästhetik lassen Berecs Modelle zu kleinen Kunstwerken werden. Die Leidenschaft für die Architektur, man sieht sie jedem Modell an.
Berecs Lieblingsmodell ist übrigens ein 1:50-Modell der Dominus Winery von Herzog & de Meuron in Napa Valley, das über zwei Meter lang ist und sich auseinanderziehen lässt, um ins Innere des Gebäudes zu blicken. Ein Modell, das es 1997 sogar auf die Titelseite des „el croquis“ geschafft hat. „Das Projekt und die für mich perfekt ausformulierte Modelldarstellung haben mir so gut gefallen, dass ich für mich ein Stück seiner Fassade nachgebaut habe. Das hängt bis heute bei mir im Büro.“
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