Olympiastadion München: Bauwerke wie eine Landschaft
Was hat Sie zur Architektur gebracht?
Ich bin auf einem etwas anderen Wege zur Architektur gekommen. Ich bin der Sohn eines deutschen Architekten, der in Deutschland sehr bekannt war. Und es noch ist. Von mir hatten Außenstehende immer erwartet, dass ich Architektur studieren würde. Das wollte ich zunächst nicht. Ich habe Philosophie studiert bei den Jesuiten in München, noch einige Zeit Volkswirtschaft, um dann erst spät zur Architektur zu finden. Von meinen Eltern gab es keinerlei Erwartung, dass ich diesen Beruf wählen sollte. Meine Jugend und Kindheit waren geprägt von Architektur.
Alle Reisen, die wir drei Geschwister mit unseren Eltern unternahmen, waren verbunden mit dem Besichtigen von Bauwerken. Von den Römerbauten bis hin zu Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Mies oder Saarinen. Es gibt kein bestimmtes Gebäude, das mich besonders geprägt hätte. Jedoch habe ich das Entstehen der Bauten für die Olympischen Spiele in München 1972 sehr nah miterlebt und dann auch bei den Spielen dabei sein dürfen. Bis heute beeindrucken mich diese landschaftlich gesetzten Bauwerke. Ich finde sie immer noch herausragend; besonders erfreut mich, wie sie als Bürgerpark bis heute Bedeutung haben und den Aufbruch der damaligen Zeit ausstrahlen.
Was lieben Sie an Ihrem Beruf als Architekt am meisten?
Unser Beruf gibt uns die Möglichkeit, in viele Bereiche unserer Gesellschaft und Teile des öffentlichen Lebens hineinzuschauen. Wenn wir für Bauherren aus den unterschiedlichsten Bereichen, Lehrerinnen und Lehrer, Sportfunktionärinnen und -funktionäre, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Verwaltungen und viele andere bauen, so erhalten wir Einblick in ihr Leben, ihre Tätigkeiten, ihre Bedürfnisse und Wünsche. Und daraus, gemeinsam mit vielen anderen Aspekten, wie zum Beispiel den klimatischen, den topografischen, den politischen, den soziologischen, entwickeln wir Architektur. Es ist eben dieser integrale, interdisziplinäre und kommunikative Prozess, der das Entwickeln von Architektur erfüllend und spannend macht.
Stefan Behnisch, Architekt, Stuttgart
Olympiastadion München: Schwebende Leichtigkeit
Was hat Sie zur Architektur gebracht?
Als Kriegskind bin ich in der Großstadt aufgewachsen. Aus dieser Zeit haben sich damals chaotische Bilder – bewusst oder unbewusst – in mein Gedächtnis eingebrannt. Nach Schulende stellte sich die Frage, welchen Berufsweg ich gehen sollte. Um keine überstürzte Entscheidung zu fällen, stieg ich in ein zweijähriges Baupraktikum ein. Auf sehr unterschiedlichen Baustellen und in Planungsbüros erlernte ich alle wichtigen Gewerke. Mit diesen Erfahrungen war mir mein Berufswunsch nun klar: Architekt zu werden.
Das Studium öffnete einem die Augen, und so manche destruktive gespeicherte Bilder blitzten bei mir wieder auf: viele offene Baulücken, die geschlossen werden müssen, um die noch vielen fehlenden Wohnungen herzustellen und eine humanitäre Welt wiederaufzubauen. Mitte der Sechzigerjahre boomte die Bauwirtschaft. Trotzdem wollten wir uns endlich wirklich frei machen von so manchen politischen Betonklötzen und behördlichen Holzbrettern, deren lange Nazi-Diktatur-Schatten immer noch unsere Demokratie verdunkelten.
Welches Bauprojekt beeindruckt Sie bis heute?
Im Jahr 1967 begann ein strahlendes Architekturprojekt in München: In diesem Jahr wurden die XX. Olympischen Sommerspiele 1972 nach München vergeben und – welch ein Traum – Behnisch & Partner gewannen den internationalen Wettbewerb. Grundsätzlich sollten hier die Ideale der Demokratie, des Individualismus, der Offenheit und der Transparenz verwirklicht werden. Auf dem ehemaligen Flughafen in München-Oberwiesenfeld wurden in der künstlichen Hügellandschaft des Trümmerschuttbergs das Stadion und die weiteren Sportstätten eingebettet. Die gesamte Anlage wurde als die „Olympischen Spiele im Grünen“ geplant und gebaut.
Vor allem sollte sich auch die sichtbare Freiheit für die Öffentlichkeit widerspiegeln. So verabschiedete das Team unter Günter Behnisch den vergangenen Monumentalismus. Als bei der Weltausstellung in Montreal der deutsche Pavillon mit einem Zeltdach von Frei Otto überdacht wurde, bot sich diese leichte Konstruktion als ideale Überbauung des Olympiaparks an. Diese geniale und charakteristische Zeltkonstruktion ist bis heute – nach 50 Jahren – eine Sensation und steht einmalig auf der ganzen Welt. Als ein wesentliches Wahrzeichen von München erleuchtet ihre „schwebende“ Leichtigkeit die menschlichen und demokratischen Werte. Bis heute bin ich begeistert von dieser „transparenten räumlichen Situation“. Besonders aber auch von den Architekten Günter Behnisch und Frei Otto.
Eckhard Trahndorff, Architekt, Germering
Buchtipp zum Olympiastadion München
„Fritz Auer war (…) im Architekturbüro Behnisch & Partner wesentlich mitverantwortlich für den Entwurf und die Planung des Münchner Olympiaparks mit seinen Hauptsportstätten für die XX. Olympischen Spiele 1972. Seine Erinnerungen geben Einblick in die Entstehungsgeschichte dieses einmaligen Projekts, insbesondere des inzwischen weltberühmten Zeltdachs, das zu einem Symbol der jungen westdeutschen Demokratie und zu einer Landmarke im Münchner Stadtbild geworden ist. Viele Abbildungen und Skizzen verdeutlichen den Planungsprozess des Olympiageländes.“ (Verlagsinformation)
Fritz Auer
Ein Zeltdach für München und die Welt
Die Verwirklichung einer Idee für Olympia 1972
Allitera Verlag, 2022
196 Seiten, 30 Euro