Toiletten – damit meine ich nicht das gemütliche heimische Bad mit Langflor-Teppich und Duftstäbchen, sondern die in der Regel komplett weiß gefliesten, mit Neonlicht gefluteten und zu oft nicht nach einer Blumenwiese riechenden Räume in Gebäuden, die mehr oder weniger öffentlich sind.
Sie sind eine Errungenschaft, ganz klar. Man denke nur an das Mittelalter, als die Notdurft auf die Straßen geschüttet wurde. Toiletten sind also eine Entwicklung, die die Aufenthaltsqualität in den Häsuern und auf den Straßen immens erhöht hat (zumindest bis die Autos kamen). Manchmal scheint es jedoch, als hätte man die unangenehm riechenden Unorte nur von der Straße in die Gebäude verlegt.
Mehr als ein WC: Schutzraum für intime Momente
Das WC ist heute mehr als nur der Ort für die geschäftlichen Dinge, es ist auch der Ort an dem ein Kind gewickelt, der Lippenstift nachgezogen, der Newsfeed von Social-Media-Apps durchgescrollt oder sich zur Abkühlung ein Schwung Wasser ins Gesicht geworfen wird. Meist sind es intime Momente, in denen uns Privatsphäre wichtig ist. Für mich gibt es keinen unangenehmeren Ort für einen Smalltalk.
Die Toilette ist womöglich der einzige Raum den Architekt:innen und Innenarchitekt:innen explizit nicht kommunikationsfördernd entwerfen sollten. Ich würde den Ort der Stille auch als eine Art Schutzraum oder Safespace bezeichnen. Er ermöglicht die Flucht aus all dem Trubel, zumindest für fünf Minuten. Die Bedeutung als Schutzraum kann natürlich für Frauen oder Personen, die sich nicht als männlich definieren, eine noch wichtigere Rolle spielen.
Damen-Toilette und Herren-WC adieu?
Es ist das klassische Zweiergespann, das Herren-WC und das Damen-WC. In die Mitte wird meist die barrierefreie Toilette gesetzt. Fertig ist die ideenlose Aneinanderreihung von gestern. Es ist mir unerklärlich, wieso genau diese Anordnung das Siegertreppchen der Standardanordnung erklommen hat. Wieso werden gehende Menschen nach Geschlechtsmerkmalen getrennt, während Menschen mit Rollstuhl oder andere, die mehr Platz benötigen, sich eine Kabine teilen sollen? Es ist sicherlich die kostengünstigste Lösung, um alle Anforderungen von DIN-Normen und Arbeitsstättenrichtlinien zu erfüllen. Von den Bedürfnissen der Nutzer:innen und Potenzialen des Ortes der Stille ist es jedoch meilenweit entfernt.
Glücklicherweise werden wir für verschiedene geschlechtliche Identitäten sensibler – was auch den WC-Standard in Frage stellt. Einige haben sich neben der Herren- und Damen-Toilette nun für eine dritte Kategorie für diverse Menschen entschieden. Doch abgesehen vom höheren Platzbedarf und den Mehrkosten durch mehr Fliesen sowie Sanitärobjekte, zwingt es auch hier Menschen, sich in Kategorien einzuteilen.
Kleiner, günstiger und diskriminierungsfrei
Geld regiert die Welt, leider. Daher haben neue Konzepte eine höhere Chance auf Erfolg, wenn sie neben einer Verbesserung für Menschen auch eine Verbesserung für die Investor:innen mit sich bringen. Darüber hinaus müssen sie gerade in Bestandsgebäuden auch räumlich überhaupt realisierbar sein. Genau da liegt der große Vorteil von Unisex-Toiletten. Sie benötigen in der Regel weniger Platz als drei Toilettenanlagen und sind damit günstiger. Es gibt noch einen weiteren – für Investor:innen weniger interessanten – Aspekt: Die oft viel längeren Warteschlangen vor Damen-WCs!
Wie sieht die ideale Unisex-Toilette aus?
Schockierend, wie wenige Beispiele und Konzepte man für Unisex-Toiletten findet. Der Weg bis zu wirklich guten Konzepten ist also noch weit und braucht viele kreative Architekt:innen und mutige Bauherr:innen. In der Galerie habe ich verschiedene interessante Ansätze gesammelt. Daraus lassen sich schon einige Regelmäßigkeiten ableiten:
- Der Fokus liegt auf den Kabinen. Hier findet die Privatsphäre ihren Raum. Die Kabinen sind nicht durch luftige Abtrennungen, sondern durch bis zur Decke und bis zum Boden gehende Wände abgetrennt.
- Der Vorraum beziehungsweise die Verkehrsfläche zwischen den Kabinen ist öffentlicher und kann durch einen zweiten Eingang oder sogar mithilfe von Blickbeziehungen durch Glasscheiben nach außen freundlicher und einsichtiger gestaltet werden. Dies ist besonders für den Sicherheitsaspekt sehr relevant.
- Große und kleine Kabinen statt barrierefreies WC: Neben vielen kleineren Kabinen ist mindestens eine größer, bietet also mehr Platz. Damit wird die Trennung zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung reduziert. Auch Personen, die mehr Platz brauchen, um das Baby zu wickeln, die in Begleitung einer Hilfsperson sind oder am Flughafen mit viel Gepäck unterwegs sind, können die größeren Kabinen nutzen.
- Urinale? In einigen Konzepten sind diese komplett verschwunden. Sie passen auch nicht mehr so gut in den Verkehrsbereich, wo Menschen jeden Geschlechts an den meist offenen Urinalen vorbeigehen müssten. Doch es gibt auch Konzepte mit einem Extraraum mit ein paar Urinalen darin (s.o), sozusagen als „Gemeinschaftskabine“. Statt der Menschen mit Behinderung werden nun die Stehpinkler ausgelagert.
Vorgaben und Empfehlungen für Unisex-Toiletten
Den Vormarsch von Unisex-Toiletten kann man zurzeit live mitverfolgen. Die Suche nach diesem Begriff in einer Suchmaschine wirft unzählige Artikel aus, in denen Schulen, Arbeitgeber:innen und Institutionen berichten, dass sie sich getraut und geschlechtsneutrale Toiletten umgesetzt haben. Die Vielzahl der Artikel zeigt: So selten ist dies nicht mehr. Doch es scheint noch ausgefallen genug zu sein, sodass es Zeitungsartikel wert sind.
Damit Unisex-Toiletten zum Standard werden, braucht es neben vielen weiteren kreativen Lösungen und Konzepten dringend auch Vorgaben und Empfehlungen, insbesondere für die Arbeitsstätten, sodass nicht nur Toiletten für alle Menschen realisiert werden, sondern auch die Umsetzung für alle greifbar wird.
In einer weiteren Kolumne lest ihr, wie weit die Planungsrichtlinien in Deutschland beim Thema Unisex-Toiletten sind.
Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Johanna Naara Ziebart.
Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@handelsblattgroup.com
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Die Bedürfnisse von durch Missbrauch und Vergewaltigung traumatisierte Frauen und Mädchen werden hier leider komplett außer Acht gelassen. Meine Tochter zB kann nicht mit Männern in einer Kloschlange stehen, da sie dann von Ängsten überwältigt wird. Gemischtsextoiletten sind für meine Tochter und viele andere traumatisierte Mädchen und Frauen nicht nutzbar.
Auch für Frauen mancher Religionen (zB jüdisch-orthodox, manche muslimische und manche christlichen Frauen) sind diese Toiletten nicht nutzbar.
Wie wird in diesen Toiletten verhindert, dass manche Männer versteckte Kameras anbringen? So bei mir um die Ecke geschehen (ich lebe nicht in D und bei uns gibt es bereits viele Gemischtsextoiletten). Oder dass Männer sich vor Frauen exponieren?
Diese vermeintliche inklusive Lösung schließt Gruppen von Frauen und Mädchen aus und führt dazu, dass diese keine Toiletten mehr benutzen können. Sie erzeugt Gefahrensituationen und reduziert den Schutz für Frauen und Mädchen.
Halte ich als regelmäßiger bahnfahrer für sehr vernünftig. In der eisenbahn (und in flugzeugen) gibt es auch keine geschlechtertrennung (es gab zwar versuche, etwa im ICE 1 anfang der 1990er jahre, die haben sich aber nicht bewährt). Was dort manchmal nicht funktioniert, sind die vakuum-toiletten, aber die installationen in gebäuden sind seltener von ausfällen betroffen.
Wie machen das die „frauen mancher religionen“; unterliegen diese religiösen verboten, ihr geschäft in einem raum zu verrichten, in dem manchmal auch männer sind?
In der Norm VDI 6000 wird zur Zeit der Versuch unternommen geschlechterneutrale Toiletten einzuführen und zu bevorzugen. Die ersten Einsprüche dazu wurden am 06.06.2023 dem VDI vorgetragen.
Hier der Link zu einem Artikel, der den Gesprächsverlauf ganz gut zusammenfasst:
https://geschlecht-zaehlt.de/die-vdi-anhoerung-zur-toilettenrichtlinie-eine-farce/
Ich (Ehemann und Vater) war selbst „Einsprechender“.
Ich kann nicht verstehen, dass dieser Weg weiterverfolgt wird. Architekten, wie auch Normungsgremien sollten die Einsprüche und Bedenken der betroffenen Frauen ernst nehmen.