Der klassische Architektenwettbewerb scheint an Attraktivität verloren zu haben. Dies legen jedenfalls Klagen von Wettbewerbsteilnehmern nahe, die sich in jüngster Zeit häufen. Die Kolleginnen und Kollegen beteiligen sich lieber an Machbarkeitsstudien und anderen vorbereitenden Planungen. In der Tat ist ein eklatantes Missverhältnis zwischen dem zeit- und kostenintensiven Planungsaufwand und der Gegenleistung entstanden, die Auslober von Architektenwettbewerben anbieten: Von einer angemessenen Entschädigung der Teilnehmer für ihren Aufwand kann keine Rede mehr sein. Die Gegenleistung für erbrachte Leistungen beschränkt sich fast ausschließlich auf die vage Aussicht auf einen Auftrag. Faire Auslobungsbedingungen, das Auftragsversprechen und vor allem die Bewertung der Leistungen durch eine unabhängige Jury sichern das ab.
Lohnen sich Architekturwettbewerbe?
Gerade für jüngere Kolleginnen und Kollegen ist aber die Teilnahme an Wettbewerben ein niederschwelliger Zugang zu interessanten Planungsaufgaben. Auch als Instrument zur Qualitätssicherung und Innovation im freien Wettstreit der Ideen hat der Wettbewerb seinen unbestrittenen Wert. Jedoch kann ich Kolleginnen und Kollegen, die eine Beteiligung an registrierten Wettbewerben kritisch sehen, durchaus verstehen. Sie stellen sich – genauso wie ich mir selbst – die Frage: Ist dieser Preis nicht zu hoch?
Unser Berufsstand leistet seit Jahrzehnten einen großartigen Beitrag für die Gesellschaft und die Baukultur. Wird dieser ausreichend gewürdigt? Diese Frage muss man sich heute wohl stellen. An einem Wettbewerb teilzunehmen allein aufgrund der vagen Aussicht, als eine oder einer von zehn, 20 oder noch mehr Teilnehmenden einen Auftrag über meist nur die Leistungsphasen 1 bis 5 zu erhalten, das sollte durchaus hinterfragt werden. Anders war dies in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen für Planung und Baukultur fairer gesteckt waren: Dem Wert geistig-schöpferischer Leistungen stand – zumindest in Deutschland – ein verbindliches Honorarrecht gegenüber.
Qualität gegen angemessene Honorare
Das Gefüge hat sich grundlegend verändert: Nachdem der EuGH die Rechtmäßigkeit von verbindlichen Honorarsätzen verneint hat, gilt nach der Einführung der novellierten HOAI zum Januar 2021 das Primat der individuellen Honorarvereinbarung. Wir sind jetzt aufgefordert – und das ist ja grundsätzlich auch gut so –, unsere Leistungen zu kalkulieren und individuell zu vereinbaren. Der zwischen Gesellschaft und Architekt oder Architektin geschlossene Pakt „Qualität und Baukultur gegen verbindliche, angemessene Honorare“ dagegen ist entfallen. Besser ausgedrückt: Er wurde einseitig gekündigt.
Nun müssen wir selbstkritisch fragen: Welche Leistungen sind wir denn weiterhin noch bereit, für die Gesellschaft unentgeltlich zu erbringen? Es gibt ja keinen anderen Beruf, sei es ein „freier“ oder „gewerblicher“, der so viel an Vorleistung, an Ideen und kreativem Input gibt, ohne hierfür angemessen honoriert zu werden.
Angebotskultur und Selbstverständnis hinterfragen
Meiner Einschätzung nach bedarf es einer Neuausrichtung dieses Pakts. Wir müssen unser Selbstverständnis hier neu definieren und unsere Angebotskultur an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen, damit unsere Arbeit eine angemessene Wertschätzung von Auftraggebern und Öffentlichkeit erfährt.
Angesichts der sich dramatisch verschlechternden Rahmenbedingungen beim Planen und Bauen ist jetzt der richtige Zeitpunkt, diesen Prozess einzuleiten. Wenn überwiegend der Preiswettbewerb entscheidet, wird das einzigartige Angebot unseres Berufsstands, der Wettbewerb, der einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität unseres Landes darstellt, nämlich ad absurdum geführt.
Lydia Haack, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer
Kleine Büros müssen sich an grössere Büros hängen um überhaupt am Wettbewerb teilnehmen zu können, obwohl die Aufgabe für grosse Büros nicht interressant und lukrativ ist. Klinkenputzen ist angesagt aber um welchen Preis?