Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Die digitale Baustelle“ im Deutschen Architektenblatt 10.2022 erschienen.
Von Marian Behaneck
Auf der Baustelle ist BIM häufig noch ein Fremdwort. Dabei bietet die modellorientierte Planung auch für die Bauausführung deutliche Vorteile. BIM to Field steht für einen Teilprozess, bei dem Plandaten des BIM-Modells auf die reale Baustelle übertragen werden – und das besonders exakt, genau und zeitsparend. Field to BIM beschreibt den umgekehrten Prozess der Aufnahme von Baustellendaten, die dann zur Weiterverarbeitung in das BIM-Modell übernommen werden.
Bauabläufe simulieren
Wird das dreidimensionale BIM-Modell um die vierte Dimension Zeit erweitert (4D-BIM), kann der geplante Bauablauf visualisiert werden. So werden zeitliche oder räumliche Kollisionen bereits am Bildschirm und nicht erst auf der Baustelle erkannt. Die 5D-Simulation berücksichtigt zusätzlich zum Faktor Zeit auch Ressourcen und Kosten und verknüpft neben Geometriedaten und Terminen auch die erforderlichen Baumaterialien, Maschinen oder Personal. Logistische Prozesse lassen sich so besser planen, steuern und Kostenabweichungen vermeiden.
Insbesondere bei komplexen innerstädtischen Bauvorhaben, die zahlreiche verkehrstechnische und städtebauliche Vorgaben berücksichtigen müssen, lassen sich mit 4D- und 5D-Simulation im Vorfeld neben Bau- und Montageprozessen auch der Transport und die Lagerung von Material optimieren.
Baustellendaten erfassen
Wird die Situation auf der Baustelle kontinuierlich erfasst und mit dem BIM-Modell abgeglichen (Field to BIM), können Bau- und Montagequalitäten kontrolliert und optimiert werden. Dazu müssen Baustellendaten über mobile Endgeräte und entsprechende Programme kontinuierlich gesammelt, aufbereitet und im BIM-Modell verortet werden. Das erübrigt ein nachträgliches Eintippen, Sortieren und Zuordnen handschriftlich erfasster Notizen im Büro.
Neben Baustellenfotos lassen sich auch Pläne, LVs oder andere Dokumente einbinden, teilweise auch Sprachnotizen, Videos oder GPS-Daten. Aus den erfassten Daten werden Bautages- und Mängelberichte generiert, den betroffenen Projektpartnern zugeordnet und über einen Verteiler als PDF-Bericht versandt oder auf einem Cloudserver gespeichert. Das macht Baustellenaktivitäten transparenter und verkürzt Reaktionszeiten.
Baufortschritt dokumentieren
Eine modellbasierte Baufortschrittskontrolle macht die Überwachung von Terminen und Kosten komfortabler, weil Abweichungen im BIM-Modell visualisiert und mit Bauteil-Bezug ausgewertet werden können. Wird der Baufortschritt regelmäßig erfasst (Ist-Zustand), mit dem BIM-Ausführungsmodell (Soll-Zustand) abgeglichen und online abgelegt, können Projektmanager Baustellen besser kontrollieren und steuern, SiGe-Verantwortliche Maßnahmen zur Baustellensicherheit einleiten oder Ausführende die nächsten Arbeitsschritte besser vorbereiten.
Werden auch alle baubegleitenden Änderungen der Planung dokumentiert und in das Modell eingepflegt, entsteht aus einem BIM-Ausführungsmodell ein As-Built-Modell, das den tatsächlich ausgeführten Zustand (as built) abbildet und für die spätere Nutzung und Instandhaltung oder für Umbaumaßnahmen verwendet werden kann. Die Ist-Datenerfassung auf der Baustelle ist allerdings aufwendig und wird deshalb mit mobilen Erfassungs-Apps, 3D-Laserscannern, Baustellenkameras, Drohnen oder Bauteil-Identifikationssystemen (Auto-ID) unterstützt.
Modellbasiert abstecken
Bei der modellbasierten Absteckung werden im BIM-Modell enthaltene Markierungspunkte auf das reale Objekt (Gebäudebestand, Rohbau, Gelände etc.) übertragen. Auf die Baustelle übertragen lassen sich BIM-Markierungsdaten über Totalstationen − das sind motorisch gesteuerte elektronische Tachymeter − oder über tachymetrische Aufmaßsysteme wie Flexijet oder Leica 3D Disto. Die abzusteckenden Punkte werden dabei mit einem Laser auf Boden, Wand oder Decke projiziert. Unebenheiten oder ein Versatz in der Ebene werden erkannt und bei der Projektion berücksichtigt. Befestigungspunkte von Stützen, Trägern, Konsolen, nachträgliche Schlitze oder Durchbrüche etc. können so präzise, zeit- und personalsparend auf der Baustelle markiert oder direkt gebohrt werden.
Baumaschinen steuern
BIM-Modelldaten können auch zur Steuerung von Maschinen eingesetzt werden. Dabei wird zum Beispiel bei einem Bagger das Geländemodell über einen Monitor im Führerstand angezeigt. Darauf sieht der Fahrer kontinuierlich die Position der Maschine im Gelände sowie weitere Gelände- und Positionsdaten. Das ermöglicht zentimetergenaues Arbeiten. Zeitaufwendige manuelle Aufmaße und Absteckungen werden so vermieden.
Allerdings können die für die Steuerung notwendigen globalen Navigationssatellitensysteme (GNSS) nicht in Innenräumen genutzt werden. Hierfür werden beispielsweise auf einer Totalstation basierende Verfahren zur Positionsbestimmung verwendet. Roboter können so zum Beispiel Arbeiten auf der Grundlage von BIM-Daten ausführen. Der Bohrroboter Jaibot von Hilti ist beispielsweise in der Lage, sich selbstständig in Innenräumen zu orientieren, Löcher zu bohren und diese danachfür Montage- und Installationsarbeiten zu markieren.
Augmented Reality und Mixed Reality
Erweiterte Realitäten (Augmented Reality, AR) bringen BIM virtuell auf die Baustelle. Dabei werden über transparente AR-Brillen oder Tablets in das Realbild zusätzliche digitale Informationen, wie die gebäudetechnische Leitungsführung am Rohbau, in der jeweils richtigen Perspektive und im richtigen Maßstab eingeblendet. Komplexe Details können so direkt vor Ort besprochen, überprüft und eventuelle Konfliktpunkte gelöst werden. Ebenso kann vorab überprüft werden, ob für die Montage ausreichend Platz vorhanden ist, ob Installationsschächte zugänglich oder Funktionsbauteile im eingebauten Zustand bedienbar sind etc. Mixed Reality (MR) erkennt zusätzlich die jeweilige Umgebung und ermöglicht eine Interaktion mit den eingeblendeten digitalen Inhalten.
BIM to Field ist schon Realität
BIM to Field ist insbesondere bei großen Bauunternehmen schon Realität. Allerdings hängt die digitale Baustelle entscheidend von der Qualität der zur Verfügung gestellten BIM-Ausführungsmodelle ab. Diese setzen Know-how voraus, da bereits bei der Konstruktion des BIM-Modells die bauliche Umsetzung und Montage berücksichtigt werden müssen. Deshalb sollten BIM-Ausführungsmodelle von einem mit der Bauausführung und dem Baubetrieb vertrauten Mitarbeiter erstellt oder von diesem begleitet werden. Außerdem sollten die Anforderungen an BIM-Ausführungsmodelle im BIM-Abwicklungsplan (BAP) präzise beschrieben werden.
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz)
Das Stuttgarter Architekturbüro SIIN nutzt BIM to Field bereits. Es dokumentiert seine Projekte mit einem mobilen 3D-Laserscanner und macht einen Mängelabgleich mit dem BIM-Modell. Zwei Planer verraten im Interview, wie sie Fehler finden, wo sie Zeit sparen und wo die Technologie ihre Grenzen hat.