Das Architekturbüro SIIN aus Stuttgart hat sich auf die Leistungsphasen 5 bis 9 nach HOAI sowie auf das BIM-Management und die BIM-Gesamtkoordination spezialisiert. Unser Autor Marian Behaneck hat Nicolas Stolz, Bauingenieur mit Schwerpunkt Bau- und Lean-Management, Teamleiter Hochbau und Sirri El Jundi, BIM-Koordinator und BIM-Berater, zu ihren Praxiserfahrungen befragt.
Was sind die Vorteile der modellbasierten Baufortschrittsdokumentation, Qualitätssicherung und Mängelerfassung?
Nicolas Stolz: Zeitersparnis und Vollständigkeit. Vor allem bei großen Baustellen haben wir das Problem, dass man nur die Dinge abgleichen kann, die auch auf dem Plan vorhanden sind. Sind zum Beispiel Wandstärken auf den Plänen nicht vermaßt, dann macht man in der Regel davon kein Foto und prüft das gegebenenfalls auch nicht. Nehmen wir die Baustelle mit unserem mobilen Scanner auf, dann haben wir die komplette Baustelle erfasst. Maße müssen nicht mehr vor Ortüberprüft, sondern können im Modell ermittelt werden. In einer Stunde können wir 500 bis 1.000 Quadratmeter, je nach Komplexität, erfassen. Das dauert konventionell mindestens doppelt so lang und man hat nie alles vollständig erfasst.
Sirri El Jundi: Wir haben zudem eine bessere Datenqualität und eine modellbasierte Datengrundlage, die visualisiert und ausgewertet werden kann. Darüber hinaus können viele Prozesse auch automatisiert oder teilautomatisiert ablaufen. Das spart Zeit und reduziert Fehlerquellen. Darüber hinaus können auch Externe eingebunden werden, etwa bei der modellbasierten Mängelerfassung. Mängel können im Modell hinterlegt und verortet werden. So sind sie auch später vor Ort auffindbar.
Welche Hilfsmittel nutzen Sie für Vergleiche zwischen virtuellen BIM-Daten und realen Baustellendaten?
Sirri El Jundi: Baustellendaten erfassen wir mit dem mobilen Laserscanner NavVis VLX und der dazugehörigen Ivion-Plattform für die Visualisierung des digitalen Zwillings. Momentan gibt es viele unterschiedliche Lösungen, die wir für die visuelle Prüfung und auch für den automatisierten Abgleich oderregelbasierte Prüfungen nutzen. Auch der Markt ist derzeit in Bewegung und einige Anbieter sind mit neuen Lösungen hinzugekommen. Wir beobachten das natürlich interessiert.
Wie häufig und mit welcher Genauigkeit werden Baustellenobjekte geometrisch erfasst und wie funktioniert das?
Nicolas Stolz: Der von uns eingesetzte Laserscanner NavVis VLX hat Toleranzen von 13 Millimetern, zumindest sind das die Herstellerangaben. Die Aufnahme-Häufigkeit richtet sich nach dem Bedarf des Projekts. Wir erfassen das Objekt mindestens vier Mal: zum Abschluss des Rohbaus, zum Abschluss der TGA, vor der Erstellung des Estrichs und schließlich zum Projektabschluss. Erfasst werden die Baustellendaten, indem ein Mitarbeiter in normaler Schrittgeschwindigkeit mit dem Gerät auf den Schultern über die Baustelle oder durch das Gebäude läuft.
Wie werden Ausführungsqualitäten geprüft oder Soll/Ist-Stände abgeglichen und wie wird dies im Modell dokumentiert?
Nicolas Stolz: Aktuell gleichen wir Baustellen- und Plandaten schwerpunktmäßig über eine Sichtprüfung am PC-Monitor ab.
Sirri El Jundi: Liegt ein Modell vor oder wird durch uns eines erstellt, können wir Soll/Ist-Stände modellbasiert prüfen. Dies geschieht dann durch die Überlagerung des IFC-Modells mit der Punktwolkendatei im e57-Format. Die Dokumentation erfolgt dann über einen Viewer und über das BIM-Nachrichtenaustauschformat BCF.
Wie beurteilen Sie das Kosten-/Nutzenverhältnis?
Nicolas Stolz: Das Kosten-Nutzenverhältnis für das Aufmaß ist sehr gut. Man spart nicht nur Zeit, sondern auch Mitarbeiter, die beispielsweise bei einem klassischen Aufmaß erforderlich sind – und man muss eben nicht nochmal auf die Baustelle fahren, weil ein bestimmtes Foto fehlt. Auch Handwerker sparen Zeit, weil sie mit dem Scan einen Bildnachweis über die einzelnen Mängel haben. Auf der Baustelle nutzen wir das 3D Modell und die digitalen Planunterlagen aus dem 3D-Modell für Handwerkerbesprechungen und Visualisierungen zum generellen Verständnis des Gebäudes. Wir können Perspektiven aus dem 3D-Modell auf dem Tablet zeigen und den Schnitt so legen, wie wir ihn gerade brauchen. Das hilft häufig bei der Vermittlung von Sachverhalten.
Welche Grenzen hat diese Methode?
Nicolas Stolz: Der Soll/Ist-Abgleich mit dem Modell ist eine sehr gute Hilfe. So können die Lage und Größe der Bauteile über den Scan-Abgleich sehr einfach kontrolliert werden. Das ersetzt aber nicht die Prüfung auf der Baustelle. Die Qualität der Elemente kann ich beispielsweise nur vor Ort prüfen. Ob die Ausführungsqualität, das heißt die Verwendung der richtigen Baustoffe, die richtige Oberflächenqualität oder die richtigen Farben ausgeführt wurden, kann am Ende nur der Bauleiter vor Ort prüfen und bewerten.
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz)
Mehr über BIM to Field und Field to BIM erfahren Sie in einem weiteren Beitrag auf DABonline.