Rund 300 Teilnehmende kamen auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag 2022 zusammen (Klicken für mehr Bilder)
Auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag am vergangenen Freitag trafen sich 173 Studierende, 25 Lehrende, 53 Kammervertreter:innen und 59 Berufsteinsteiger:innen aus den Professionen Architektur, Innenarchitektur, Stadt- und Landschaftsplanung. Aus ganz Deutschland und auch aus Österreich kamen die Teilnehmenden zum Neubau des Oberstufenzentrum „Lise Meitner“ (Architekturbüro Numrich Albrecht Klumpp) in Berlin-Neukölln.
Wir vier Nachwuchskolumnist:innen waren mit dabei: Es war ein intensiver Austausch zwischen allen Teilnehmenden, sowohl innerhalb der eigenen Reihen als auch gruppenübergreifend. Wir diskutierten wichtige Zukunftsthemen, berichteten über unsere unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen. Hier geben wir Euch unsere persönlichen Eindrücke aus vier Perspektiven weiter:
Fabian P. Dahinten: Unsere Welten müssen zusammenkommen
Studium, Praxis und Architektenkammern sind drei Welten, die sich manchmal näher und manchmal ferner sind. Seit ich vor zwei Jahren aus der geschützten Hochschulwelt im Berufsalltag ankam, lernte ich eine neue Welt kennen – und eine weitere, als ich mich in der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen engagierte. In diesen drei Sphären scheinen sich die Ziele ähnlich zu sein, doch die Ansichten, wie diese erreicht werden können, liegen oft weit auseinander. Es macht mich ratlos, wie man mit demselben Ziel in unterschiedliche Richtungen laufen kann. Und das angesichts der enormen Herausforderungen unserer Zeit, gemeinsam neue Lösungen zu finden.
Der Nachwuchsarchitekt:innentag zeigte nach einem randvollen Programm im Abschlussplenum, dass dieser Eindruck Konsens ist. So fühle ich mich als Weltenwandler zwischen Kammern, Praxis und Studium endlich verstanden: Die Welten – Studium, Praxis und Kammern – müssen sich einander annähern, miteinander sprechen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Wir sind ein Berufsstand, der heute und morgen gefragter ist denn je.
Johanna Naara Ziebart: Wir und Ihr
Im Zwischenplenum teilten die einzelnen Gruppen (Lehrende, Studierende, Kammervertreter:innen und Berufseinsteiger:innen) auf der Bühne ihre Themen und Anliegen mit den anderen. Dabei fiel mir auf, dass immer von „Wir“ gesprochen wurde. Nicht wir innerhalb einer Gruppe, sondern wir alle, die da sind. Ich hatte das Gefühl, dass wir alle, die gleichen oder zumindest ähnliche Ziele und Wünsche haben. Am Ende des Tages, in der letzten Diskussionsrunde, bekam ich den Eindruck, dass sich dieses „Wir“ in ein „Ihr“ gewandelt hat.
„Wir“ haben zwar die gleichen Ziele, aber „Ihr“ seid dafür verantwortlich, dass es noch nicht so ist wie gewünscht. Die Lehrenden wollen, dass Ihr, die Studierenden eure freien Gedanken mit in die Praxis nehmt. Der Nachwuchs fordert, dass Ihr, die Kammervertreter:innen endlich mal etwas für den Nachwuchs tut. Die Kammervertreter:innen wollen, dass Ihr, der Nachwuchs zu uns kommt, uns sagt, was ihr wollt und mit uns die Kammerwelt verbessert. Deshalb sollte der Nachwuchsarchitekt:innentag unbedingt regelmäßig wiederholt werden, damit das „Wir“ durch stetigen Austausch gestärkt wird und „Wir“ gemeinsame Ziele formulieren. Wenn jede Gruppe bis zum nächsten Nachwuchsarchitekt:innentag einen Schritt näher am Ziel ist, haben „Wir“ wirklich etwas erreicht.
Lorenz Hahnheiser: Einer von vielen
Es muss unbedingt eine Fortsetzung für den Nachwuchsarchitekt:innentag geben – allein schon, um die Strukturfragen dieser ersten Veranstaltung zu überwinden und endlich Inhalte voranzubringen. Der beeindruckende Erfolg auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag ist das Zusammenkommen der nachwuchsrelevanten Akteur:innen. Das hat es so noch nicht gegeben: Statt isoliert zu überlegen, wie Nachwuchsthemen die handlungsfähigen Personen und Gremien erreichen, oder sich auf der anderen Seite zu fragen, wie der Nachwuchs bloß für Kammerpolitik begeistert werden könnte, saß man in einer Runde und konnte sich direkt adressieren. Naturgemäß drängten die unterschwelligen Fragen: Warum man erst jetzt von Angesicht zu Angesicht gekommen ist, wie man noch viel mehr Interessierten diese Möglichkeit geben könnte und was man jetzt daraus macht. Diese Fragen müssen gestellt werden, bevor man tatsächlich miteinander arbeiten kann.
Dem Nachwuchs und auch den Kammern geht es letzten Endes aber nicht um Strukturen. Es geht um Inhalte. Nur durch kontinuierliches Aufeinandertreffen verlieren strukturelle Fragen an Gewicht. Dieser erste Nachwuchsarchitekt:innentag sollte der erste in einer Reihe von vielen sein, um das volle Potenzial dieses Formates zu entfalten.
Johanna Lentzkow: Dialog für gegenseitiges Verständnis
Der Nachwuchsarchitekt:innentag hat endlich ermöglicht, was so dringend notwendig war: mit allen Akteur:innen unseres Berufs an einem Tisch zusammenzukommen, um über die Zukunft des Nachwuchses zu sprechen. Gerade in der zweiten Workshopphase, in der aktuelle Fragestellungen thematisiert wurden, bestätigte sich, wie wertvoll dieser Eins-zu-eins-Austausch ist. Der Workshop trug den Titel „Lust aufs Arbeiten?“ und hätte an Teilnehmenden nicht bunter gemischt sein können: Inhaber:innen eigener Büros, Studierende, die unmittelbar am Übergang von Studium und Arbeitswelt stehen, langjährige Werkstudent:innen, Kammervorsitzende.
Eint auf der einen Seite alle die gemeinsame Leidenschaft für den Beruf, so haben doch alle auch gegenseitige Erwartungen aneinander. Um das anfängliche Bubble-Denken aufzulösen, half der ehrliche Dialog, die eigenen Erwartungen in einen Realitätsbezug zu setzen und gegenseitiges Verständnis zu etablieren – genau, was ich mir von dem Tag erhofft hatte. Wir brauchen einander, um neue Impulse für Transformation zu setzen, wir brauchen Plattformen, um diesen wertvollen Dialog zu ermöglichen, und wir brauchen eine Fortsetzung des Nachwuchsarchitekt:innentags, um Inhalte voranzutreiben.
Weitere Informationen zum Nachwuchsarchitekt:innentag: Programm und Abschlusserklärung.
Johanna Lentzkow
absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt
und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.
Lorenz Hahnheiser
hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen,
nutzt die Zeit vor dem Master für erste Bauerfahrungen und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.
Johanna Naara Ziebart
studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold
und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.
Fabian P. Dahinten
studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+
und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.
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