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Gewichtung in Verhandlungsverfahren mit Planungswettbewerb

Bei Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Planungswettbewerb müssen die Zuschlagskriterien den Richtlinien für Planungswettbewerbe entsprechen. Der Gewinner muss also deutliche Vorteile haben. In diesem Fall war das nicht gegeben

18.01.20236 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „In der Regel plant der Gewinner“ im Deutschen Architektenblatt 01-02.2023 erschienen.

Von Janina Heidemann

Auslober eines bei den Architektenkammern registrierten Architektenwettbewerbs binden sich an die Vorgaben der Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW) 2013. Die Bindungswirkung betrifft allerdings nicht nur das eigentliche Wettbewerbsverfahren, sondern wirkt sich – bei öffentlichen Vergaben – auch auf das sich anschließende Verhandlungsverfahren nach der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung, VgV) aus. Gegen Wertungskriterien, die nicht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der RPW 2013 stehen, können und sollten sich Architekten wehren.

Nachfolgend wird ein nicht untypisches Beispiel einer RPW-widrigen Gestaltung des Verhandlungsverfahrens dargestellt: Ein Auftraggeber hatte für den beabsichtigten Neubau eines größeren Gebäudes im Gesundheits- und Betreuungsbereich einen nichtoffenen Realisierungswettbewerb durchgeführt. In den Wettbewerbsbedingungen hieß es, dass der Wettbewerb nach der RPW 2013 durchgeführt werde. Die Architektenleistungen sollten nach Abschluss des Planungswettbewerbs im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (§ 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV) vergeben werden.

Wirtschaftlichkeitskennzahl und Leistungspunkte

Nach Abschluss des Planungswettbewerbs wurden die Gewinner des ersten, zweiten und dritten Preises zum Verhandlungsgespräch eingeladen. Die Vergabebedingungen sahen vor, dass das wirtschaftlichste Angebot nach der einfachen Richtwertmethode ermittelt wird. Dies erfordert die Berechnung der Wirtschaftlichkeitskennzahl (Z) für jedes eingereichte Angebot.

Dazu sind in einem ersten Schritt die Leistungspunkte (L) und in einem zweiten Schritt der wertungsrelevante Preis (P) des betreffenden Angebots zu ermitteln. Die Wirtschaftlichkeitskennzahl (Z) wird dann durch Division der Leistungspunkte (L) durch den wertungsrelevanten Preis (P) berechnet. Die Berechnungsformel lautete im hier beschriebenen Fall: Z = (L/P) x 100.000.

Die Leistungspunkte (L) sollten (auszugsweise) wie folgt ermittelt werden:

Kriterium

Gewichtung

1. Ergebnis des Wettbewerbs mit folgender ­Aufteilung:

1. Preis: 50 Punkte

2. Preis: 40 Punkte

3. Preis: 30 Punkte

50

2. Ausführungskonzept, wobei die zu vergebenden Bewertungspunkte (0 bis 5 Punkte) mit dem Faktor 4 zu multiplizieren waren

20

3. Persönliche Erfahrung der Projektleitung, wobei der Projektleiter, der stellvertretende Projektleiter und der Bauleiter je zu 1/3 gewertet wurden

30

 

Der wertungsrelevante Preis (P) war als „Honorar gemäß Leistungs- und Vergütungskatalog“ definiert.

Geklärt werden musste, ob mit dieser Matrix

  • das Wettbewerbsergebnis mit einer der Vorgabe des § 8 Abs. 2 RPW 2013 entsprechenden Gewichtung in das Wertungsergebnis einfließt;
  • die Gewichtung aller Einzelkriterien der Vorgabe des § 76 Abs. 1 S. 1 VgV entspricht.

In der Regel plant der Gewinner

Gemäß § 8 Abs. 2 RPW 2013 soll „in der Regel der Gewinner“ eines Wettbewerbs beauftragt werden. Der (öffentliche) Auftraggeber ist damit verpflichtet, das Ergebnis des Architektenwettbewerbs im anschließenden Verhandlungsverfahren bei der Gewichtung der Auswahlkriterien in geeigneter Weise zu berücksichtigen; der erste Preisträger ist entsprechend zu privilegieren. Diese Vorgabe schränkt den Ermessensspielraum ein, der dem (öffentlichen) Auftraggeber bei Aufstellung der Wertungskriterien grundsätzlich eingeräumt ist.

Wenig Vorsprung für Gewinner im Verhandlungsverfahren

Im beschriebenen Fall hat der Auftraggeber die Regelung des § 8 Abs. 2 RPW 2013 nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt: Zwar war das Wettbewerbsergebnis innerhalb der Qualitätskriterien mit einem Anteil von 50 Prozent (maximal 50 von 100 Gesamtpunkten) gewichtet worden, jedoch war die vorgesehene Binnengewichtung innerhalb des Kriteriums „Wettbewerbsergebnis“ nicht geeignet, die Vorgabe des § 8 Abs. 2 RPW 2013 (Beauftragung des Gewinners im Regelfall) zu erfüllen. Der erste Preisträger sollte 50 der 100 Gesamtpunkte erhalten, der zweite Preisträger 40 und der dritte Preisträger 30. Der Punktevorsprung des Wettbewerbsgewinners gegenüber den weiteren Preisträgern konnte daher maximal zehn beziehungsweise 20 Punkte betragen. Dies entspricht lediglich zehn beziehungsweise 20 Prozent der für die Leistungskriterien vorgesehenen Gesamtpunktzahl.

Der Auftraggeber hat die Bedeutung des § 8 Abs. 2 RPW 2013 auch bei der Ausgestaltung des zweiten und dritten Leistungskriteriums verkannt. Die Privilegierung des Wettbewerbsgewinners muss auch bei der Gewichtung der weiteren Leistungskriterien „durchschlagen“. Der vorgesehene, nur geringe Punktevorsprung des Wettbewerbsgewinners gegenüber dem Zweit- und Drittplatzierten (zehn beziehungsweise 20 Punkte) führt dazu, dass bereits eine vergleichsweise geringe Besserbewertung der im Wettbewerb unterlegenen Bewerber bei den übrigen Leistungskriterien die Wertungsreihenfolge ändern kann.

Einfache Richtwertmethode untauglich

Verschärft wurde dies noch durch die vorgesehene Anwendung der einfachen Richtwertmethode. Die einfache Richtwertmethode legt zwingend fest, dass der (wertungsrelevante) Preis (P) ebenso gewichtet wird wie alle Leistungskriterien durch die erreichten Leistungspunkte (L) zusammen (Z = (L/P) x 100.000). Damit verliert das – vermeintlich hoch gewichtete – Qualitätskriterium „Wettbewerbsergebnis“ von vornherein erheblich an Bedeutung.

Bereits ein geringfügig teureres Honorarangebot des Wettbewerbsgewinners (elf Prozent höher als dasjenige des Zweitplatzierten) führt im oben beschriebenen Verfahren per Division von L durch P bei ansonsten gleicher Bewertung bei den Qualitätskriterien (100 Punkte für den Wettbewerbsgewinner; 90 Punkte für den Zweitplatzierten) dazu, dass der Zweitplatzierte dem Wettbewerbsgewinner den Rang abläuft.

Die mit der einfachen Richtwertmethode einhergehende gleichgewichtige Wertung der Leistung (insgesamt) und des Preises führt außerdem dazu, dass die Leistungs- beziehungsweise Qualitätskriterien für die Auswahlentscheidung keine stärkere Bedeutung haben als der Preis. Die Anwendung der einfachen Richtwertmethode bei der Wertung von Angeboten für Planungsleistungen ist damit von vornherein untauglich und somit vergaberechtswidrig. In § 76 Abs. 1 S. 1 VgV heißt es klar und deutlich: „Architekten- und Ingenieurleistungen werden im Leistungswettbewerb vergeben.“ Eine Wertungsmethode, die den Preis ebenso gewichtet wie sämtliche übrige Zuschlagskriterien zusammen, widerspricht diesen Vorgaben.

Fazit: Im Verhandlungsverfahren auf Gewichtung und Wertungsabstand achten

Im geschilderten Fall bestand für den Wettbewerbsgewinner trotz der offensichtlichen Vergaberechtsverstöße nur eingeschränkt die Möglichkeit, gegen diese vorzugehen. Vor allem mangels überwiegender öffentlicher Finanzierung des Neubauprojektes des Auftraggebers galt dieser nicht als öffentlicher Auftraggeber. Dies hatte trotz freiwilliger Bindung an die Bestimmungen der VgV zur Folge, dass der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht eröffnet war.

Die Erfolgsaussichten, gegen solche oder ähnliche Wertungsmatrizen vorzugehen, dürften bei öffentlichen Auftraggebern aber generell hoch sein. Betroffene Architekten sollten den Mut haben, diese Vergaberechtsverstöße mit einer Rüge (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 beziehungsweise Nr. 3 GWB) und erforderlichenfalls auch mit einem Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens bei den Vergabekammern (§§ 155 ff. GWB) geltend zu machen. Als Richtschnur für ein solches Vorgehen kann gelten: Das Wettbewerbsergebnis ist mit mindestens 40 Prozent der Gesamtpunktzahl zu gewichten und der Wertungsabstand zwischen dem Gewinner und den Nächstplatzierten darf nicht zu gering sein.

Janina Heidemann ist Rechtsanwältin und Senior Associate in der Kanzlei Wagensonner Rechtsanwälte in München

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