Unter freiem Himmel und nicht in Galerien oder Museen Kunst zu betrachten, ja körperlich zu erleben, ist keine Erfindung der Moderne. Doch in den letzten Jahrzehnten ist dieses Genre förmlich aufgeblüht und inspiriert längst auch Landschaftsarchitekten. Es gehe darum, „die Kunst in der Stadt zu verlieren“, schreibt das New York City Department of Cultural Affairs, „damit sie in die alltäglichen Abläufe eindringe“.
Gegen den geschlossenen Werksbegriff und die Verwertung
Ein wesentliches Motiv dieser Entgrenzung von Kunst ist seit den 1960er Jahren die Auflösung des klassischen Werksbegriffes: Indem ein Kunstwerk nur für einen Ort entworfen wird, entzieht es sich der ökonomischen Verwertung, so das Kalkül etwa der damals aufkommenden Land Art-Bewegung. Gerade bei der Land Art gibt es seither viele Berührungspunkte mit der Landschaftsarchitektur, die dadurch zunehmend selbstbewusst und autonom auftritt.
Von Versailles bis zur documenta
Die Kunst zu demokratisieren, sie allen zugänglich zu machen, trieb Künstler und Museumsleute an, als sie Ausstellungen wie die Skulpturen Projekte in Münster (seit 1977 alle zehn Jahre, parallel zu jeder zweiten documenta) ins Leben riefen.
Doch die Präsentation von Kunst unter freiem Himmel begann schon viel früher: Der manieristische Garten von Bomarzo, die barocken Skulpturengärten von Versailles, die Kleinarchitekturen in den Landschaftsgärten des 19. Jahrhunderts, Auguste Rodins mise en scène seiner Plastiken sind nur die bekanntesten Beispiele für die Verschmelzung von Natur und Kunst.
Ein enorm kundiger Rundumblick
Das sich breit auffächernde Thema kulturhistorisch aufzubereiten und anschaulich Revue passieren zu lassen, ist dem Düsseldorfer Autor Frank Maier-Solgk (der auch regelmäßig für das DAB schreibt) hier ausgezeichnet gelungen. Viele eigene Fotos sowie Interviews mit Künstlerinnen und Ausstellungsmachern belegen, dass er für das Buch ausgiebig recherchiert hat und das Thema durchdrungen hat: Es ist ein eigenständiges Standardwerk geworden.
Die Epochengliederung beginnt nach einem kurzen historischen Rückblick im Wesentlichen in der Nachkriegszeit, als vor allem in Westeuropa von der öffentlichen Hand höchst ambitionierte Freiraumkunstprojekte angeschoben wurden, etwa 1971 im Sonsbeek Park in Arnheim, von wo sich die Idee über die ganzen Niederlande verbreitete.
Land Art und Skulpturenparks
Die Protagonisten der Land Art der 60er und 70er Jahre, vor allem aus dem angelsächsischen Raum, nehmen selbstverständlich ein eigenes Kapitel ein. Ihre anti-idealistischen Konzepte inspirieren bis heute etwa die zahlreichen Reklamationsprojekte auf Abraumhalden. Die Wurzeln der Zivilisationskritik reichen bis zu den künstlichen Ruinen in den Landschaftsgärten des 19. Jahrhunderts.
Auf die öffentlichen Stadtskulpturenparks folgten in den Achtzigern zahlreiche private Refugien auf dem Land (hierzulande zum Beispiel die Insel Hombroich), die ausführlich vorgestellt werden. Hier schließt auch die Sammlung aktueller Parkprojekte am Schluss des Buches an.
Kunst im Anthropozän
Dazwischen widmet sich ein Kapitel der ökologischen Kunst und den Revier-Landschaften, etwa der Verwandlung der Emscher vom Abwasserkanal zum Schauplatz öffentlicher Kunstinszenierung. Dem Betrachter mit Aktionen die Augen zu öffnen für die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, für das Brüchige und Lebendige, zum Beispiel mit Unterwasser-Installationen auf Korallenriffen oder mit schmelzenden Eisblöcken auf Plätzen – auch dies kann Kunst.
Das weite, ausfransende, zuweilen subversiv wirkende Feld dieser Kunstrichtung ist mit dem Titel „Green Fields“ vielleicht etwas harmlos umrissen. Doch wer sich in die überaus kundigen, gut lesbaren, von einer umfangreichen Bibliographie ergänzten Texte vertieft, findet in dem hochwertig gedruckten (und dafür preisgünstigen) Werk gerade auch als Gestalter Einblick in einen inspirierenden Kosmos an Ideen zu besonderen Orten.
Frank Maier-Solgk
Green Fields. Skulpturen in natürlichen Räumen
VDG, arts + science, 2023
320 Seiten, 24 Euro
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: