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VgV: Auftragswertberechnung und EU-weite Ausschreibung

Nach einer Anpassung der Vergabeverordnung an EU-Recht müssen auch kleine Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben werden. Mehraufwand für öffentliche Auftraggeber und eine Verdrängung kleiner Planungsbüros werden erwartet

24.08.20233 Min. 5 Kommentar schreiben
Laptop, Stift und Block mit Zahlen
Bei öffentlichen Aufträgen müssen nun alle Planungshonorare addiert werden. Danach entscheidet sich, ob EU-weit ausgeschrieben werden muss. Foto: Volkan Olmez auf Unsplash

Dieser Beitrag beruht auf Pressemitteilungen der BAK vom 16.6.2023 und vom 24.8.2023

Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 23. August 2023 trat die „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ in Kraft.

Auftragswertberechnung und Schwellenwert

Zu den im Verordnungstitel nur nebenbei erwähnten Anpassungen an „weitere europarechtliche Anforderungen“ gehört eine Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV (Vergabeverordnung). Danach wurden zur Ermittlung des Auftragswertes bisher nur gleichartige Planungsleistungen zusammengefasst. Sobald diese einen Schwellenwert von aktuell 215.000 Euro überschritten, musste europaweit ausgeschrieben werden. Weil diese Regelung nach Auffassung der EU-Kommission gegen EU-Recht verstieß, wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Darauf reagierte die Bundesregierung jetzt mit der Streichung des Paragrafen aus der Vergabeverordnung. Nun müssen alle Planungshonorare (inklusive der Fachplaner) zusammen betrachtet werden. Auch kleine Planungsaufträge müssen folglich europaweit ausgeschrieben werden, sofern die voraussichtliche Gesamtsumme aller Planungshonorare den Schwellenwert übersteigt. In Deutschland wird der Anteil aller Planungskosten an den Gesamtbaukosten mit ca. 26 Prozent beziffert, europaweit auszuschreiben wäre dann schon bei Projekten, deren Gesamtkosten bei ca. 860.000 Euro liegen.

Auftragswertberechnung: Ganze Baukosten statt nur Planungskosten?

Der Bundesrat hatte – ebenso wie Planerorganisationen und kommunale Spitzenverbände – eine Handreichung gefordert, die eine rechtssichere Auftragswertberechnung ermöglicht. In der Verordnungsbegründung des Ministeriums wurde nämlich ein Ansatz beschrieben, wonach als Grundlage für die Auftragswertberechnung (auch) von Planungsleistungen das Bauvorhaben als Ganzes herangezogen werden kann (ab 2024 Schwellenwert: 5,538 Mio. Euro), die Vergabe sowohl der Planungs- als auch Bauleistungen aber zugleich weiterhin in einzelnen Losen erfolgen kann.

Aufwändigere Vergabeverfahren

Ob die inzwischen vorliegende Handreichung des BMWK tatsächlich zur Rechtssicherheit beitragen kann, ist aber sehr zweifelhaft. „Ob (sie) die öffentlichen Auftraggeber veranlassen könnte, für die Auftragswertberechnung den höheren Schwellenwert für Bauvorhaben heranzuziehen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen“, sagt Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. „Wir werden uns hierzu insbesondere mit den kommunalen Spitzenverbänden weiter austauschen. Denn sollten die Kommunen dies nicht tun, ist mit einer Verzehnfachung der EU weiten Ausschreibungen zu rechnen. Dies würde nicht nur die meisten Kommunen überfordern, auch viele kleine und junge Planungsbüros werden wegen des viel höheren Bewerbungsaufwands von Ausschreibungsteilnahmen absehen zu Lasten von innovativen Ideen für mehr Nachhaltigkeit und Baukultur.“ Die Folge wäre eine Existenzgefährdung für die mittelstandsgeprägte Planungswirtschaft in Deutschland.

Kleine und mittlere Planungsbüros gefährdet

Der Präsident der Bundesingenieurkammer, Dr.-Ing Heinrich Bökamp, befürchtet massive Auswirkungen auf die planenden Berufe und auf eine Vielzahl dringend benötigter Bauprojekte in Deutschland. „Gerade in diesen herausfordernden Zeiten sollten die kleinen und mittleren Büros geschützt und gefördert werden. Diese bilden bislang das Rückgrat der deutschen Planungslandschaft und werden vor dem Hintergrund von Bau- und Energiewende dringender denn je benötigt. Eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Leistungserbringung kann jedoch nur unter fairen Rahmenbedingungen gewährleistet werden“, unterstreicht der Präsident der Bundesingenieurkammer.

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5 Gedanken zu „VgV: Auftragswertberechnung und EU-weite Ausschreibung

  1. Ich bin zutiefst erschüttert von dieser Entscheidung. Meiner Meinung nach zeigt sich die absolute Entfremdung der Politik von der Realität und gleichzeitig die fehlende Durchsetzungskraft in den Argumenten von den Architektenkammern. Als die ersten Anwendungshinweise zu der Schwellenwertberechnung für Planungsleistungen zu Beginn der Vergabeverfahren erschienen, hielt ich es noch für einen versehentlichen Übersetzungsfehler des EU-Rechts und eine falsche Lesart, alle Honorare der Leistungsbilder zu addieren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Unsinn ernst gemeint war und hoffte auf eine baldige Klarstellung auch gegenüber der EU. In dem Heft der BAK zur Vergabe von Architektenleistungen wurde dies auch differenziert dargestellt. Mit der nun verabschiedeten Regelung wird diese Hoffnung zerschlagen.
    Die Bundesregierung hat aktuell als einen wesentlichen Baustein zur Ankurbelung der Wirtschaft die Reduzierung der Bürokratie benannt. Mit der nun verabschiedeten Regelung zur Berechnung der Schwellenwerte für Planungsleistungen wird genau dies nicht erreicht, sondern eine massive Erweiterung der Bürokratie in der Vergabe von Planungsaufträgen geschaffen. Es ist kaum nachzuvollziehen, wie die Bundesregierung solch einen Unsinn beschließen kann. Mit dem Hinweis auf EU-Recht, müssen aber auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen (Generalunternehmen, Projektpakete etc.) in den anderen EU-Ländern berücksichtigt werden. Die Bundesregierung hätte hier die nationalen Interessen und Rahmenbedingen stärker berücksichtigen müssen. Was wird nun mit der neuen Regelung passieren.
    1. Auftraggeber mit geförderten Projekten und öffentliche Auftraggeber werden bei den kleinsten Projekten gezwungen ein aufwendiges, formelles, bürokratisches Vergabeverfahren zu führen
    2. Da sich viele Auftraggeber hier inhaltlich und finanziell überfordert fühlen, wird es durch externe Hilfe teurer werden
    3. Durch die lange Vorbereitungs- und Verfahrenszeit mit Fristen wird sich die Umsetzungszeit verlängern
    4. Um sich die Arbeit zu vereinfachen, werden die Auftraggeber immer eine Generalplanungsleistung mit sämtlichen Leistungsbildern ausschreiben. Dies führt für kleine Planungsbüros zu vielen Nachunternehmen. Dies ist eine riesige Katastrophe!! Ein kleines Planungsbüro wird hier zu einer Bank, da nur ein Bruchteil des Gesamthonorars als Eigenanteil im Büro verbleibt. Das Planungsbüro verwaltet die Honorare der Nachunternehmen in einem erheblichen Umfang. In Zeiten von Verwahrzinsen war dies zusätzlich mit finanziellen Einbußen verbunden.
    5. Da die Auftraggeber zukünftig vermehrt die Generalplanung ausschreiben werden, um die Verfahrensschritte nur einmal zu durchlaufen, entstehen für die Planungsbüros mit vielen Nachunternehmen Bewerbungsunterlagen mit nicht selten 200-300 Seiten! Jedes Leistungsbild hat seine Referenzen, Nachweise etc. abzuliefern. Das soll Bürokratieabbau sein?
    Es ist eine Katastrophe, die sich nur mit der Unwissenheit der Bundesregierung erklären lässt. Sie kann sich nicht immer hinter den Forderungen EU verstecken, sondern muss sich mit eigenen Argumenten auch gegen Unsinn durchsetzen können.
    Ich bedauere zutiefst diese neue Regelung. Mich wundert, dass die Architekten von kleinen und mittleren Planungsbüros sich dagegen nicht stärker einsetzen.
    Unser Planungsbüro befindet sich in einer strukturschwachen Gegend in Sachsen-Anhalt. Wir planen viel mit öffentlichen Mitteln und für Öffentliche Auftraggeber. Somit kenne ich die Verfahrensweise im VGV und berichte aus reichhaltigen Erfahrungen. Die neue Regelung wird zum Absterben von kleinen und mittleren Planungsbüros führen, welche auf öffentliche Auftraggeber oder auf Aufträge mit Fördermitteln angewiesen sind. Die Vergabeverfahren werden zunehmend die Generalplanung ausschreiben, welche von großen Planungsbüros gewonnen werden. Hier spielen der bürokratische Aufwand und die Generalplanung nur eine untergeordnete Rolle. Mit Regionalität hat dies nichts mehr zu tuen.
    Im Übrigen wird im §97 des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) geregelt, dass zur Berücksichtigung von mittelständischen Interessen (kleine Planungsbüros), Leistungen nach Fachgebieten aufzuteilen sind. Dies wird in der Praxis kaum und zukünftig mit dem aufgezwungenen VGV noch weniger umgesetzt, so dass es vermehrt Generalplanungsleistungen mit hohem bürokratischem und finanziellem Aufwand für kleiner Büros geben wird.

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  2. Eine kleine Anmerkung zum Kommentar von Herrn Lück:

    Die Änderung (Streichen von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV) basiert bekanntlich auf Vorgaben des EU-Rechts, wonach grundsätzlich alle Leistungen zusammenzurechnen sind. Die vormalige deutsche Regelung hat dagegen verstoßen und ist deswegen bekanntlich mehrfach Gegenstand langjähriger gerichtlicher Auseinandersetzung geworden. Es kommt also weder überraschend noch fachlich unstimmig, wenn der deutsche Gesetzgeber diese Sonderregelung nun streicht.

    Die Änderung hat keine rechtlichen Auswirkungen hinsichtlich der Vergabe von Generalplanerleistungen. Die Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber, von der gesetzlich gebotenen Losbildung abzusehen, sind unverändert eng begrenzt und müssen zudem belastbar begründet werden. Die bloße Ersparnis an formellem Aufwand zur Ausschreibung ist bekanntlich kein anerkannter Grund. Wenn öffentliche Auftraggeber zukünftig vermehrt an Generalplaner vergeben, könnten sich insofern zusätzliche rechtliche Angriffsflächen für kleinere Planungsbüros eröffnen. In der Praxis sind die Begründungen nicht selten unzureichend und der Aufwand für eine (praktisch formlose) Rüge ist vergleichbar mit einer E-Mail.

    Im Übrigen kann man es bei Betrachtung des bürokratischen Aufwandes auch als Chance betrachten, dass europaweite Verfahren nach einem einheitlichen Standard verlaufen, wohingegen sich nationale Verfahren nach dem jeweiligen Recht von 16 Bundesländern (zzgl. Bund) richten, das überdies oftmals noch nach der Art der ausschreibenden Behörde unterscheidet. Gerade für kleinere und mittlere Planungsbüros kann es sich auch auszahlen, sich nach einmaliger Einarbeitung künftig verstärkt an europaweiten Verfahren zu beteiligen.

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  3. Wozu die neue Regelung führt, will ich an (m)einem Beispiel vor Augen führen: Unser Büro, bestehend aus 2 Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Koordinatoren, wird in erster Linie von der öffentlichen Hand und ähnlichen kommunalen Institutionen beauftragt. Unsere Auftragssummen bewegen sich in der Regel in einer Größenordnung von 5-15.000 € über die Laufzeit des Bauvorhabens gerechnet. Die bei diesen Projekten zu vergebenden weiteren Aufträge an planenende und fachplanende Büros überschreiten in Summe regelmäßig den Schwellenwert. Damit für uns unter dem Strich etwas hängen bleibt, müssen entsprechend viele „kleine“ Aufträge akquiriert werden. Der bürokratische (und zeitliche) Aufwand, den ein solches Bewerbungsverfahren jedes Mal mit sich bringt, steht nicht nur in keinem vernünftigen Verhältnis zur potentiellen Vergabesumme, es macht auch überhaupt keinen Sinn, eine solche Leistung wie die SiGe-Koordination in den genannten Größenordnungen europaweit auszuschreiben, da solche Leistungen nur dann sinnvoll erbracht werden können, wenn kurze Wege (Umkreis max. 50 km) zur zu überwachenden Baustelle gegeben sind. Die ohnehin schon personell überforderten Kommunen bedienen sich nun vermehrt Projektsteuerern, an die die Ausschreibungen delegiert werden und die dafür pro europaweiter Ausschreibung Honorare in der Größenordnung kassieren, die wir für unsere komplette Leistung insgesamt erhalten. Ist das Schwachsinn oder ist das Schwachsinn???

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  4. Die Kommunen sollten sich gar nicht mehr danach richten.
    Sollen es doch alle Kommunen mal auf Klagen ankommen lassen.
    Wer hat noch Lust und Zeit zu klagen und das Risiko der Kosten zu tragen ?
    Der Aufwand wäre für alle Beteiligten fast geringer als sich im Voraus mit all der Bürokratie und dem Recht zu beschäftigen.
    Dann können sich alle gegenseitig verklagen und das Rechtssystem bricht auch noch zusammen.
    Und die öffentlichen Auftraggeber werden ohne die kleinen Büros eben am Ende alle teurer bauen, weil bei allen größeren Büros der sogenannte „Wasserkopf“ auch größer ist. Sind ja unsere Steuergelder. Egal.

    Der Sinn der Regelung wird schnell in Frage gestellt werden, wenn z.B. der SiGeKo aufgrund der Entfernung gar nicht mehr auf der Baustelle auftaucht und nur sporadisch monatlich Rechnungen für Audits schreibt. Das habe ich als Bauleiter auch schon erlebt.
    Zu viele Köche kochen am Brei – und in diesem Fall praxisferne Köche….

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  5. Bei dieser ganzen Diskussion habe ich mal die Grundlagen hierzu nachgelesen. Der Schwellenwert für „Bauaufträge“ bezieht sich immer auf einen gesamten Bauauftrag für ein komplettes Bauwerk. Die Kosten beinhalten die Kostengruppen nach DIN, also auch die Kostengruppe 700. Die Baunebenkosten sind nicht getrennt von den Baukosten ein eigenständiges Projekt und auch nicht ohne die Bauausführung sinnvoll erfüllbar, oder wer kann Bauleitung ohne Ausführung erbringen? Dieser gesamte „Bauauftrag“ wird in D üblicherweise in Losen vergeben, also Lose für Handwerker und Planer. Ich kann hier keine Vorschrift erkennen, nach der die zur Errichtung eines Bauwerks erforderlichen Baunebenkosten nicht Bestandteil des Bauwerks, also auch Teil der Gesamtkosten sind, die zur Ermittlung des EU-Schwellenwertes herangezogen werden müssen. Sie gehören also mit zu den ca. 5 Mio EURO. Denn die Grenze von 221.000 EUR gilt nur für Dienstleistungen , die nicht zu einer Bauleistung gehören. Wenn ich hier falsch liege, würde mich die Begründung interessieren.

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