Was haben hat Künstliche Intelligenz mit synthetischer Biologie, Naturschutz, Biodiversität und Kunst zu tun? Für viele vermutlich erstmal nicht viel. Die Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg setzt sich in ihrer Arbeit aber genau damit auseinander: dem Verhältnis des Menschen zur Natur – und zur Technologie. „Ich wollte Kunst für Bestäuber machen, nicht über sie“, wird Ginsberg auf der Webseite Pollinator Pathmaker zitiert.
Eine Aussage, die viele Fragen aufwirft: Kann es überhaupt Kunst für Insekten geben? Wie kann ein Insekt Kunst wahrnehmen? Und nimmt sich die Kunst vielleicht zu viel raus, hier ein Zeichen für die aktuelle ökologische Krise zu setzten? Ich denke, nein absolut nicht, und weil ich ziemlich begeistert bin von diesem Kunstprojekt, stelle ich es in dieser Kolumne vor.
Für wen legen wir Gärten an?
Die Inititative zum Pollinator Pathmaker entstand im Auftrag des Eden Project in Cornwall, UK. Das Ziel ist, das Bewusstsein zu verändern, wie wir Gärten sehen und für wen wir sie anlegen. Das artenübergreifende Kunstwerk ist in erster Linie für Bestäuberinsekten konzipiert. Der Mensch ist lediglich für die Pflanzung und die Pflege da. Doch warum spielt es überhaupt eine Rolle, ob die Pflanzen nun für die menschliche Ästhetik gepflanzt werden, und nebenbei auch Futterquelle für Insekten sind – oder ob wirklich im Mittelpunkt ein „Kunstwerk für Bestäuberinsekten“ steht? Da Farben von unterschiedlichen Insekten anders wahrgenommen werden als von uns, kann unser Auge nicht beurteilen, wie es aus der Perspektive der Bestäubenden aussieht.
Faktoren für die Gartenplanung mit KI
Daher hat die Künstlerin in Zusammenarbeit mit einem Expertenteam des Eden Project und der Unterstützung aus der KI-Forschung einen Algorithmus für den Pollinator Pathmaker entwickelt, der „für jede Bedingung den jeweils ‚empathischsten‘ Bepflanzungsplan generiert“. Wobei die Empathie hier gewährleistet, dass jede Art die größtmögliche Vielfalt an Insekten anspricht.
In Alexandra Daisy Ginsbergs Online-Tool gibt man ein:
- Den Standort, in diesem Fall das Land in dem die Fläche angelegt werden soll, Breiten- und Längengrad.
- Die Konsistenz der Erde (kalkig, lehmig, Ton oder Sand) sowie deren pH-Wert (alkalisch, neutral oder sauer).
- Die Lichtverhältnisse (Sonne, Halbschatten oder Schatten).
- Die Windverhältnisse (windgeschützten oder ungeschützt).
Soweit so gut: Dies sind Faktoren, die in jeder Pflanzplanung berücksichtigt werden sollten, wenn es sich um eine langfristige und nachhaltige Pflanzung handeln soll und nicht jedes Jahr neu gepflanzt wird.
Der Pollinator Pathmaker erstellt einen empathischen Pflanzplan
Der Punkt, der diese Pflanzplanung von anderen unterscheidet, ist die „Empathie“. Im Online-Tool kann man über Regler auswählen, ob es weniger oder mehr Pflanzenarten geben soll, ob die Anlage klar oder komplex sein soll. Wobei eine klare Anlage hauptsächlich Pflanzen beinhaltet, die eine große Bandbreite von Insekten anzieht und eine komplexe Anlage auch Spezialisten abdeckt.
Der letzte Punkt beim Pollinator Pathmaker sind die Flugrouten. Wobei man zwischen Flugrouten und Terrains entscheidet, da dies für unterschiedliche Insekten entscheidend ist. Mit „Erstelle meinen Garten“ gibt man der KI den Auftrag, für die soeben konzipierte Fläche einen Pflanzplan zu erstellen.
Eine 3D-Ansicht zeigt die Veränderung der Fläche im Laufe der Jahreszeiten. Außerdem kann man in die „Bestäuberansicht“ wechseln, was alle Pflanzen in grellen grün bis rot-violetten Tönen darstellt. Die Pflanzennamen können ebenfalls an oder ausgeschaltet werden. Anschließend lässt sich ein Pflanzplan herunterladen und man bekommt noch eine Anleitung für Pflanzung dazu.
Über 7.000 Pflanzen und 80 unterschiedliche Arten
Der erste so mit dem Pollinator Pathmaker geplante Garten wurde im September 2021 in den Außenanlagen des Eden Projects in Cornwall umgesetzt und im Mai 2022 feierlich eröffnet. Es folgte ein 250 Meter langer „North Flore Walk“ in Kensington Gardens. Und als erstes Projekt außerhalb Großbritanniens der Vorplatz des Museums für Naturkunde in Berlin im Mai 2023. Über 7.000 Pflanzen und 80 unterschiedliche Arten wurde hier gepflanzt.
Die LAS Art Foundation hatte die Künstlerin beauftragt und unterstützt seitdem Nachbarschaften, Schulen und Gartenbegeisterte, mit dem Pollinator Pathmaker eigene Kunstwerke zum Bestäuben anzulegen um somit einen Betrag zur Gesundheit der Berliner Stadtnatur zu leisten. Ein dazugehöriges Vermittlungsprogramm im Museum für Naturkunde, in dem einem diversen Publikum die ökologische Rolle von Bestäubern nahgebracht wird, sensibilisiert in unterschiedlichen Formaten Menschen und animiert sie, selbst zum Schutz unserer heimischen Insekten zu handeln.
Falls die ein oder andere Gartenumgestaltung im Herbst ansteht, lohnt sich also ein Blick auf die KI-generierte Pflanzplanung per Pollinator Pathmaker. Damit unterstützt man Ginsbergs Ziel, das weltweit größte klimapositive Kunstwerk zu schaffen.
Luisa Richter absolvierte ihren Bachelor in der Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Berlin und studiert dort nun im Master weiter. Sie engagiert sich in der Bundesfachschaft Landschaft.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.
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