Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Brandschutz bei Umnutzungen“ im Deutschen Architektenblatt 12.2023 erschienen.
Von Johannes Stahl und Stefan Klausing
Zu den zentralen Aufgaben der nächsten Jahre zählt die Schaffung von Wohnraum. Eine interessante Option ist hierfür die Umnutzung gewerblich genutzter Gebäude. Die Bewertung der Tauglichkeit beziehungsweise Ertüchtigung vorhandener Brandschutzelemente – normativ korrekt als Feuer- und Rauchschutzelemente (FSA/RSA) bezeichnet – sowie der Einbau neuer Bauelemente in die bestehende Bausubstanz sind dabei von großer Bedeutung. Das gilt im Hinblick auf den Denkmalschutz, aber auch aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen.
Im Gebäudebestand sind sehr häufig auch alte Brandschutzelemente verbaut, die zur Einbauzeit baurechtlich zulässig waren. Diese Bauelemente gelten so lange als tauglich, bis ein Brandereignis auftritt oder erhebliche bauliche Veränderungen oder Nutzungsänderungen vorgenommen werden.
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Alte Brandschutzelemente oft ohne Nachweise
So wie die Gebäude nach den damals gültigen Bauregeln und Vorschriften errichtet wurden, sind auch die Brandschutzelemente in der Regel entsprechend den damalig geltenden bauaufsichtlichen Nachweisen gefertigt und montiert worden. Entsprechende Nachweise und Zulassungen sollten zwar in der Gebäudedokumentation enthalten sein, fehlen aber oft. In einigen Fällen wurden Brandschutzelemente aber auch nur „in Anlehnung“ an bestehende bauaufsichtliche Nachweise, nach Normen, zum Beispiel nach DIN 18082 „Feuerhemmende einflüglige Stahltüren“ aus dem Jahr 1969, oder nach bekannten Prinzipien mit den geeigneten Materialien hergestellt und eingebaut.
Bei baulichen Veränderungen, wie bei Umbauten oder Erweiterungen, oder bei Änderungen der Nutzung bleibt zwar der Bestand erhalten, jedoch müssen die aktuellen baulichen Anforderungen eingehalten werden. Das betrifft auch die bauordnungsrechtlichen Vorgaben zum Brand- und Rauchschutz, zu sehen auf dem folgenden Foto:
Einordnung alter Brandschutzelemente
In Abhängigkeit von der geplanten Nutzung sowie den vorhandenen und neuen Gebäudestrukturen werden die Vorgaben zum baulichen Brandschutz und die Möglichkeiten für Rettungsmaßnahmen und Brandbekämpfung in einem Brandschutzkonzept festgelegt. Darin werden auch die Anforderungen für die bestehenden oder neuen Brandschutzelemente durch Feuerwiderstandsklassen festgelegt.
Die Erfüllung der Anforderungen durch neue Brandschutzelemente ist normativ eindeutig vorgegeben. Aber für die Bewertung der Eignung alter Brandschutzelemente gibt es keinen allgemeinen Fahrplan. Insbesondere wenn die Kennzeichnung fehlt, beginnt die „Detektivarbeit“ durch den Planer oder einen Sachverständigen. Das gilt auch, wenn diese Bauelemente zum Einbauzeitpunkt normkonform gefertigt und eingebaut wurden, das nachfolgende Bild macht es deutlich:
Bei Änderungen auch Bestand erfassen
Problematisch sind Brandschutzelemente, die nur „in Anlehnung“ an bauaufsichtliche Nachweise oder Normen gefertigt wurden. Deshalb ist es üblich, dass bei Änderungen von Gebäuden (baulich oder Nutzung) mit der Erstellung des Brandschutzkonzepts auch der Bestand der eingebauten Brandschutzelemente detailliert erfasst wird.
Nach dem Abgleich der Bestandsaufnahme mit den Forderungen des aktuellen Brandschutzkonzeptes unter Berücksichtigung aller relevanten Bereiche, wie Gebäudestruktur, technische Ausrüstung, Personenanzahl, Rettungswege und sonstige Brandbekämpfungsmaßnahmen, ergibt sich häufig das Problem, wie nicht gekennzeichnete Brandschutzelemente bewertet werden können. Dies umfasst die bauordnungsrechtliche Einordnung sowie Aussagen zu gekennzeichneten Brandschutzelementen in Bezug auf deren tatsächliche brandschutztechnische Leistungsfähigkeit.
Vorhandene Brandschutzelemente bewerten
Handelt es sich um eine überschaubare Stückzahl an Elementen und damit um akzeptable Kosten, wird häufig schnell eine Entscheidung für den Austausch der alten Brandschutz-
elemente getroffen. Doch in vielen Fällen verhindern der Denkmalschutz oder der Bestandsschutz sowie wirtschaftliche Gründe diese Option. Oder Architekten möchten mit Blick auf die Nachhaltigkeit ihres Projekts möglichst viele Bestandteile eines Gebäudes erhalten und Abfall vermeiden. Dann müssen der Feuerwiderstand beziehungsweise die Rauchdichtheit der eingebauten Elemente verlässlich bewertet werden.
Je nach Anforderung und der baulichen Situation des Bauvorhabens kann bei ausreichender Erfahrung und Fachkompetenz des Sachverständigen eine Sichtung und Bewertung der Brandschutzelemente im Rahmen einer Baustellenbegehung erfolgen. Das Ergebnis sollte aber nicht einfach nur zu einer pauschalen Austauschempfehlung führen.
Für die Bewertung vorhandener Brandschutzelemente gilt es folgende Fragen zu klären:
- Welche Anforderungen können von den vorhandenen Brandschutzelementen noch beziehungsweise nicht mehr erfüllt werden?
- Können die Brandschutzelemente angepasst und ertüchtigt werden, um die aktuellen Anforderungen zu erfüllen?
- Wurden die alten Elemente zulassungskonform ausgeführt?
- Können die Brandschutzelemente eventuell ausgebaut werden, um das tatsächliche oder noch vorhandene Leistungsvermögen durch geeignete Prüfverfahren zu beurteilen?
Damit bei der Bewertung des Bestands nichts vergessen wird, sind alle relevanten Aufgaben in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Nachträgliche Prüfung des Feuerwiderstands
Die Bewertung des Feuerwiderstands von Bestandselementen kann auch durch Feuerwiderstandsprüfungen an einem Element erfolgen und auf gleiche oder ähnliche Bauelemente übertragen werden. Diese Prüfungen werden auf Basis von Prüfnormen durchgeführt. Oft sind aber Abweichungen hinsichtlich der Konstruktion und der vorhandenen Zulassung notwendig, um die jeweiligen Bauelemente, wie Türen, Trennwände, Fassaden oder Decken, auf die Einbausituation im jeweiligen Bauvorhaben anzupassen.
In bestehenden Gebäuden weichen die Bedingungen oft von den normierten Verwendbarkeits- und Anwendbarkeitsnachweisen ab. Daraus folgt, dass auch die Prüfbedingungen – Anforderungen an den Probekörper, Messeinrichtungen oder die Durchführung der Prüfung – für das Brandschutzprodukt oder -element nicht eins zu eins angewendet werden können. Diese Abweichungen im Sinne des § 67 MBO ergeben sich oft aus Vorgaben des Denkmalschutzes oder der spezifischen Nutzung, sodass sich normkonforme Prüfungen nicht durchführen lassen.
Deshalb ist es erforderlich, die Feuerwiderstandsprüfungen in Anlehnung an die jeweilige Prüfnorm durchzuführen und die Ergebnisse entsprechend zu interpretieren. Die Ergebnisse können dann in Form eines zusammenfassenden Dokuments (gutachterliche Stellungnahme) baurechtlich als Basis zur Beantragung eines Verwendbarkeits- oder Anwendbarkeitsnachweises (Zulassung, Prüfzeugnis, vorhabenbezogene Bauartgenehmigung, Zustimmung im Einzelfall) genutzt werden, mit dem dann die alten Brandschutzelemente unverändert oder durch eine Ertüchtigung weiterverwendet werden können (so auf dem nachfolgenden Foto zu sehen). Somit kann bereits vor der Umnutzung eines Gebäudes festgestellt werden, welche Maßnahmen möglich und wirtschaftlich sinnvoll sind.
Kritische Aspekte der Prüfplanung
Eine genaue Kenntnis der Prüfnormen und umfangreiche Prüferfahrungen sind notwendig, um die zulässigen Abweichungen und Änderungen der Prüfung zu kennen und zu interpretieren. Beispielsweise sind bei der EN 1634-1 (Drehflügeltüren/-tore, Fenster oder Feuerschutzvorhänge) der Anwendungsbereich, die Ausführung und der Einbau des Probekörpers, das Anbringen der Messeinrichtungen, die Durchführung der Prüfung und die gewünschten Leistungskriterien zu beachten. Gleiches gilt für die Anzahl der zu prüfenden Probekörper in einer Prüfung, die Tragkonstruktionen oder auch die Elementgröße. Eine normkonforme Prüfung ist also nur unter Einhaltung aller Rahmenbedingungen möglich.
In Gebäuden gibt es jedoch häufig Anforderungen und Einbaubedingungen, die eine normkonforme Prüfung nicht ermöglichen.
- Ein praktisches Beispiel ist die Aneinanderreihung von Feuerschutzabschlüssen, bei denen die normkonforme seitliche Tragkonstruktion zur Ableitung der auftretenden Kräfte während der Prüfung fehlt. Dieser Anwendungsfall ist durch die Prüfnormen nicht vollständig abgedeckt und wird in den Zulassungen meistens nicht als Anwendungsfall angegeben.
- Ein zweites Beispiel ist die Anforderung, dass eine Haftraumtür als Probekörper nach 20 Minuten geöffnet werden muss, sodass die Prüfung nur in Anlehnung an die EN 1634 durchgeführt werden kann.
- Das dritte Beispiel tritt häufig beim Umbau von Gebäuden auf, wenn die vorhandene Skelettbauweise aus Stahl oder Stahlbeton beim Innenausbau durch eine vorgehängte, nicht tragende Holzwand ergänzt wird. Bei der Feuerwiderstandsprüfung gibt es Kontroversen mit der EN 1364-3 und der EN 1364-1, bei der eine Prüfung nicht tragender Außenwände, die vor Decken abgehängt sind, ausgeschlossen ist.
Frühzeitige Abstimmung spart Zeit und Kosten
Deshalb ist für die Prüf- und Probekörperplanung zur Bewertung von Brandschutzelementen die frühzeitige Abstimmung zwischen der Prüf-/Zertifizierungsstelle und dem Planer notwendig. Gleiches gilt für die Planung, Durchführung und Interpretation der Prüfung durch eine erfahrene und kompetente Prüf- und Zertifizierungsstelle. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Prüfergebnisse nicht als Grundlage für die baurechtlich geforderten Verwendbarkeits- oder Anwendbarkeitsnachweise genutzt werden können.
Architekten sollten deshalb frühzeitig die Abstimmung mit einer erfahrenen Prüf- und Zertifizierungsstelle suchen, um die weitere Nutzung oder Ertüchtigung von Brandschutzelementen zu klären. So können Zeit und Kosten gespart und Abfall vermieden werden sowie mögliche denkmalpflegerische Anforderungen geprüft beziehungsweise erfüllt werden.
Wichtige Normen für Brandschutzelemente
- EN 1634-1:2014 + A1:2018 – Feuerwiderstandsprüfungen und Rauchschutzprüfungen für Türen, Tore, Abschlüsse, Fenster und Baubeschläge – Teil 1: Feuerwiderstandsprüfungen für Türen, Tore, Abschlüsse und Fenster
- EN 1191:2012 – Fenster und Türen – Dauerfunktionsprüfung – Prüfverfahren
- EN 1634-3:2004/AC:2006 – Prüfungen zum Feuerwiderstand und zur Rauchdichte für Feuer- und Rauchschutzabschlüsse, Fenster und Beschläge – Teil 3: Prüfungen zur Rauchdichte für Rauchschutzabschlüsse
- EN 1364-1:2015 – Feuerwiderstandsprüfungen für nicht tragende Bauteile – Teil 1: Wände
- EN 1364-3:2014 – Feuerwiderstandsprüfungen für nicht tragende Bauteile – Teil 3: Vorhangfassaden – Gesamtausführung
- EN 13830:2003 – Vorhangfassaden – Produktnorm (harmonisiert)
- EN 13830:2015 + A1:2020 – Vorhangfassaden – Produktnorm (nicht harmonisiert)
Normen(-auszüge) sind mit Kenntnis des DIN Deutsches Institut für Normung e. V. veröffentlicht. Maßgebend für das Anwenden der DIN-Norm ist deren Fassung mit dem neuesten Ausgabedatum.
Johannes Stahl ist Projektingenieur für Brandschutzprüfung und Stefan Klausing ist Prüfingenieur für Brandschutzbauteile beim ift Rosenheim
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