Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Ein guter Anfang“ im Deutschen Architektenblatt 01.2024 erschienen.
Die Sorge um das Klima treibt uns alle um, die Monumentalität des Problems ist belastend. Der Ausnahmezustand mit immer neuen und schlechten Nachrichten über Temperaturen, Wälder, Wasservorräte und Artenschwund überfordert uns.
Doch die tägliche Beschäftigung mit den Herausforderungen des Klimawandels wird zum Normalzustand werden müssen und Teil unserer Alltagspraxis werden. Denn eine schnelle Lösung ist leider nicht in Sicht.
Zurzeit mehr Fragen, als Antworten
Welche Strategien werden dem globalen Maßstab der Herausforderung gerecht? Wie schaffen wir es, das Abwenden der Kipppunkte in einen neuen, produktiven und pragmatischen Normalzustand zu verwandeln, der uns handlungsfähig macht?
Meine Antwort? Indem wir zuallererst als Individuen lernen, es auszuhalten, dass es zurzeit mehr Fragen als Antworten gibt. Wir können innerlich einen Zustand kultivieren, den die Zen-Buddhisten „Beginner’s Mind“ nennen, den Anfängergeist.
Die Bereicherung erkennen
Der Anfängergeist ist eine Geisteshaltung, die von der Offenheit und Unvoreingenommenheit eines Anfängers, besonders beim Lernen, geprägt ist. Der Anfängergeist kennt nur grenzenlose Möglichkeiten, denn er schließt nichts aus. Jede Aufgabe ist einzigartig. Und wir haben ein weiteres, gutes Heilmittel gegen die Überforderung: die Fähigkeit zur Kollaboration.
Um der globalen Klimakrise auch nur annähernd gerecht zu werden, müssen wir unsere innere Haltung zu unserer Arbeit überprüfen, denn die Aufgaben werden komplexer. Kein Architekt und keine Architektin kann alleine ein Haus bauen. Es geht heute darum, in Teams mit mehreren Expertinnen und Experten zusammenzuarbeiten – und das ist keine Last, sondern eine Bereicherung.
Architekten als Generalisten für nachaltiges Bauen gefordert
Wir können unsere Scheuklappen absetzen, die Ellenbogen einfahren, uns öffnen für eine gemeinschaftliche, große Aufgabe. Der generalistische Aspekt unserer planenden Berufe gewinnt dabei aus meiner Sicht an Bedeutung. Denn die Generalisten-Perspektive, die gerade bei komplexen Aufgaben unerlässlich ist, müssen wir ausfüllen.
Wir Architektinnen und Architekten werden vielleicht weniger Detailwissen pflegen müssen, dafür aber die generalistische Perspektive besetzen – mehr denn je. Für eine gute Kollaboration braucht es eine gute Kommunikation. Es wird in Zukunft immer weniger um die „Was“-Fragen gehen – „Was müssen wir verbessern?“ –, sondern vielmehr um das „Wie“, also: „Wie setzen wir es bestmöglich um?“
Qualifizierungsoffensive Nachhaltigkeit
Alles, was wir planen, muss idealerweise robust, langlebig, gestalterisch wertvoll – und somit nachhaltig sein. Wir alle, selbst die Besten unter uns, haben Nachholbedarf in den großen und stetig wachsenden Wissensfeldern des nachhaltigen Bauens und der Kreislaufwirtschaft.
Daher werden sich die Kammern ab diesem Jahr verstärkt um diese Themen im Rahmen der Qualifizierungsoffensive Nachhaltigkeit kümmern. Geplant ist ein umfassender Fortbildungskurs sowie ein Leistungsnachweis, der es Architektinnen, Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplanern ermöglicht, sich in einem neuen „Bundesregister Nachhaltigkeit“ einzutragen.
Mut für mehr Gemeinsamkeit
„Just do it!“ lautete der Rat meiner dänischen Kollegin und Keynote-Speakerin auf dem DAT23 Camilla van Deurs auf die Frage, wie wir neue Ideen befördern und dabei Tempo machen können. Sie ist als Stadtarchitektin mit ihrem Team mitverantwortlich, dass die Stadt Kopenhagen bis 2025 (!) CO2-neutral ist und so als klimafreundliche Stadt neue Standards setzen kann. Was Kopenhagen gelingt, können auch andere Städte erreichen.
Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen Mut für mehr Gemeinsamkeit, tragfähige Begegnungen für neue Kooperationen – und eine ordentliche Portion Optimismus. Lassen Sie uns von einer besseren Welt träumen. Das wäre doch schon mal ein guter Anfang.
Andrea Gebhard, BAK-Präsidentin
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