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Zurück Nachwuchs-Kolumne #189

Gemeinnütziger Wohnungsbau 3: das Syndikat als Vorbild?

Seitdem gemeinnütziger Wohnungsbau in Deutschland nicht mehr gefördert wird, organisieren Initiativen wie das Mietshäuser Syndikat ihn hier auf eigene Faust. Nun will die Ampel-Regierung eine neue staatliche Wohngemeinnützigkeit wieder einführen. Was für eine gute Idee!

Von: Lorenz Hahnheiser
Lorenz Hahnheiser schreibt über die Architekturlehre an den Unis, architekturpolitische...

07.02.20245 Min. Kommentar schreiben
Fassade des Hausprojekts Burger in Berlin-Tempelhof.
„Burge“ ist ein Hausprojekt in Berlin-Tempelhof. Gemeinsam mit dem Mietshäuser Syndikat haben die etwa 40 Bewohner:innen das Wohnhaus erworben und dauerhaft dem freien Wohnungsmarkt entzogen.

Gerade wird wieder heiß diskutiert, wie man dem Wohnungsmangel begegnen könnte. Sollte man lieber die Mieter:innen mit Wohngeld fördern, um sofort deren Verhältnisse zu verbessern – oder stärker den Bau von günstigem Wohnraum antreiben, um langfristige Perspektiven zu sichern? In meiner vorletzten Kolumne berichtete ich über den Unterschied von gemeinnützigem und sozialem Wohnungsbau, in der vorigen Kolumne darüber, wie in der Schweiz gemeinnütziger Wohnungsbau begünstigt wird.

Nun geht es ums Hier und Jetzt: Im Koalitionsvertrag der Ampel steht, dass eine neue Wohngemeinnützigkeit eingeführt werden soll. Über den richtigen Weg wird gestritten.

Den „wesentlichen Schlüssel für bezahlbares Wohnen“ sieht etwa der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) im Wohngeld: „Durch die Einführung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit könnte der freie Wohnungsmarkt wegen fehlender Förderung seine sozialen Pflichten nicht wahrnehmen“, heißt es in einem Positionspapier. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) findet hingegen, dass das Wohngeld vor allem den Vermieter:innen in die Tasche spielt. Der Staat solle lieber direkt in den dauerhaft bezahlbaren Wohnungsbau investieren. „Lieber für billige Wohnungen sorgen, statt eine Umverteilung für Vermieter vorzunehmen“, so Stefan Körzell aus dem Bundesvorstand.

Außenfläche vor dem Gemeinschaftsraum des Hausprojekts Burger.
Das Gebäude der „Burge“ war vorher eine Kanalbetriebsstätte der Wasserbetriebe mit Wohnungen für Mitarbeitende. Heute liegt hinter den Toren ein Gemeinschaftsraum. Die Verkehrsfläche davor wird als Gemeinschaftsgarten genutzt.

Das Mietshäuser Syndikat: „Wohnen ist keine Ware“

Für gemeinnützigen Wohnungsbau macht sich auch der Deutsche Mieterbund stark, dessen Gutachten betont: „Es muss ein Sektor langfristig preisgünstiger Mietwohnungen aufgebaut werden, der eine Alternative zum rasanten Preisanstieg auf dem kaum regulierten Wohnungsmarkt bietet.“ Doch auch ohne staatliche Förderung arbeiten schon einige Initiativen in diese Richtung.

Statt eines staatlich geregelten gemeinnützigen Wohnens, haben sich andere Rechtsformen gefunden, die Wohnraum dauerhaft vom Markt nehmen. Das Mietshäuser Syndikat zum Beispiel: „Wohnen ist keine Ware“ betont der Verbund von über 200 Hausprojekten. Als Solidargemeinschaft unterstützen sich die Hausgemeinschaften bei Herausforderungen gegenseitig. Neuen Projekten bieten sie finanziellen Rückhalt und Know-how.

Um die einzelnen Immobilien kümmern sich die jeweiligen Hausprojekte eigenständig. Auch die grundlegenden Direktkredite für den Startschuss organisiert jedes Projekt selbst. Projekt und Syndikat gründen dann eine gemeinnützig ausgerichtete GmbH. Rendite kann mit der gemeinsamen Immobilie keine mehr erzeugt werden.

Hofansicht des Projekts H48 in Berlin-Neukölln.
In den vier Häusern der H48 in Berlin-Neukölln wohnen und arbeiten rund 135 Menschen. Ein Gerichtsurteil kippte das Vorkaufsrecht des Bezirks. Das Haus konnte darum nicht in die dauerhaft gemeinnützige Selbstverwaltung übergehen. Rechtliche Novellierungen sind notwendig.

Ohne Grundstücke kein gemeinnütziger Wohnungsbau

Nicht jede Anfrage beim Mietshäuser Syndikat führt zu einem erfolgreichen Projekt, denn viele Hürden müssen bewältigt werden. Eine höhere staatliche Förderung könnte die Sache erleichtern: „Wir würden uns freuen, wenn die Bundesregierung die Förderung von gemeinnützigem Wohnungsbau wieder aufgreifen würde“, so Helma Haselberger vom Mietshäuser Syndikat. „Eine sehr effektive Unterstützung wäre die Bevorzugung gemeinnützig orientierter Gruppen bei der Grundstücksvergabe.“

In Sachen Gesetzgebung, verweist Helma Haselberger auf das Positionspapier von wohnbund e.V., Immovielien und Forum Gemeinschaftliches Wohnen. Diese drei Initiativen fordern dauerhaft ausgestaltete Wohngemeinnützigkeit, offen für vielfältige Akteur:innen. Für gemeinnützige Wohn- und Gewerbenutzungen brauche es gezielte Förderungen und ein Vorkaufsrecht.

Win-win für Staat und Wirtschaft

Staatlich geregelte Wohngemeinnützigkeit wird wieder aufgegriffen, so steht es im Koalitionsvertrag der Ampel. „Die Neue Wohngemeinnützigkeit ist eine Win-win-Situation für Staat und Wirtschaft: Unternehmen verpflichten sich als gemeinnützige Wohnungsunternehmen durch ihre Satzung dazu, dauerhaft Wohnraum unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zur Verfügung zu stellen. Dafür bekommen sie staatliche Entlastungen und es wird eine Investitionszulage gewährt“, heißt es im Zwischenstandsbericht des Bundesbauministeriums.

Wie das genau umgesetzt werden kann, wird aktuell noch ausgearbeitet. Doch bereits dieses Jahr soll die Neue Wohngemeinnützigkeit an den Start gehen und dauerhafte Sozialbindungen im Neubau wie im Bestand schaffen. So steht es im aktuellen Maßnahmenpaket.

Wohnanlage in Berlin-Mariendorf aus den Siebzigerjahren
Die großen Wohnsiedlungen der Nachkriegszeit, wie diese in Berlin-Mariendorf, entstanden nicht aus Profitdenken, sondern im Sinne der Gemeinnützigkeit. Viele Menschen brauchten schnell viel Wohnraum. Ähnlich wie heute…

Gemeinnütziger Wohnungsbau: Jetzt die Weichen stellen

Die Auseinandersetzung mit Mietshäusersyndikat und der Züricher Genossenschaft Kalkbreite zeigen: Gemeinnützigem Wohnungsbau muss Vorrang im Zugang zu Boden eingeräumt werden. Finanzielle Unterstützung durch Subventionen und Anleihen müssen auch bei geringem Eigenkapital gewährt werden. Solidarische Netzwerke aus Genossenschaften und Projekten sollten strukturell unterstützt werden. Gemeinnütziger und sozialer Wohnungsbau dürfen außerdem nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Es braucht ein Sowohl-als-auch, die Mischung von beidem, um bezahlbaren Wohnraum für vielfältige Lebensrealitäten zugänglich zu machen. So kommt man weg vom Privateigentum und stärkt Altersvorsorge und Generationengerechtigkeit. Es bleibt zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen sich entgegen der Skepsis aus der Immobilienwirtschaft ihre Ziele aus dem Koalitionsvertrag durchsetzen und gemeinnützigen Wohnungsbau wieder grundsätzlich in Deutschland verankern.


Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, sammelte dann erste Bauerfahrungen und studiert nun im Master an der TU Berlin. Er engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Beirat der Joanes Stiftung.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.

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