„Klimagerechte Lehre sollte die Studierenden darauf vorbereiten, die Bauwende strukturell umzusetzen.“ Ausgehend von dieser These diskutierten am 26. April in Berlin 50 Studierende mit Menschen aus dem Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, dem Bundestag und der Architektenkammer Berlin. Die Debatte dieser zweiten „Werkstadt“ führte schon bald einen Schritt weiter: dass es nicht ausreicht, Architekt:innen für den ‚klassischen‘ Berufsweg auszubilden. Es braucht darüber hinaus eine große Vielfalt an Berufsbildern, um Festgefahrenes in Politik und Wirtschaft zu verändern. Die Leitfragen lauteten: Welche Strukturen müssen transformiert werden? Und wie lernen wir, sie umzubauen?
Mehr Politik in der Lehre
Einig waren die Teilnehmenden der Werkstadt darin, dass Studierende schon an der Uni von mehr Kontakt zu aktuellen Architekturpolitik profitieren würden. Voraussetzung dafür wäre, dass Lehre politische Entwicklungen aktiv zugänglich macht. Dann können die Hochschulen und der Nachwuchs mitreden, wenn die Leitplanken der kommenden Jahrzehnte Bau- und Wohnpolitik ausgehandelt werden.
Der Diskurs zeigte zudem einmal mehr, wie spannungsvoll das Berufsbild der Planenden und Bauenden mit vielen weiteren Berufsfeldern verschnitten ist. Das macht Interdisziplinarität im Studium so wichtig, weil so die eigene Rolle im ökologischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen System greifbar wird.
Zweite Werkstadt: vier Forderungen
Vier Forderungen wurden am Ende als Konsens der Werkstadt festgehalten:
1. „Zeigen, was Bauen bedeutet“
Es gehören viele Kommunikations- und Aushandlungsprozesse dazu, bis ein Gebäude, Freiraum oder Straßenzug entstehen kann. Die Lehre sollte über den Entwurf hinaus die vielfältigen Dimensionen vermitteln, die das Bauen begleiten. Dazu gehört einerseits das Verständnis für politische Prozesse auf Kommunal-, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene, andererseits das Selbstverständnis, dass unser Beruf politisch ist. Hinzu kommen wirtschaftliche Kenntnisse, um Fördermittel, Finanzierungs- und Betreiber:innenmodelle zu berücksichtigen. Soziales Feingefühl, um niedrigschwellige Beteiligungsverfahren in Gang zu bringen. Und nicht zuletzt ökologisches Fachwissen, um natürliche Systeme für den Bau zu nutzen.
Hierfür muss die Lehre aktiv die Politik zugänglich machen. Politische Amtsträger:innen kommen gerne in die Unis, um ihren architekturpolitischen Blick zu teilen, bieten Praktika und Führungen an.
2. „Studium an klimagerechter Baupraxis orientieren“
Studierende sollten immer wieder aus den Arbeitsräumen heraus mit Baustellen und Baumaterialien in physischen Kontakt und ins Ausprobieren kommen. Außerdem sollten Praktiken aus der Berufspraxis gelehrt werden, die klimaschonendes Bauen ermöglichen und mit denen Bauleute überzeugt werden können. Dazu gehört zum Beispiel das Tool der Lebenszyklusanalyse, mit der neben ökologischen auch ökonomische, soziokulturelle, technische und weitere Kriterien beurteilt werden.
3. „Architekturblase platzen lassen“
Die Debatte um die Bauwende findet insbesondere in der Blase der Architektur-Fachwelt statt. Aber ohne die Ingenieur:innen und das Handwerk geht gar nichts. Beteiligte der gesamten Wertschöpfungskette müssen in die Debatte einbezogen werden, um einen Strukturellen Wandel möglich zu machen. Hierfür sind im Studium interdisziplinäre Module notwendig – zwischen Lehrstühlen, zwischen Disziplinen und zwischen Berufsfeldern.
Die Lehrkörper der Hochschulen sollten auch in diesem Sinne divers besetzt sein: Es braucht mehr als Freiberufler:innen in der Lehre, um einen ganzheitlichen Blick auf klimagerechtes Bauen einzufangen.
4. „Forderungen aushandeln“
Die Studierendenschaft darf nicht müde werden, sich Freiheiten und zeitgemäße Ausrichtung der Lehre zu erkämpfen. Studierende und Lehrende sollten im Dialog aushandeln, was gelernt wird und gemeinsam einen inhaltlichen Konsens in den Hochschulen aushandeln. Diese Forderung kam in der letzten Werkstadt fast deckungsgleich zustande.
Außerdem sollten Hochschulen auch Aushandlungsort für politische Forderungen sein und kritische Fragen in die Politik und die Medien und tragen: beispielsweise warum die Umbauordnung noch nicht gesetzt ist, Umbau immer noch schwieriger als Neubau ist oder keine einheitlichen Regelungen in allen Bundesländern bestehen.
Zur nächsten Werkstadt dazu-zoomen
In der nächsten Werkstadt wird am 24. Mai ab 19 Uhr explizit nach praxisorientierten Werkzeugen gesucht. Auf das Podium in Regensburg sind Büros der Architektur und Stadtplanung geladen. Über diesen Link kann man sich dazu-zoomen.
nexture+ lädt sieben Mal zu einer „Werkstadt“ ein, um die überfällige Transformation der Hochschulen strukturell zu beschleunigen. Lorenz Hahnheiser ist Co-Organisator und Co-Moderator der Reihe „Werkstadt für klimagerechte Lehre“.
Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, sammelte dann erste Bauerfahrungen und studiert nun im Master an der TU Berlin. Er engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Beirat der Joanes Stiftung.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.
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