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[ Ratgeber ]

Eignungskriterien in Vergabeverfahren: Was ist erlaubt?

Mit Eignungskriterien steuert ein öffentlicher Auftraggeber, wer in Vergabeverfahren ein wertbares Angebot abgeben kann. Aber welche Anforderungen an Mindestumsatz und Haftpflichtversicherung sind zulässig? Müssen Referenzen die gleiche Nutzungsart haben und wie kommen junge Büros zum Zug?

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Eignungskriterien: sinnvolle Auswahl oder zu hohe Hürde?“ im Deutschen Architektenblatt 06.2024 erschienen.

Von Simon Bulla

Öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. So regelt es § 122 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Öffentliche Auftraggeber haben dabei einen Beurteilungsspielraum, welche Eignungskriterien sie in einem Vergabeverfahren wählen. Dieser Spielraum findet seine Grenzen in § 122 GWB und den §§ 42 ff. der Vergabeverordnung (VgV), für Architekten- und Ingenieurleistungen ergänzt um eine Sonderbestimmung in § 75 VgV.

Eignungskriterien müssen auftragsbezogen und verhältnismäßig sein

Die Leitplanken für die Wahl der Eignungskriterien steckt § 122 GWB ab. Eignungskriterien dürfen demnach ausschließlich betreffen:

  1. die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung (insbesondere Eintragung in die Architektenliste),
  2. die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (zum Beispiel eine Berufshaftpflichtversicherung und spezifische Mindestumsätze) und
  3. die technische und berufliche Leistungsfähigkeit (insbesondere Anzahl der Mitarbeiter und vergleichbare Referenzen).

Ein Auftraggeber darf keine weiteren Eignungskategorien erfinden. Daneben müssen Auswahlkriterien stets mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen (§ 122 Abs. 4 GWB). Unzulässig mangels Auftragsbezug wäre es etwa, eine Mindestquote an diversgeschlechtlichen Mitarbeitenden in einem Planungsbüro zu verlangen oder Referenzen über Holzbauten und Passivhäuser, wenn die Planung für einen Massivbau mit Effizienzhaus-Stufe 40 ausgeschrieben wird.

Als Lackmus-Test für eine Verhältnismäßigkeit kann eine doppelte „Je-desto“-Prüfung angestellt werden:

  • Je komplexer der Auftragsgegenstand, desto höhere Eignungsanforderungen können auch gestellt werden.
  • Je einschneidender der Wettbewerb beschränkt wird, desto höher sind die Anforderungen an die gewichtigen Gründe.

Eignungskriterium Mindestumsatz

Ein besonderes Augenmerk ist auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Eignungskriterien und Auftrag zu richten (§ 122 Abs. 4 S. 1 GWB und § 75 Abs. 4 S. 1 VgV). Für einen Mindestumsatz wird die Verhältnismäßigkeit in § 45 Abs. 2 VgV konkretisiert: Der geforderte Mindestumsatz darf das Zweifache des Auftragswerts nur überschreiten, wenn wegen der Art des Auftrags spezielle Risiken bestehen.

Wird beispielsweise die Objektplanung für einen Schulanbau für die Leistungsphasen 2 bis 8 mit einem geschätzten Auftragswert (Basishonorarsatz) von einer Million Euro netto ausgeschrieben, darf nicht etwa ein Mindestumsatz von zwei Millionen Euro netto pro Jahr verlangt werden. Der Auftragswert für die Planungs- und Überwachungsleistungen von der Grundlagenermittlung bis zum Abschluss der Objektüberwachung ist für die geplante Planungs- und Bauzeit von zum Beispiel 2,5 Jahren herunterzurechnen (also hier 1 Mio. Euro / 2,5 x 2 = 800.000 Euro Mindestumsatz).

Eignungskriterium Berufshaftpflichtversicherung

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit sind auch die Mindestanforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung: Für einen Kita-Anbau mit anrechenbaren Kosten von zwei Millionen Euro kann grundsätzlich keine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von fünf Millionen Euro für Personen- und fünf Millionen Euro für Sach- und Vermögensschäden verlangt werden. Zudem muss ein Auftraggeber genügen lassen, dass ein Versicherer die geforderte Mindestdeckung für den Auftragsfall zusichert (zum Beispiel als projektbezogene Zusatzversicherung).

Doch Achtung: Wird einmal eine Versicherung mit unzureichenden Deckungssummen eingereicht, ist ein Teilnahmeantrag oder Angebot zwingend auszuschließen (§ 57 Abs. 1 S. 1 VgV: „Von der Wertung ausgeschlossen werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen.“). Liegt ein Eignungsnachweis vollständig vor, ist aber inhaltlich unzureichend, lässt die Rechtsprechung nicht zu, einen nachgebesserten Eignungsnachweis nachzureichen (konkret zur Haftpflichtversicherung OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2019, Az.: 15 Verg 10/19).

Newcomer-Regelung und Referenzen

Häufig übersehen wird die Newcomer-Regelung in § 45 Abs. 5 VgV. Kann ein Bewerber oder Bieter aus berechtigtem Grund (insbesondere: Büroneugründung!) die geforderten Unterlagen nicht beibringen, kann er seine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit durch Vorlage anderer, vom öffentlichen Auftraggeber als geeignet angesehener Unterlagen belegen. Zu denken ist an das Honorarvolumen mitgenommener Planungsaufträge, eine Bestätigung von Bank oder Steuerberater über eine hinreichende Liquidität für die Auftragsausführung oder andere vergleichbare Nachweise. Damit im Nachgang kein Streit entsteht, ist zu empfehlen, diese Fragen proaktiv durch Bieterfragen mit dem Auftraggeber abzustimmen.

Als Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit erlaubt § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV, geeignete Referenzen zu verlangen. Für Architekten- und Planungsleistungen wird hierbei der Regel-Referenzzeitraum von drei Jahren regelmäßig auf bis zu zehn Jahre zu verlängern sein, um den Wettbewerb nicht auf große Büros zu verengen, die mehrere Projekte parallel realisieren können. Verlangt werden dürfen nur Eigenerklärungen der Bewerber und Bieter zu den Referenzen (vgl. § 48 Abs. 2 VgV), nicht aber Referenzenbescheinigungen der Referenzgeber (siehe VK Nordbayern, Beschluss vom 7. November 2019, Az.: RMF-SG21-3194-4-48, Ls. 2).

Für (nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare) Architekten- und Ingenieurleistungen wird diese Regelung durch § 75 VgV ergänzt. Dieser erinnert öffentliche Auftraggeber zum einen daran, das rechte Maß zu wahren und die Eignungskriterien „bei geeigneten Aufgabenstellungen so zu wählen, dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können“ (§ 75 Abs. 4 S. 2 VgV). Soll etwa eine Kita nur um eine Gruppe erweitert werden, muss grundsätzlich auch ein Newcomer in einem Vergabeverfahren eine faire Chance erhalten.

Nutzungsart einer Referenz meist unerheblich

Besonders streitbefangen ist zum anderen die Regelung des § 75 Abs. 5 VgV (siehe auch hier): „Verlangt der öffentliche Auftraggeber geeignete Referenzen (…), so lässt er hierfür Referenzobjekte zu, deren Planungs- oder Beratungsanforderungen mit denen der zu vergebenden Planungs- oder Beratungsleistung vergleichbar sind. Für die Vergleichbarkeit der Referenzobjekte ist es in der Regel unerheblich, ob der Bewerber bereits Objekte derselben Nutzungsart geplant oder realisiert hat.“ Die Verordnungsbegründung der VgV führt erläuternd aus, dass die Vergleichbarkeit anstelle der Nutzungsart primär anhand der Honorarzone zu beurteilen sein soll (Bundesrat-Drucksache 87/16, S. 224).

Bedeutet dies nun, dass ein Auftraggeber keine einschlägigen Referenzen abfragen darf? Ist ein Architekt, der drei anspruchsvolle Einfamilienhäuser in der Honorarzone IV geplant hat, automatisch geeignet für den Umbau eines Krankenhauses oder einer Schule im laufenden Betrieb? Die klassische Juristen-Antwort: Es kommt darauf an! § 75 Abs. 5 S. 3 VgV statuiert ein Regel-Ausnahme-Prinzip. Im Regelfall soll die konkrete Nutzungsart einer Referenz irrelevant sein; wenn sich dies durch die Planungs- und Überwachungsanforderungen aber rechtfertigen lässt, kann der Auftraggeber jedoch im Einzelfall ausnahmsweise auch Referenzen zu konkreten Nutzungsarten verlangen. Er hat dies jedoch zu begründen und zu dokumentieren (siehe etwa VK Sachsen, Beschluss vom 5. Februar 2019, Az.: 1/SVK/038-18, Ls. 5).

Der Umbau eines Krankenhauses oder einer Schule im laufenden Betrieb, die besonderen pädagogischen Anforderungen an eine moderne Lernlandschaft einer Schule oder an funktionale Betriebsabläufe in einem Feuerwehrgerätehaus können mit entsprechender Begründung Anforderungen an konkrete Nutzungsarten für den Architekten rechtfertigen.

Worst-Practice-Beispiel: Deutsches Museum München

Über ein Worst-Practice-Beispiel hatte im vergangenen Jahr das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) zu entscheiden. Im Rahmen der Sanierung des Deutschen Museums wurden Projektsteuerungsleistungen ausgeschrieben. Als Mindestanforderung an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit wurden zwei Referenzen über jeweils mindestens 100 Millionen Euro (!) und eine Leistungszeit von fünf Jahren gefordert. Zudem musste eine der als Mindeststandard geforderten Referenzen die Projektsteuerung von Planung und Ausführung zu drei neu gestalteten Dauerausstellungen umfassen.

Der Auftraggeber hatte die Latte damit so hoch gelegt, dass diese Mindestanforderungen just nur von dem Projektsteuerer erfüllt wurden, der auch die vorangegangenen Abschnitte der Museumssanierung gesteuert hatte. Er gab als Einziger ein Angebot ab. Ein Schelm, wer eine maßgeschneiderte Ausschreibung vermutete.

Das BayObLG hat diese Eignungskriterien als unverhältnismäßig verworfen. Seine Entscheidungsgründe sind jedoch durchaus differenziert. Dass Referenzen über Projektsteuerungsleistungen für eine Museumsneugestaltung (Nutzungsart!) gefordert wurden, wurde ausdrücklich als „nachvollziehbar und im Grundsatz nicht zu beanstanden“ erklärt. Auch wird ausdrücklich gewürdigt, dass es sich um ein „äußerst umfangreiches und komplexes Projekt handelt“. Hätte es der dortige Auftraggeber nicht derart übertrieben, wären womöglich auch anspruchsvolle Eignungskriterien vom BayObLG akzeptiert worden.

Fazit: Vergleichbarkeit nicht über Nutzungsart

Besonders komplexe und anspruchsvolle Planungsaufträge können auch besondere Anforderungen an die Eignung rechtfertigen. Im Übrigen bleibt es jedoch bei der Regel, dass es für die Vergleichbarkeit einer Referenz nicht auf die konkrete Nutzungsart ankommt. Oder frei nach Daniel Düsentrieb: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör!“

Prof. Dr. Simon Bulla ist Partner bei pdrei Rechtsanwälte in ­Augsburg, Fachanwalt für Vergaberecht und Verwaltungsrecht ­sowie Honorarprofessor an der Universität Augsburg

2 Gedanken zu „Eignungskriterien in Vergabeverfahren: Was ist erlaubt?

  1. Der Artikel ist in einer Situation sehr zu begrüßen, in der Architekturbüros aufgrund stockender bzw. sich überlang hinziehender öffentlicher Projekte verstärkt in Akquisition investieren müssen, um die fehlende Auslastung zu kompensieren. Beim Thema Berufshaftpflichtversicherung teilen wir die Einschätzung des Autors, es fehlen jedoch über das dargestellte anekdotische Beispiel hinaus einfache Handreichungen, ab welchen Beträgen die Unangemessenheit beginnt und im VgV-Verfahren Bieterfragen oder sogar Rügen zum Thema Angemessenheit von geforderten Versicherungssummen sinnvoll sind. Hierzu können wir nur empfehlen: Das Land Baden-Württemberg hat in der sog. RifT (letzte Fassung von 2022), den Richtlinien für die Beteiligung freiberuflicher Tätiger, unter Punkt 13 eine hilfreiche Tabelle integriert mit angemessenen Versicherungssummen für Personen- und Sonstige Schäden, mehr braucht es nicht – und man staunt, wie niedrig diese sind!

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    • Sehr geehrter Herr Schirrmacher,
      vielen Dank für Ihren wichtigen Hinweis. Wir haben zu den von Ihnen genannten Richtlinien den entsprechenden Link in Ihrem Kommentar ergänzt. Darüber hinaus gibt es auch in den Architektengesetzen (Mindest-)Vorgaben für Versicherungen.

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