Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Think big!“ im Deutschen Architektenblatt 06.2024 erschienen.
In einer fränkischen Kleinstadt baue ich seit einigen Jahren mit meiner Familie Schritt für Schritt ein sehr altes Haus um. Wir haben uns das Ziel gesetzt, möglichst viele gebrauchte Bauteile und Materialien aus der Region zu verwenden. Dieser Umbau ist auch für mich als Profi voller Überraschungen. Das Suchen, Einsammeln und Aufbereiten der Materialien und die Anpassungen sind für unseren Architekten durchaus herausfordernd bis abenteuerlich.
Wir haben viel über unsere Vorstellung von Komfort und unsere Gewohnheiten gelernt. Das Bestehende erhalten zu können und weiterzubauen, das ist das eigentliche Geschenk an uns selbst. Einfach umbauen, das ist der Plan. Auch wenn es nicht immer einfach ist.
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Jede architektonische Entscheidung ist politisch
Als Architektinnen, Landschaftsarchitekten, Innenarchitektinnen und Stadtplaner nehmen wir Architektur immer eingebettet in einen größeren Kontext wahr. Nichts steht für sich allein. Wir wissen: Die gebaute Umwelt ist mehr als die Summe ihrer Teile. Jede gestalterische Entscheidung hat eine politische Dimension. Wie wir Städte, Quartiere und Gebäude bauen, umbauen und weiterbauen, hat entscheidenden Einfluss.
Die Beziehung zwischen Umwelt, Material, Mensch und Raum muss im Mittelpunkt stehen, damit für alle Lebensbereiche gute und nachhaltige Gebäude – neu oder durch Umbau – geschaffen werden. Besonders dem Umbau des Vorhandenen fällt aus dieser Perspektive eine wachsende Bedeutung zu. Dafür braucht es Kreativität, planerische Kompetenz und Gestaltungswillen.
Tag der Architektur am 29./30. Juni 2024
Zu dieser Entdeckungsreise (inklusive jeder Menge Hintergrundwissen rund um die ausgewählten Beispiele) lädt am 29./30. Juni der Tag der Architektur ein, der in diesem Jahr unter dem Motto „Einfach (um)bauen“ stattfindet. Über 1.000 teilnehmende Projekte aus allen Bundesländern und Aufgabengebieten begeistern jedes Jahr die interessierte Fachöffentlichkeit. Wir freuen uns, dass seit dem Ende der Pandemie die Besucherzahlen wieder deutlich steigen.
Danke an alle 16 Architektenkammern der Länder, die den Tag der Architektur seit 30 Jahren organisieren und mit ihren Kammermitgliedern ein beeindruckendes Programm zusammenstellen. Das beliebte Format zeigt die Kompetenz unseres Berufsstandes und bietet die Gelegenheit, gute Architektur als Ressource für unseren Alltag zu entdecken. Manche Objekte sind nur an diesem Tag für die Öffentlichkeit zugänglich. Es lohnt sich also, einen Blick ins aktuelle Programm zu werfen. Wir konnten in den letzten Jahren ein Haus aus Stroh besichtigen oder den Umbau einer ehemaligen Panzerhalle erkunden, in der jetzt mehrere Familien wohnen.
Umbau oft anspruchsvoller als Neubau
Die Forderung nach mehr Umbau ist ein großer gesellschaftspolitischer Auftrag. Wenn wir heute auf die Qualität der gebauten Umwelt blicken, wird die Blende schärfer gestellt: Abriss muss geprüft werden, wertvoller Bestand erhalten und klug entwickelt werden. Umbau kann uns als Planende mehr fordern als Neubau. Doch schon längst denken wir um, überzeugen unsere Auftraggeberinnen und Auftraggeber, neu und größer im Sinne der Aufgabe zu handeln: Bestand nutzen, weniger Fläche pro Kopf verbrauchen und uns Beispiele zum Vorbild nehmen, die Materialeinsatz und Kompaktheit überzeugend umsetzen.
Der Tag der Architektur wird in diesem Jahr wieder mit einer Vielfalt an weiteren Beispielen zeigen, welchen Nutzen die im Bestand gespeicherte graue Energie für das nachhaltige Planen und Bauen hat. Es geht um nichts weniger, als umzudenken und sich den bleibenden Wert guter Architektur bewusst zu machen. Baut mehr um. Think big!
Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
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