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[ Drei Beispiele ]

Wohnheime für Studierende: zwei Neubauten und eine Sanierung

Gerade in den Ballungsräumen ist Wohnraum für Studierende knapp. Wohnheime sind eine mögliche Lösung. Wie hier neben Masse auch Qualität entsteht, zeigen zwei Neubauten und eine Sanierung. Sie realisieren ganz unterschiedliche Konzepte für das Herzstück des jungen Wohnens: die Gemeinschaftsflächen.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Zimmer mit Anschluss“ im Deutschen Architektenblatt 07-08.2024 erschienen.

Von Eva Kafke

Studierendenwohnheim Campus RO in Rosenheim

In direkter Nachbarschaft zur Technischen Hochschule Rosenheim standen noch vor wenigen Jahren die Hallen eines metallverarbeitenden Betriebes. Heute befindet sich hier das erste Studentenquartier Deutschlands, das den Platin-Status der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) erreicht hat: der Campus RO. Der Entwurf stammt von ACMS Architekten aus Wuppertal (Leistungsphasen 1–5), ab Leistungsphase 6 war das Rosenheimer Büro Guggenbichler + Wagenstaller beauftragt.

Initiator des Projektes war Peter Astner, der als Lehrbeauftragter für Baurecht an der Hochschule nah an der Welt der Studierenden ist – und zugleich geschäftsführender Gesellschafter der PMA Invest. Für die Umsetzung gründete diese zusammen mit der Eckpfeiler Immobilien Gruppe das Joint Venture CampusRO Projektentwicklungs GmbH, das 16 Architekturbüros zu einem Wettbewerb einlud.

Viele Anforderungen: Holzbau, Partizipation, BIM

„Der Wettbewerb war hochkarätig besetzt, zugleich waren hohe Ansprüche formuliert: Es sollte ein Leuchtturmprojekt geschaffen werden, mit deutlichem Gewicht auf Nachhaltigkeitsaspekten, Holzbau, Partizipation und BIM. Das entspricht den Schwerpunkten unseres Büros und war für uns eine spannende Herausforderung“, erläutert Architektin Laura Heidelauf von ACMS. Die zentrale architektonische Idee war, individuelle Rückzugsräume und ansprechende gemeinschaftliche Räume zu schaffen. Ein Zuhause, in dem sich junge Leute ähnlichen Alters wohlfühlen, entwickeln können und Anschluss finden.

Studierendenwohnheim als gestapeltes Dorf

Entstanden ist für Baukosten von knapp 2.600 Euro brutto pro Quadratmeter Bruttogrundfläche (Kostengruppen 200–500, 700) ein Quartier, das die Planer als „begrüntes und gestapeltes Dorf“ beschreiben. Nach außen erzeugen die drei Gebäudekomplexe des Wohnheims zusammen mit dem angrenzenden Boardinghouse eine blockähnliche, klare Kontur. Nach innen bilden sie eine mehrdimensionale, verschachtelte Struktur.

Grundriss des Studierendenwohnheims Campus Ro in Rosenheim.
Grundriss des Rosenheimer Campus RO. Zeichnung: Sigurd Steinprinz/ACMS Architekten

Begegnungen sind vorprogrammiert

Die Erschließung der 174 Apartments mit 211 Plätzen erfolgt über Laubengänge. Durch die versetzte Anordnung der ein- bis viergeschossigen Baukörper, unterschiedliche Bautiefen, vorgesetzte Treppen und Aufweitungen der Galerien entstehen kleinere und größere Flächen, Höfe und Dachterrassen sowie zahlreiche Sichtachsen. Begegnungen auf dem Weg zur eigenen Wohneinheit sind in diesem Interaktionsbereich vorprogrammiert.

Holzhybrid-Systembauweise und Lüftungsbausteine

Die vielen Grünflächen und der hohe Holzanteil in der Fassade sorgen für Wohnlichkeit und signalisieren den Nachhaltigkeitsanspruch. KfW-40-Standard und DGNB-Zertifizierung waren die Ziellinien. Erreicht wurden sie unter anderem mit einer Holzhybrid-Systembauweise, vorgefertigten Obergeschossen und lastabtragenden Außenwänden aus PEFC-zertifiziertem Holz mit werkseitig eingebauten Fenstern, Lüftungsbausteinen und Außenwandschalung sowie Verbunddecken aus Holz und Ortbeton.

Photovoltaik auf dem Dach

„Für die Nachhaltigkeitszertifizierung musste jedes Material dem Auditor zur Freigabe vorgelegt werden, teilweise zusammen mit Alternativvorschlägen“, beschreibt Architektin Laura Heidelauf das Prozedere. Das Quartier wird mit Fernwärme versorgt. Die Photovoltaik-Elemente auf dem Dach mit Batterie-Speicher decken über 70 Prozent des Eigenstrombedarfs. „Auf den Dachflächen hatten wir einen klassischen Zielkonflikt zwischen hochwertig nutzbaren Dachflächen und PV-Belegung zu lösen“, sagt Laura Heidelauf.

Freiwilliger BIM-Prozess

Ein wesentlicher Baustein des Erfolges war aus Sicht der Architektin der integrale Planungsansatz. So war etwa studio grüngrau Landschaftsarchitektur aus Düsseldorf (Leistungsphasen 1–4) schon im Wettbewerbsstadium einbezogen, Landschaftsarchitektur Stiegler aus Rosenheim hatte die Leistungsphasen 5–9 übernommen. Der gesamte BIM-Prozess beruhte auf Freiwilligkeit, so Laura Heidelauf. „Alle Beteiligten haben sich mit viel Motivation eingebracht und wollten gemeinsam lernen.“

Campus RO mehrfach ausgezeichnet

Mittlerweile sind die Gebäude bezogen, täglich melden sich bis zu zehn neue Interessenten. Viel Anerkennung kommt auch aus Fachkreisen. Campus RO wurde mit dem Balthasar-Neumann-Architekturpreis sowie mit dem Prädikat „KlimaKulturKompetenz“ durch die Bayerische Architektenkammer ausgezeichnet.


Studierendenwohnheim in Ludwigsburg

Nahezu zeitgleich zum Campus RO ist der Neubau einer Wohnanlage des Studierendenwerkes Stuttgart in Ludwigsburg entstanden. Er liegt ebenfalls direkt neben der Hochschule und hat mit 229 Wohneinheiten eine vergleichbare Größe. Das war es jedoch mit den Gemeinsamkeiten.

Ausgangspunkt des Entwurfs von Reichel Schlaier Architekten aus Stuttgart (Leistungsphasen 2–8) mit Koeber Landschaftsarchitektur war eine komplett andere Definition von Gemeinsamkeit(en). Sie konzipierten die Wohneinheiten nicht als Mikroapartments wie in Rosenheim, sondern als Wohngemeinschaften, gestaffelt von Dreier- bis Achter-WGs.

Innenhof des Studierendenwohnheims in Ludwigsburg.
Persönliche Erschließung: Das Ludwigsburger Wohnheim ist in der Maßstäblichkeit der Nachbarbebauung geblieben, jedoch kleinteiliger parzelliert. So gibt es mehrere Eingänge – wo möglich, von der Straße aus – mit eigenen Adressen und Hausnummern sowie einem Briefkasten für jede Person. Foto: Brigida González

Drei-Stufen-Konzept für Gemeinsamkeit

 „Im Sinne des sozialen Miteinanders sind gerade Wohnformen mit Gemeinschaftsanteil von Vorteil“, betont Elke Reichel. In jeder WG gibt es eine große Gemeinschaftsküche und gemeinschaftliche Bäder. Für alle Wohngemeinschaften sind zwei große Räume mit davor angeordneten Terrassen nutzbar. Zentraler Treffpunkt für die Bewohner beider Häuser und des benachbarten Wohnturms ist der begrünte Innenhof. Mit dieser dreistufigen Herangehensweise haben die Planer auch Erfahrungen des Bauherrn an anderen Standorten Rechnung getragen, wo es schon mal Probleme bei der Pflege und Instandhaltung von Räumlichkeiten gibt, wenn sehr viele Zimmer auf dieselbe Infrastruktur zugreifen.

Grudriss des Studierendenwohnheims in LUdwigsburg mit markierten Eingängen
Das Ludwigsburger Wohnheim erinnert mit mehreren Eingängen an ein urbanes Mehrfamilienhaus. Zeichnung: Reichel Schlaier Architekten

Historische Anleihen bei Kubatur und Fassade

Die Wohneinheiten, die laut Angaben des Bauherrn zum Zeitpunkt der Eröffnung bei einer Bruttogrundfläche von 9.000 Quadratmetern insgesamt Baukosten von 24,9 Millionen Euro brutto aufwiesen, verteilen sich auf einen von zwei Straßen flankierten L-förmigen Baukörper und einen innen liegenden Riegel. Kubatur und Materialität der Gebäude greifen die angrenzende historische Kasernenstruktur auf. Die Ziegelsteinfassaden sind durch vorspringende Erker gegliedert, die Erdgeschosse optisch abgesetzt, die weiteren Geschosse durch veränderte Farbigkeit der Verfugung differenziert.

Weiße Küche mit roter Decke im Studierendenwohnheim in Ludwigsburg.
Die Gemeinschaftsküchen sind hell und stylish.
Sitzfenster im Studierendenwohnheim Ludwigsburg.
Einige Zimmer haben ein breites Erkerfenster zum Hineinsetzen.
Zimmer im Studierendenwohnheim in Ludwigsburg mit gelber Bettwäsche
Die Zimmer sind zu WGs für drei bis acht Bewohner gruppiert. Alle drei Fotos: Brigida González

Mehrere Eingänge und Treppenhäuser

„Wir sind zwar in der Maßstäblichkeit der Nachbarbebauung geblieben, haben aber eine deutliche Parzellierung vorgenommen“, beschreibt Peter Schlaier. Die Wohnanlage ist nicht durch einen zentralen Zugang erschlossen. Vielmehr werden je zwei Wohngemeinschaften pro Etage durch ein gemeinsames Treppenhaus erreicht. Es gibt mehrere Eingänge – wo möglich, von der Straße aus – mit eigenen Adressen und Hausnummern sowie einem Briefkasten für jede Person. „Damit ist das Gesamtkonzept sehr nahe an das klassische Wohnen angelehnt“, sagt Peter Schlaier.


Studentendorf Schlachtensee in Berlin

Klassische Wohngemeinschaften, wie in Ludwigsburg neu gebaut, charakterisieren auch die Mitte der 1970er-Jahre von Friedrich Wilhelm Kraemer, Günter Pfennig und Ernst Sieverts entworfenen studentischen Gemeinschaftshäuser in Berlin-Schlachtensee. Muck Petzet Architekten (Leistungsphasen 1–8) haben die vier Gebäude mit 351 Einheiten in Zusammenarbeit mit apaprojects.architekten (Leistungsphasen 6–9 sowie 5 anteilig) saniert (Außenanlagen: Uwe Neumann).

Die Gemeinschaftshäuser im Studentendorf Berlin-Schlachtensee.
Die Gemeinschaftshäuser im Studentendorf Schlachtensee bieten insgesamt 351 WG-Zimmer. Sie wurden mithilfe von zwei Generalunternehmern im Bauteamverfahren in knapp sechs Monaten saniert. Foto: Muck Petzet Architekten

Sanierung mit minimalen Eingriffen

„Hier konnten wir wirklich ganz nah an die Grenze gehen, die uns interessiert: Was ist der geringstmögliche Eingriff? Das Projekt musste zu geringstmöglichen Kosten und in einem extrem knappen Zeitrahmen abgewickelt werden. Das führte zu einer notwendigen Zurückhaltung bei den Eingriffen“, erklärt Muck Petzet. Letztlich beliefen sich die Baukosten pro Quadratmeter BGF R mit Keller auf 1.447 Euro brutto (Kostengruppen 200–700).

Eingang zum Studentenwohnheim in Berlin-Schlachtensee
Mit minimalen Eingriffen das Maximale erreichen, war die Prämisse des Architekturbüros. Foto: Muck Petzet Architekten

Sogar Brandschutztüren erhalten

Um den baulichen und technischen Bestand möglichst beizubehalten, stellten die Planer alles auf den Prüfstand. Die Innentüren, die Wohnungseingangstüren oder die Brandschutztüren konnten weitestgehend belassen, überarbeitet oder repariert werden. „Ein Schlüssel dabei war der Verweis auf den Bestandsschutz – und die von uns getroffene Einordnung der Häuser als ‚besonders erhaltenswerte Bausubstanz‘“, erklärt Architekt Muck Petzet. Zwar sind die Gebäude selbst nicht denkmalgeschützt, aber sie gehören zum denkmalgeschützten Ensemble des Studentendorfs Schlachtensee.

Originaler Dämmputz, aber neue Fenster

Die bestehende originale Dämmputzfassade wurde erhalten, die Fenster wurden getauscht, Dach und Kellerdecke gedämmt. „Letztendlich haben wir ein nicht denkmalgeschütztes Gebäude hier weitgehend wie ein Denkmal behandelt – und auch die KfW-Förderung Effizienzhaus-Denkmal erhalten“, resümiert der Architekt.

Grundriss Gemeinschaftshaus im Studentenorf Schlachtensee nach der Sanierung
Grundriss mit den rot schraffierten gemeinschaftlichen Flächen und den umgebauten Bädern. Zeichnung: Muck Petzet Architekten

Haustechnik und Bäder erneuert

Die gesamte Haustechnik allerdings wurde erneuert, die Aufzuganlagen ebenfalls. Immerhin konnten dabei auch die Schachtbereiche optimiert werden. Das kam der Neugestaltung der Bäder zugute. Bis dato war nur das WC durch eine Tür vom übrigen Bad abgetrennt. Für die Duschnischen gab es Plastikvorhänge. Nun gibt es drei separat nutzbare, unterschiedliche Nassbereiche und ein zusätzliches Waschbecken im Vorraum. „Wir mussten das alles über die bestehende Mauerwerksöffnung erschließen, da die sonst notwendigen neuen Öffnungen schlicht zu viel Zeit in der Herstellung ­verschlungen hätten“, erläutert Muck Petzet. Ansonsten beschränkten sich Grundrissveränderungen auf Verbesserungen bei der Zugänglichkeit und der Barrierefreiheit.

Zimmer im Wohnheim in Berlin-Schlachtensee.
Die Gemeinschaftsküchen erhielten neue Schiebefenster. Foto: Muck Petzet Architekten GmbH

Aufgewertete Gemeinschaftsküchen

Die Gemeinschaftsküchen erhielten zwar nicht die ursprünglich geplanten Erweiterungen nach außen, wurden aber aufgewertet, indem die Fensterbrüstungen herausgeschnitten und Schiebetüren eingebaut wurden. Bei allen Einschränkungen, die Bestand, Kosten- und Zeitdruck mit sich brachten – Muck Petzet ist überzeugt: „Wir können es uns nicht leisten, relativ junge Gebäude abzureißen und neu zu errichten.“

Schlafzimmer im Studentendorf Schlachtensee mit Spiegel und Holzwand
Auch in den Zimmern wurde mit wenigen Eingriffen das historische Flair modernisiert. Foto: Muck Petzet Architekten GmbH

Studierendenwohnheime als spannendes Betätigungsfeld

Da mag man ihm zustimmen – wohl wissend, dass an manch einem Hochschul­standort das Wohnraumangebot mit Sanierungen allein nicht ausreicht. Dass dann auch im Neubau nachhaltige Lösungen mit einem hohen Wohnwert möglich sind, belegen die Projekte in Rosenheim und Ludwigsburg. Das Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“, in dem der Bund im Jahr 2024 erneut 500 Millionen Euro für die Förderung von Bau und Modernisierung von Wohnheimen zur Verfügung stellt, lässt erwarten, dass sich hier ein spannendes Betätigungsfeld für Architekten auftut. 

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