Von Heiko Haberle
Der Planungsansatz „Gebäudetyp-e“ für einfacheres (und damit günstigeres und schnelleres) Planen und Bauen ist einen weiteren Schritt näher gerückt. Nachdem das Bauministerium bereits begonnen hatte, in seinem Aufgabenbereich die notwendigen Voraussetzungen für ein normenreduziertes Bauen zu schaffen, war auch das Bundesjustizministerium aktiv geworden. Denn für eine konsequente Umsetzung muss auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) angepasst werden, in dem das Bauvertragsrecht geregelt ist.
Normen sind keine Gesetze
Nicht die Vielzahl an Baunormen als solche sorgt für eine Verkomplizierung des Bauens, sondern das Bauvertragsrecht, das sich auf sie bezieht. So nehmen auch für Sicherheit und Funktion nicht relevante Normen (etwa zum Wohnkomfort) schnell Gesetzescharakter an, sofern sie als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ gelten. Abweichungen gelten dann als „Mängel“, die eine Haftung von Architektinnen und Architekten zur Folge haben können.
![Logo zum Gebäudetyp-e](https://www.dabonline.de/wp-content/uploads/2024/01/gebaeudetyp-e-logo-b.jpg)
Zivilrechtliche Absicherung für den Gebäudetyp-e
Am 11. Juli machte das Bundesjustizministerium nun erste Vorschläge für ein sogenanntes „Gebäudetyp-E-Gesetz“:
- Der Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ soll konkreter gefasst werden. Es soll erreicht werden, dass reine Komfort-Standards im Allgemeinen nicht dazu zählen.
- In Verträgen zwischen Planern und professionellen Auftraggebern (also zum Beispiel kommerzielle Investoren oder öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, jedoch keine private Bauherren) soll die Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtert werden.
- Ein Abweichen von „anerkannten Regeln der Technik“ soll nicht mehr automatisch ein Sachmangel sein.
- Im BGB soll eine neue Vermutungsregelung geschaffen werden, die auf alle Bauverträge Anwendung findet. Künftig soll die Vermutung gelten, dass reine Ausstattungs- und Komfortstandards keine „anerkannten Regeln der Technik“ sind.
- Für sicherheitsrelevante technische Normen soll eine gegenteilige Vermutung gelten.
- Öffentlich-rechtliche Vorgaben, die alle Bauvorhaben einhalten müssen, bleiben bestehen: etwa die grundlegenden Schutzziele der Bauordnungen wie Standsicherheit, Brandschutz, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit.
Berufspolitischer Erfolg für Architektinnen und Architekten
Für die Bundesarchitektenkammer (BAK) ist die Nachricht aus dem Bundesjustizministerium ein „großartiger berufspolitischer Erfolg, der in enger Zusammenarbeit mit der Bundesregierung erlangt werden konnte“, so BAK-Präsidentin Andrea Gebhard in einer Pressemitteilung. in der von einem „Durchbruch“ die Rede ist.
Andrea Gebhard ergänzt: „Ein sinnvolles Maß an Normierung und Standardisierung war schon längst überschritten. Nun kann der Gebäudetyp-e Fahrt aufnehmen. Ich bin mir sicher, dass wir in ein, zwei Jahren über viele spannende Best-Practice-Beispiele verfügen. Heute kann man von einer Zeitenwende für mehr Innovation und Einfachheit beim Bauen sprechen.“
Der in dem Kommentar angeführte Vorschlag, hier private Bauherren (natürliche Person) aus dem BGB im Sachmangelrecht „anerkannte Regeln der Technik“ heraus zu nehmen und defacto den Rechtssprechungsgrundsatz zu juristischen Personen unterschiedlich zu werten und zu behandeln, widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes.
Wenn dieser Vorschlag zur Regelung des Sachmangelrechts in das BGB einfließen sollte, sind die Klagen wegen Ungleichbehandlung vorprogrammiert.
Ich frage mich, weswegen hier eine Differenzierung eingebaut werden soll?
Zudem: Was ist Komfort und was sind Standards? Es ist mir nicht bekannt, dass schriftlich definiert worden ist, was mit Komfort-Standards gemeint ist, die allgemeine Rechtsnatur haben. Komfort und Standards sind im Blickwinkel und Wertegefühl des jeweiligen Betrachters zu sehen. Sie sind divers!