Nils Hille
„Das ist der Letzte seiner Art“, sagt Heidi Kief-Niederwöhrmeier stolz. Gleich nach der Begrüßung am Nürnberger Flughafen zeigt die Architektin auf den Tower, Ergebnis eines Wettbewerbssiegs von Behnisch und Partner im Jahr 1991. Schon ist sie mittendrin in der Fachführung, die sie gemeinsam mit ihrem Mann und Büropartner Hartmut Niederwöhrmeier konzipiert hat. Und sie erklärt ihre Aussage: „Es ist der letzte Tower, der in Deutschland von einem Büro frei geplant werden konnte.“ Danach wurde von der Deutschen Flugsicherheit ein Airport-Einheitsturm festgelegt. „Am besten kann man die Gesamtgestalt vom rollenden Flugzeug aus erkennen“, ergänzt Niederwöhrmeier. Er fährt von diesem „neuen Wahrzeichen“, wie die Lokalpresse den Tower damals beim Wettbewerbsentscheid bezeichnete, nun zu dem eigentlichen Symbol der Stadt – der Kaiserburg.
Wir erklimmen die Anhöhe über eine Brücke und durch Tore in den dicken Mauern. Der Bau aus dem elften Jahrhundert ist für jeden Nürnberg-Besucher Pflicht und für viele Bewohner zumindest an Silvester einen Besuch wert. „Hierher bringen wir eine Flasche Sekt mit, schauen über die Stadt und auf das Feuerwerk“, erzählt Kief-Niederwöhrmeier. Und ihr Mann beschreibt, während er auf Nürnberg blickt: „Die Struktur der Innenstadt ist wie ein aufgeschlagenes Buch und in der Mitte, ‚im Knick‘, liegt die Sebnitz. Der eine Teil ist kommerziell geprägt und der andere durch das Wohnen.“
Von oben zeigen sich vor allem traditionell gestaltete Nachkriegsbauten. Doch es bewegt sich vieles. Während wir das historische Zentrum verlassen und zum östlichen Stadtrand fahren, berichtet Kief-Niederwöhrmeier von der guten Wettbewerbskultur in der Stadt: „Wie erleben eine Zunahme an Ausschreibungen und können wirklich nicht klagen. Schön wäre natürlich, wenn noch mehr Ergebnisse von städtebaulichen Wettbewerben auch wirklich umgesetzt würden und es mehr offene Teilnahmemöglichkeiten gäbe.“
Glaspfeil im Speer-Bau
Ihr Mann hält nun auf einem von viel Grün umgebenen Parkplatz. Niemand erwartet hier eine Hochschule, doch die Akademie der Bildenden Künste hat diesen traumhaften Ort am Wald für ihre Studenten, auch die der Architektur, zu bieten. Sep Ruf baute Anfang der 1950er-Jahre eine überwiegend eingeschossige Gebäudegruppe mit Verbindungsgängen. Geprägt ist das Ensemble durch ein sehr klares Prinzip mit viel Glas und somit gutem Lichteinfall für die Ateliers sowie furch äußerst dünne Flachdächer.
Letztere stehen, wegen notwendiger Sanierungsmaßnahmen, in der Diskussion. „Ihre flache Struktur muss unbedingt erhalten bleiben. Die Akademie ist wohl, neben dem Kanzlerbungalow, das bedeutendste Gebäude von Ruf“, meint Niederwöhrmeier. Da es an Platz mangelt, soll nun ein Erweiterungsbau für Entlastung sorgen. Ein Wettbewerb in diesem Jahr brachte zwei erste Preise hervor, das Berliner Büro Hascher und Jehle konnte sich nach einer Überarbeitung seines Entwurfs schließlich durchsetzen. Drei dezent miteinander verbundene Pavillons aus Glas und Beton sollen nun entstehen – möglichst schon bis 2012 zum 350-jährigen Jubiläum der Kunstschule. Damit werde sie die Geschlossenheit nach innen behalten, sich aber gleichzeitig nach außen öffnen und ausrichten, lobt die Jury.Wie Neues mutig auf politisch vergiftetes Altes eingehen kann, zeigt das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Es ist die nächste Station der Architekten und ebenfalls Ergebnis eines Wettbewerbs, das sie gerne zeigen.
„Es ist frech und genial, eine Art überdimensionalen Pfeil aus Glas durch die Kongresshalle von Ludwig und Franz Ruff zu ‚schießen‘“, lobt Kief-Niederwöhrmeier die Arbeit von Günther Domenig aus Graz. In ihrem Umbau wird die Geschichte des Nationalsozialismus vom Aufstieg der NSDAP bis zu den Nürnberger Prozessen erschreckend eindrücklich dargestellt. Hitlers Wahn dokumentieren auch die Dimensionen der Kongresshalle und des darumliegenden Geländes, das nach Plänen Albert Speers einmal elf Quadratkilometer umfassen sollte – vier sind realisiert und noch sichtbar. Niederwöhrmeier berührt eine der sehr dicken, hohen Mauern: „Da muss man sich mal vorstellen, dass hier jemand das alles Stein auf Stein gesetzt hat, mit dem ganzen Mörtel dazwischen – das ist heute fast unbegreiflich.“
Neues in der Altstadt
Kontrastreicher kann die nächste Station der Tour gar nicht sein. Der „Südpunkt“ steht als Stadtteiltreff für die Integration, für eine geförderte offene Kommunikation und für ein vielfältiges Kursangebot. Kuntz und Manz aus Würzburg gewannen 2004 den Wettbewerb, der eine Herausforderung für alle Teilnehmer war, wie Kief-Niederwöhrmeier erzählt: „Ein Neubau musste mit alter Bausubstanz verbunden werden, die Räume sollten flexibel für verschiedenste Zwecke nutzbar sein – und das alles im Passivhausstandard.“ Alle Aufgaben haben die Würzburger gelöst und zudem mit einem farbfröhlichen Gestaltungskonzept versehen. Die grüne Fassade ist von Weitem sichtbar und Niederwöhrmeier kommentiert anerkennend: „Damit haben sie für den multikulturellen Stadtteil einen neuen, zentralen Ort geschaffen, der unheimlich gut angenommen wird.“
Noch viel zentraler, aber doch versteckt liegt das nächste Ziel. Unweit des Hauptbahnhofs, am Anfang der Königstraße, einer der zentralen Einkaufsstraßen, befindet sich das Neue Museum – doch leider in der zweiten Reihe hinter Hotels, wo keiner einen solch großzügigen Bau mit einer riesigen, auch als „Schaufenster“ bezeichneten Glasfassade erwartet. Volker Staab konnte 1991 die Wettbewerbsjury mit ebendieser Front und den Ausstellungsräumen, die dahinter wie Kojen liegen, überzeugen. „Da hat sich die Nürnberger Architektenszene gefreut, dass auch in der Altstadt mal etwas Neues entstehen konnte. Nur dass man nicht direkt darauf zugehen kann, ist schade“, kommentieren die Stadtführer.
Sie leiten nur wenige Schritte weiter, zum Endpunkt ihrer Tour, der ausnahmsweise nicht aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist: die von Brückner und Brückner aus Tirschenreuth umgebaute romanisch-gotische, nach dem Krieg neu errichtete Kirche St. Klara. Ihr Haupteingang kam wieder an die ursprüngliche Stelle und zieht jetzt viele Bürger direkt aus der Einkaufsstraße für eine Pause ins Gotteshaus. Innen sind Volksaltar, Ambo und Bänke ersetzt. Auch Heizung, Fenster und Beleuchtung wurden passend erneuert. Die Architekten flüstern: „St. Klara steht nun für Klarheit, denn der Umbau ist einfach sehr schön dezent gelöst.“ Und sie steht für Vielfalt – vom seelsorgerischen Angebot bis zu Konzerten mit Saxofon und E-Gitarre. Damit zieht das Gotteshaus kirchennahe wie -ferne Menschen an, und das nicht nur Heiligabend.
Kulinarisch
Hexenhäu Uriges Restaurant im Fachwerkhaus direkt am Graben der Kaiserburg.
Zur Baumwolle Traditionsrestaurant mit fränkischer Küche im typischen Handwerkerhaus aus dem 15. Jahrhundert.
Bratwurstglöcklein Nürnberger Rostbratwürstchen aus der eigenen Metzgerei, auf dem Buchenholzfeuer gegrillt.
Kulturell
Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“ über die Verbrechen der NS-Zeit vor gigantomanischer Kulisse.
Neues Museum Nürnberg Wechselnde Ausstellungen im staatlichen Museum für Kunst und Design von Volker Staab mitten in der historischen Altstadtstruktur.
Verkehrsmuseum Die Geschichte der Deutschen Bahn von ihren Anfängen bis heute, anschaulich präsentiert mit zahlreichen Exponaten.
Entspannend
Hotel Drei Raben Kleines Hotel mit individuell gestalteten und bestens ausgestatteten Zimmern, zentral am Rande des Altstadtkerns gelegen.
Hotel am Jakobsmarkt Im Herzen der Altstadt gelegenes Haus, umrahmt von Fachwerkhäusern, mit Zimmern für unterschiedliche Ansprüche.
Hotel Deutscher Kaiser Ende des 19. Jahrhunderts im „Nürnberger Stil“ erbaute Herberge, die sehr zentral in der Stadt liegt.
Erlebenswert
Christkindlesmarkt Berühmter Nürnberger Weihnachtsmarkt auf dem Hauptmarkt im Herzen der Stadt, bis zum 24.12.
Blaue Nacht Einmal im Jahr kann die Kunst und Kultur der Stadt zur ungewöhnlichen Stunde bestaunt werden. Auch der Treffpunkt Architektur ist am 15. Mai 2010 wieder mit dabei.
Historische Felsengänge Führungen unter die Stadt durch jahrhundertealte Gewölbe und Gänge.
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